Print Friendly, PDF & Email

Covid-19 und der Ölpreis haben die Werftaktivität im Reparatur- und Umbaumarkt in der ersten Jahreshälfte niedergehalten, dafür sorgen vor Jahren vorgezogene Dockungen nun für gute Auslastung. Derweil mischt ein neuer, digitaler Akteur den Agenturmarkt auf, berichtet Felix Selzer

Beim Blick auf den Reparatur- und Umbauwerftmarkt Mitte 2019 war das Bild geprägt geprägt von einer großen Nachfrage nach Werftplätzen[ds_preview], Engpässe wurden vorausgesagt. Die Auslastungssituation bis ins Jahr 2020 war vordergründig wegen Installation von Schrubbern überraschend gut. Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie und mit dem Verfall der Preisdifferenz zwischen hoch- und niedrigschwefligem Kraftstoff (HSFO, LSFO) hat sich die Lage aber wieder geändert. »Die Werften, speziell in Asien, sind nicht mehr voll mit Scrubber-Installationen ausgebucht. Es ist nun wieder möglich, für Standard-Dockung auch kurzfristiger einen Werftplatz zu bekommen. Einige Kunden arbeiten die geplanten Scrubber-Installationen noch ab. Neue Installation sind allerdings momentan eher nicht geplant«, berichtet Stephanie Albrecht von der Werftvertretung Peter Gast Shipping (PGS). Diesbezüglich sehe man momentan keine Engpässe mehr. Noch zu Beginn des Jahres war das eines der beherrschenden Themen, weil mit dem Inkrafttreten der sogenannten IMO-2020-Verordnung zum Schwefelgehalt im Schiffskraftstoff die Nachfrage nach Scrubbern in die Höhe schnellte.

Schließungen und Reisebeschränkungen in den Monaten März, April und Mai aufgrund der Covid-19-Pandemie haben Werften Lahmgelegt, Techniker und Inspektoren konnten nicht zum Einsatzort und auch Herstellung und Transport kamen teils zum Erliegen. »Daher haben die meisten Reedereien die Möglichkeit wahrgenommen, die Dockung um drei bis sechs Monate aufzuschieben. Die Klassifikationsgesellschaften waren da sehr kulant«, berichtet Christian Schneider von der Werftvertretung Zoepffel und Schneider. So sehe man nun, dass die Werften wieder recht voll seien. »Die meisten Scrubber-Projekte werden auch nach wie vor realisiert, weil man schon vor langer zeit den ›point of no return‹ passiert hat«, sagt er. Die Projekte hätten Vorlaufzeiten von ein bis zwei Jahren und die Reedereien oder Charterer hätten oft schon 80 % des Investitionsvolumens ausgegeben. »Es macht dann einfach keinen Sinn mehr, das Projekt zu stornieren«, so Schneider. Die Entwicklung des Ölpreises habe allerdings dafür gesorgt, dass Projekte, die sich noch in der Anfangsphase befanden, sofort gestoppt wurden. »Die Scrubber-Nachrüstungen finden primär in China statt und die Werften sind dort nicht bis zum Jahresende voll ausgelastet. Ab August/September besteht die Möglichkeit, dort noch Projekte mit Scrubbern zu platzieren, aber aktuell ist die Nachfrage eher gering«, so Schneider. Leerlauf gibt es bei den Werften aber nicht, denn es gibt andere Zwänge, die für eine vergleichsweise hohe Aktivität im Markt sorgen. Dafür muss man einen Blick zurück in das Jahr 2015 werfen, als viele Reedereien mit einer vorgezogenen Dockung der Nachrüstung von Ballastwasseranlagen aus dem Weg gehen wollten. Wie Christian Schneider erklärt, wurden damals nicht nur die fälligen Dockungen für 2015 erledigt, sondern auch noch viele für 2016 geplante Werftaufenthalte vorgezogen, um die Nachrüstung um fünf Jahre aufschieben zu können. 

»Entsprechend war klar, dass 2020 – also fünf Jahre später – ein ähnlich geschäftiges Jahr wird und die Werften gut ausgelastet sind. Denn nun kehren all diese schiffe in die werften zurück und müssen größtenteils neben den üblichen Reparaturen auch die Ballastwasser anlagen nachrüsten.«

Hier hätten die Werften in der Zwischenzeit mit vielen Herstellern und Typen ausreichende Erfahrungen gesammelt und Kapazitäten für den Rohrleitungsbau entsprechend aufgestockt, fügt Albrecht hinzu.

Die Verschiebungen durch das Coronavirus sind nicht allein zeitlicher Natur, auch geografischt tut sich etwas. Zu Anfang, als das Virus vorrangig in Asien umging hätten Reedereien versucht, ihre Schiffe in anderen Gebieten zu docken, beispielsweise im Persichen Golf oder in der Schwarzmeer-Region, berichtet Schneider. »Allerdings muss man dann auch abwägen: Es bringt nichts, einen Grossen Bulker mit vielen Stahl-, Strahl und Malereiarbeiten in Europa zu docken. Dann ist das Schiff pleite. So etwas geht nur in Niedriglohnländern«, fügt er an. Ebenso müssten die Kosten für eine Repostitionierung gegen die Nachteile eine Verschiebung der Dockung abgewogen werden.

Asien ist daher auch nach Aussage von Stephanie Albrecht weiterhin ein gefragter Standort, neben der wegen Reisebeschränkungen nötigen Verschiebung von Dockungen greifen Reedereien auch auf lokale Superintendents zurück, die die Arbeiten vor Ort betreuen. Ein Trend, den auch Schneider bestätigt, auch »ferngesteuert« und mit lokaler Aufsticht funktioniere das bislang sehr gut.

Weitere bei PGS-Kunden sehr beliebte Standorte sind die Türkei, das schwarze Meer und die Ostsee. Da sich hier die Beschränkungen zum Teil wieder gelockert haben, finden hier verstärkt wieder Reparaturen statt«, so Albrecht.

Klassisches vs. digitales Modell

Angesichts der durch die Corona-Krise ausgelösten Einschränkungen sieht sich ein neuer Akteur im Werftvertretungsmarkt in seinem digitalen Ansatz bestätigt. »Momentan finden die klassischen Besuche der Werftvertreter bei den Reedereien nicht mehr statt – die Leitmesse SMM ist auch verschoben worden – die Werften müssen das Internet mehr denn je nutzen um sich zu zeigen und zu präsentieren«, sagt Carsten Bullemer, Gründer des Hamburger Startups Trusteddocks. Auf der Plattform sollen Schiffsmanager die optimale Werft für ihre Reparatur oder ihr Class-Renewal-Projekt finden, Dockingspezifikationen erstellen und mit einem »Online Tender Tool« den besten Anbieter finden.

Er ist überzeugt, das in dem Geschäft auf digitalem Wege »eigentlich fast alles« besser geht. Spezifikationen könnten gemeinsam erstellt und ausgetauscht werden, Angebote könnten schnell eingeholt und verglichen werden, der Informationsaustausch gehe schneller, das Transparenzniveau sei höher. »Wir glauben, dass die klassische Werftvertretung ausgedient hat und wollen den Reedern und Managern eine zuverlässige, unabhängige digitale Alternative zu den Werftvertretern bieten«, sagt er.

Allerdings sind auch die Vertreter der »klassischen« Werftvertretungen wie PGS von ihrem Modell überzeugt, die Kunden bevorzugten nach wie vor den direkten Kontakt und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihren bekannten Ansprechpartnern, sagt Stephanie Albrecht. »Teilweise gibt es Versuche, diesen Bereich zu digitalisieren, allerdings hat sich dies bisher nicht durchgesetzt. Eine App oder eine Website kann den persönlichen Kontakt mit erfahrenen Mitarbeitern nicht ersetzen«, meint sie. Daher setze man weiterhin auf den persönlichen Kontakt und ein Team, das 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche erreichbar sei.

Schneider hält die Digitalisierung des Werftvertretungsmarktes in einem gewissen Maße für unausweichlich. »Natürlich merken auch wir, dass jüngere Inspektoren eher das Internet bemühen, während die älteren eher zum Hörer greifen und ihr bewährtes Netzwerk nutzen«, erklärt er und richtet den Blick vor allem auf das tägliche Geschäft. Dieses sei sehr sprunghaft. Jeden tag änderten gebuchte schiffe ihre ETA, es falle unerwartete Mehrarbeit an, mehrfach am Tag müsse das Dockprogramm angepasst werden »auch wegen Schlechtwetter und anderer Einflüsse. Keine Plattform wird das ›tagesaktuell‹ abbilden können, was dort wirklich passiert oder geplant ist«. Das wüssten nur Insider, die eng mit der Werftleitung zusammenarbeiten. »Außerdem wollten die Reedereien sich immer die Möglichkeit vorbehalten, im Streitfall einen schlichter zu bemühen, der auf der Werft etwas bewirken kann. Aber dafür müssen wir von Anfang an involviert sein.« Er sieht die Zukunft in einer Kombination aus digitalen Hilfsmitteln und einem »persönlichen Vertrauensgeschäft«.

Schneider will sich daher primär auf das Kerngeschäft der Agentur konzentrieren und die Werftvertretung »im traditionellen Sinne« betreiben. »Das ist auch das, was die meisten unserer Prinzipale und Kunden wünschen«, sagt er. Derweil versucht man auf der eigenen Online-Präsenz so viele Informationen wie möglich über die vertretenen Werften zu geben.

»Davon abgesehen stehen wir Startups in unserem Geschäftszweig offen gegenüber, hören uns immer alles gerne an und beteiligen uns gegebenenfalls auch an solchen, wenn es aus unserer Sicht einen Mehrwert bietet und Zukunft hat«, so Schneider.

Derweil will Bullemer mit Trusteddocks neben der Vermittlung von Dockpläzen auch die Reeder beim Einkauf wichtiger technischer Systeme wie Scrubbern oder Ballastwasseranlagen unterstützen. »Unser trusteddocks Marketplace soll Werften und Schiffsmanagern helfen günstig und schnell an wichtige Ersatzteile zu kommen. Momentan führen wir auf trusteddocks einen Online Tender über 50 Ballastwassersystems durch, bei dem sieben Anbieter mitbieten.«

Momentan liegt der Schwerpunkt des Startups noch auf Reedereien in Deutschland. Die vertretenen Werften sitzen in der ganzen Welt, mit Schwerpunkten in der Türkei und China. »Wir wollen aber weiter wachsen und sehen, dass insbesondere die skandinavischen Ländern in Sachen Digitalisierung, Transparenz und Antikorruption Vorreiter in der Schifffahrt sind«, sagt Bullemer.
Felix Selzer