Der kleine Inselstaat Tuvalu versinkt im Pazifik, auf Grönland schmelzen die Gletscher, das Arktis-Eis schwindet. Dass der Klimawandel eingesetzt hat und rund um den Globus die Temperaturen und den Meeresspiegel steigen lässt, zweifeln nur noch Querdenker ernsthaft an. Schnelles Handeln ist also dringend geboten. Wenn es aber darum geht, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, fehlt es [ds_preview]in einzelnen Ländern ebenso wie in der gesamten internationalen Staatengemeinschaft oft noch an der nötigen Konsequenz.
Das war bei den jüngsten IMO-Beschlüssen zu sehen, die weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Und auch der jetzt von der EU-Kommission vorgestellte Klimaplan »Fit for 55« ist kaum der Weisheit letzter Schluss.
Die Emission von Treibhausgasen, von »Klimakillern«, muss drastisch verringert, am besten sogar gestoppt werden. Die Schifffahrt in einen verstärkten Umweltschutz einzubeziehen, ist ohne jeden Zweifel der richtige Schritt. Nicht etwa, weil der Seeverkehr zu den größten Umweltsündern gehören würde, das ist er bei einem weltweiten Anteil an den Emissionen von unter 3 % nämlich nicht. Sondern weil es darum gehen muss, alle Industrien in die Pflicht zu nehmen, jede technische und politische Möglichkeit zur Dekarbonisierung unserer Welt zu nutzen.
Der CO?-Aussstoß muss und wird sich daher verteuern. Kritiker monieren, dass ein regionaler Vorstoß keine globale Regelung ersetzen kann, die weltweiten Bemühungen vielleicht sogar unterminiert. Das bleibt abzuwarten. Außerdem ließe sich entgegenhalten, dass einer anfangen muss, um die anderen in Zugzwang zu bringen. Das Problem ist vielmehr, dass die EU ein Klimakonzept mit gravierenden Webfehlern vorgelegt hat.
Gut gemeint ist nicht automatisch auch gut gemacht. Die Aufnahme in den Emissionshandel belastet die Schifffahrt mit zusätzlichen Kosten und soll durch eine schrittweise Verteuerung und Verknappung der Zertifikate Anreize schaffen, um auf alternative, mindestens klimaneutrale Kraftstoffe und Antriebskonzepte umzusteigen. Webfehler Nr. 1: Wie zuvor schon die IMO verzichtet auch die EU darauf, die neuen Gebühren in einen Forschungs- und Innovationsfonds umzuleiten, um die teuren Investitionen zu unterstützen. Stattdessen fließen die ETS-Einnahmen an die Mitgliedsländer – was diese mit dem Geld machen, bleibt ganz ihnen überlassen.
Webfehler Nr. 2: Parallel zur Einführung der CO?-Zertifikate will Brüssel die sogenannten Taxonomie-Regeln verschärfen. Hinter dem sperrigen Wort verbergen sich Kriterien, nach denen eine Finanzierung künftig als nachhaltig, also als dem Klimaschutz dienlich gilt. Ab 2026 gelten dann nur noch Schiffe als »grün«, auf denen kein einziges Gramm CO? mehr aus dem Schornstein kommt.
Das wäre aus Sicht der großen maritimen Branchenverbände in Deutschland ein Desaster. Denn CO?-frei am Schornstein sind faktisch nur Antriebskonzepte mit Wasserstoff, Ammoniak oder Batteriestrom – Technologien also, die noch weit von der Marktreife entfernt sind. Wenn die Förderinstrumente der öffentlichen Hand und EU-Beihilferegeln entsprechend eingeschränkt würden, fiele das LNG-Förderprogramm des Bundes ebenso durchs Raster wie die Umrüstung auf Bio- oder synthetische Kraftstoffe.
Das ist, noch einmal, bestenfalls gut gemeint, aber praxisfern gedacht. Völlig zu Recht fordern die Verbände, die Klimaneutralität eines Antriebskonzeptes insgesamt zu bewerten und die Regelung entsprechend anzupassen. Sonst, so die klare Warnung, werde der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft ein schwerer, vielleicht sogar irreparabler Schaden zugefügt. Und das kann, bei allen guten Absichten, doch niemand ernsthaft wollen.
Krischan Förster