613 Schiffe oder knapp 22 % der fahrenden Flotte – das Orderbuch in der Containerschifffahrt füllt sich immer weiter. Droht also eine (neue) Blase? Zum Vergleich: Noch vor einem Jahr lag die Ratio bei 8,8 %! Ab wann ist der Neubau-Quotient nicht mehr gesund? Diese Frage wird immer häufiger gestellt.[ds_preview]
Was wurde nicht alles auf die Reeder geschimpft. Die Flotte zu alt und klimaschädlich, eine Modernisierung muss her. So lautete die vielstimmige Forderung der vergangenen Jahre, als ein großer Teil der Unternehmen noch immer mit den Folgen der schweren – zum Teil selbstverschuldeten – Krise zu kämpfen hatten und das Kapital fehlte. Nun investieren sie kräftig – und das ist wieder falsch?
Während sich die einen bei jedem Neubauauftrag über die Nachfrage nach Bauteilen und Bordtechnik freuen, gehen die anderen die Reeder an: Sie hätten aus den Erfahrungen vor und in der Finanzkrise zu wenig gelernt und würden nun angesichts der exorbitant gestiegenen Fracht- und Charterraten im Freudentaumel Schiffe en masse bestellen. Fängt einer an, ziehen die anderen aus Sorge um Marktanteile nach – wie die Lemminge, sagen die Kritiker.
Aber ist es wirklich so einfach? Oder sind es weniger Lemminge als – in Anlehnung an ein bekanntes TV-Format – Löwen, die zu einem günstigen Zeitpunkt investieren? Oder ist beides unpassend, weil es gar schon wieder zu spät ist?
Die Werften jedenfalls freuen sich über den Trend. Bauplätze werden knapp, die Preise steigen. Sogar deutsche Schiffbauer werden wieder angefunkt, um über Containerschiffe zu sprechen (der Chef der Flensburger FSG-Werft berichtet darüber in der aktuellen Folge vom HANSA PODCAST) – ist das dann ein Anzeichen für eine Überhitzung des Marktes?
Dieses Risiko besteht immer, sobald sich die Marktdaten fundamental verbessern. Wir sprechen hier immerhin über zum Teil dreistellige Wachstumsraten bei den Frachtraten und bis zu 200.000 $ als Tagescharterrate.
Die Nachfrage nach Tonnage ist offenkundig vorhanden. Sie dürfte auch nicht so schnell einbrechen, sofern nicht ein sehr außergewöhnliches Ereignis eintritt. Eine mancherorts gewünschte Re-Regionalisierung der Produktionskapazitäten ist mittelfristig jedenfalls nicht zu erwarten, trotz der vielfältigen Lieferketten-Störungen. Auch künftig werden Schiffe gebraucht, aber eben deutlich effizienter und »grüner« als bisher.
Bei der Beantwortung der Frage nach einer potenziellen Containerschiffsblase sollte nicht außer acht gelassen werden, dass es wohl noch viel mehr Neubauaufträge geben würde, wenn es mehr Klarheit über den Kraftstoff der Zukunft gäbe. Nicht wenige Reeder zögern, weil sie eben nicht wissen, welche Technologie sich durchsetzen wird.
Dann stellt sich aber wieder die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt. Passt es gerade jetzt oder ist es vielleicht doch noch zu früh? Wählt man die Übergangslösung LNG, wartet man auf Wasserstoff, setzt man wie Maersk auf Methanol? Um es noch komplizierter zu machen – was ist mit synthetischen Kraftstoffen für Verbrenner-Motoren? Das ist allerdings weniger eine zeitliche als eine ideologische Frage, über die sich genauso kontrovers debattieren ließe.
»Blase oder nicht?« lässt sich nicht so leicht beantworten, wenn überhaupt. Wahrscheinlich gibt es nicht die eine Antwort, zumindest so lange nicht, wie die Folgen des jetzigen Handelns sichtbar werden, inklusive der Entwicklungen und Realitäten, die uns bis dahin heimgesucht oder beglückt – oder schlicht überrascht haben. Unvorhergesehenes soll ja bisweilen passieren …