Denise Kurtulus, Vice President Global Marine, Rolls-Royce-Geschäftsbereich Power Systems © Rolls-Royce Power Systems
Denise Kurtulus, Vice President Global Marine, Rolls-Royce-Geschäftsbereich Power Systems (© Rolls-Royce Power Systems)

Während in der maritimen Branche noch vielfach diskutiert wird, was der Schiffskraftstoff der Zukunft sein wird, macht Rolls-Royce Power Systems mit Methanol einen konkreten Vorschlag. Darüber und weitere Entwicklungen sprach die HANSA mit Denise Kurtulus

Motoren mit fossilen Brennstoffen zu betreiben und die Emissi[ds_preview]onen mit Systemen zur Abgasnachbehandlung zu reduzieren, wird künftig nicht mehr ausreichen. Welche Schritte unternimmt Rolls-Royce Power Systems, um seine Antriebssysteme umweltfreundlicher zu machen und sie auf die kommenden Anforderungen auszurichten?

Denise Kurtulus: Generell muss zunächst die DNA einer Firma auf eine solche Transformation ausgerichtet werden. Deswegen haben wir eine Strategie erarbeitet. Wir nennen sie »PS 2030«. Diese besagt, dass wir uns in drei Säulen entwickeln wollen. Die »Kernsäule« umfasst die Weiterentwicklung unserer Antriebssysteme und Technologien. Wir wollen unsere gesamte Produktpalette, sowohl das bestehende Portfolio an Verbrennungsmotoren – denn wir werden weiterhin auch ein Motorenhersteller sein – als auch zukünftige Produkte nachhaltig gestalten. Dieselmotoren müssen wir auch in Zukunft anbieten, weil wir insbesondere im maritimen Bereich Leistungsanforderungen haben, die bisher keine andere Technologie abdecken kann. Das heißt, wir wollen und werden bestehende Produkte weiter optimieren und so schadstofffrei und umweltfreundlich wie möglich machen. Gleichzeitig entwickeln wir neue Technologien, die komplett CO2-neutral sein werden. Das ist die zweite Säule. Zu ihr gehört auch, dass wir Anbieter integrierter Komplettlösungen werden wollen – und zwar von der Brücke bis zum Propeller. Die dritte Säule umfasst den Bereich Service. Wir wollen über den gesamten Lebenszyklus eines Schiffes der Partner sein, der Unterstützung anbietet, basierend auf Daten und digitalen Prozessen. Aus Datenanalyse heraus optimalen Service anzubieten, damit unsere Kunden optimal ihren Job machen können, das ist unser Ziel.

Das Ziel, Anbieter von Komplettlösungen zu werden, verfolgen auch Marktbegleiter von Ihnen und zwar oft durch Zukäufe. Wie stehen Sie dazu?

Kurtulus: Auch wir kaufen dazu. Wir haben Ende 2020 zum Beispiel die Firma Servowatch Systems in England gekauft. Das ist ein Automationshersteller, der vor allem auf Alarm-Monitoring spezialisiert ist. Mit Servowatch haben wir uns Automationskompetenz eingekauft, um diese in unsere Systeme zu integrieren, wie etwa unser Automationsportfolio mtu NautIQ. Aber das ist erst ein Anfang. Unser Fokus liegt auf der Intelligenz, nicht auf der reinen Hardware. Wir schaffen eine schiffsbezogene Lösungsarchitektur, die je nach Kundenbedarf angepasst werden kann. Wir bieten zum Beispiel Hybrid-Lösungen im Baukastensystem, die je nach Anforderungen bezüglich Leistung und Reichweite variiert werden können, zum Beispiel mit zusätzlichen Batterien. Dieselmotoren können dann bei Verfügbarkeit und Bedarf relativ einfach gegen Brennstoffzellen oder Methanol-Motoren getauscht werden. Unterstützt wird das alles durch ganzheitliche Software-Lösungen zur Überwachung, Steuerung und optimalen Wartung der Systeme. So bieten wir unseren Kunden die für sie optimalen Lösungen für Bordstrom und Antrieb, die sie dank Datenanalyse besonders effizient und zuverlässig betreiben können.

Im Sommer 2021 hat der Rolls-Royce-Konzern die Net-Zero-Strategie bekannt gegeben. An diese ist das Ziel geknüpft, bis 2050 komplett klimaneutral zu werden. Wie wirkt sich diese Strategie auf Sie als Tochterunternehmen aus?

Kurtulus: Die Net-Zero-Strategie gilt auch für uns, den Geschäftsbereich Power Systems. In diesem Rahmen haben wir uns als Vorreiter im Konzern als Teil des Programms »Net Zero at Power Systems« selbst die ambitioniertesten Ziele gesetzt und veröffentlicht: Bis 2030 wollen wir die Treibhausgasemissionen unserer neuen Produkte um 35 % senken. Bis 2050 wollen wir Klimaneutralität erreichen. Das ist ein hehres Ziel, das uns sehr wichtig ist und das wir von Kopf bis Fuß leben. Wir haben dazu unter anderem eine Produkt-Roadmap verabschiedet, die mit entsprechenden finanziellen Mitteln hinterlegt ist. In den kommenden zehn Jahren werden wir rund 500 Mio. € in klimaneutrale Technologien investieren.

Und wie wird sich diese Produkt-Roadmap auf Ihr maritimes Portfolio auswirken?

Kurtulus: In der maritimen Branche herrscht derzeit eine große Unsicherheit, was den Kraftstoff der Zukunft angeht. Aber wir haben unsere Hausaufgaben in den vergangenen fünf Jahren gemacht und zum Beispiel das »Green- und Hightech-Programm« initiiert. Wir haben unsere Köpfe zusammengesteckt und überlegt, wo die Reise hingehen könnte und was am sinnvollsten ist. Wir haben analysiert, wohin sich Infrastruktur entwickelt und wie sich politische Entscheidungsträger positionieren. Für uns kristallisiert sich der Weg der Hybridisierung heraus. Momentan besteht ein Hybridantrieb noch aus einem Dieselmotor, einem Stromgenerator und Batterien. Wir wollen nach und nach die Komponenten durch umwelt- und klimafreundlichere ersetzen. Für unsere Motoren der mtu-Baureihen 2000 und 4000 gibt es zum Beispiel bereits SCR-Systeme, die Schadstoffemissionen stark reduzieren. Im nächsten Schritt kommen dann ab 2023 alternative Kraftstoffe ins Spiel, die einen weiteren Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten können.

Ab dem Jahr 2023 soll die nächste Motoren-Generation der mtu-Baureihen 2000 und 4000 für den Einsatz mit nachhaltigen Kraftstoffen freigegeben werden. Von welchen Kraftstoffen sprechen wir da?

Kurtulus: Es geht um E-Kraftstoffe und Biokraftstoffe der zweiten Generation, also synthetische Kraftstoffe nach der Norm EN15940, die auf Biomasse basieren. Dazu gehören zum Beispiel hydrierte Pflanzenöle (HVO).

Werden diese Kraftstoffe CO2-neutral oder CO2-arm sein?

Kurtulus: Sofern sie grün hergestellt sind, CO2-neutral. Diese Kraftstoffe können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den CO2-Fußabdruck bestehender Flotten zu verringern. Schiffe sind ja 20, 30 Jahre unterwegs. Wenn wir Schiffe, die schon im Einsatz sind, mit nachhaltigen Kraftstoffen emissionsärmer machen, haben wir schon viel gewonnen.

Auch der Einsatz von Brennstoffzellen kann zu einer Senkung der Emissionen signifikant beitragen, zum Beispiel zur Erzeugung von Strom für die Bordversorgung. Wir testen Brennstoffzellen auch als Hauptantrieb. Das ist aber angesichts der relativ niedrigen Energiedichte von Wasserstoff eine große Herausforderung, vor allem bei Schiffen mit hohen Reichweiten. Die Speicherung von Wasserstoff an Bord erfordert viel Platz. Deshalb hat sich für uns für Schiffe mit hohen Anforderungen an Leistung und Reichweite ein anderer Kraftstoff als präferierte Lösung herauskristallisiert – und das ist Methanol.

Und warum Methanol?

Kurtulus: Methanol gibt es heute bereits in vielen Häfen, zwar noch nicht »grün«, sondern »grau«, aber es gibt es. Es ist ein Flüssigtreibstoff, der leicht und ähnlich gefahrarm zu transportieren ist wie Diesel. Das unterscheidet Methanol zum Beispiel von Ammoniak. Und es hat nach Diesel die beste Energiedichte: Auch wenn es nur etwa 50 % der Energie von Diesel sind, die meisten anderen alternativen Kraftstoffe schneiden da schlechter ab. Deswegen ist für uns Methanol der Marine-Kraftstoff der Zukunft. Methanol-Technologien entwickeln wir derzeit auf Basis unseres mobilen Gasmotors.

Ist es als Unternehmen mutig, sich so festzulegen?

Kurtulus: Ja, aber wir wollen damit eine klare Botschaft aussenden. Normalerweise würden wir unsere Zukunftspläne nicht so offen kommunizieren – unsere Produkt-Roadmap ist das bestgehütete Geheimnis, das wir haben! Aber in diesem Fall haben wir uns dafür entschieden, uns klar zu positionieren. Es braucht einfach einen Pionier, der vorangeht. Wenn wir das 1,5°-Ziel erreichen wollen, muss sich dringend etwas bewegen – und einer muss den Anfang machen. Das sehe ich übrigens als Privatperson auch so. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der meine Kinder nicht mehr die Chance haben, ein so gutes Leben zu führen wie wir heute. Und ich finde es persönlich großartig, in dieser Phase in einer Position zu sein, in der ich meinen persönlichen Nachhaltigkeitsanspruch mit meinem Beruf verbinden kann. Ich war noch nie so zufrieden in meinem Job wie jetzt, weil ich es wunderbar finde, dass ich die Zukunft mitgestalten kann.

Wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollen, muss das Methanol grün sein. Wo soll es herkommen?

Kurtulus: Es gibt Regionen in der Welt, wo Solar- oder Windstrom günstig hergestellt werden kann. Nur: Strom muss man sofort verbrauchen. Es lässt sich damit beispielsweise zwischen Afrika und Deutschland kein Handel treiben. Was aber funktioniert, ist den Strom zu nutzen, um mit dessen Hilfe Power-to-X-Kraftstoffe zu erzeugen. Ein möglicher Ansatz ist deshalb, die PtX-Kraftstoffe aus diesen Regionen in den Rest der Welt zu liefern.

Sie müssen sich dann aber schon darauf verlassen, dass dieser grüne Wasserstoff, den Sie künftig benötigen, dort auch hergestellt wird?

Kurtulus: Darauf verlassen wäre mir zu passiv. Als Lösungsanbieter ist es unser Ziel, das gesamte Ökosystem unserer Kunden zu berücksichtigen. Deswegen sind wir derzeit mit vielen Kraftstoffherstellern im Gespräch. Auch mit der Politik sind wir in intensivem Austausch. So beteiligen wir uns aktuell zum Beispiel stark an der Diskussion auf EU-Ebene. Hier sehen wir, dass im Rahmen von »Fit for 55« die richtigen Schritte zum Hochlauf von Wasserstoff und Kraftstoffen wie Methanol formuliert werden. Auf der anderen Seite findet sich das in anderen Regelwerken wie der EU-Taxonomie nicht wieder. Das passt noch nicht ganz zusammen. Wir sind mit Industrie und Politik weltweit im engen Kontakt, nur gemeinsam können wir die globalen Klimaziele erreichen.

Wenn Sie ein Reeder heute fragen würde, welchen Antrieb er in seinen Neubau, zum Beispiel eine Fähre, einbauen soll, was würden Sie ihm antworten?

Kurtulus: Es kommt immer auf das Schiff beziehungsweise die Fähre an. Wenn ich eine kleine Fähre habe, wie hier am Bodensee, könnte ich diese zweifellos mit Batterien betreiben, die zwischen Fahrten oder am Ende des Tages aufgeladen werden. Ein Fährbetreiber, der aber größere Strecken zurücklegt, mit mehr Passagieren und Fahrzeugen an Bord, braucht ein völlig anderes Setup. Es kommt also stark auf die Kundenanforderungen an. Aber für die nächsten Jahre würde ich ihm wohl einen Antrieb empfehlen, der auf einem Verbrennungsmotor basiert, der so CO2-arm wie möglich betrieben wird.

Beim Thema Klimaschutz spielt auch die Nachhaltigkeit eine große Rolle. Glauben Sie, dass beispielsweise Health-Management- oder autonome Systeme einen Beitrag dazu leisten könnten?

Kurtulus: Ja, absolut. Und ich glaube, dass dieses Potenzial teilweise noch sehr unterschätzt wird. Wir haben zum Beispiel vor Kurzem eine Partnerschaft mit der Firma Sea Machines vereinbart. Das ist ein tolles, auf autonome Technologien spezialisiertes Start-up, das in den vergangenen Jahren rasant gewachsen ist. In erster Linie geht es bei dieser Kooperation nicht ums Klima, sondern um Themen wie Kollisionsvermeidung, also um Sicherheit. Aber wenn man solche Technologien an Bord hat, die zum Beispiel aufgrund der Wetterprognosen die optimale Route berechnen, dann spart man automatisch Kraftstoff und damit auch Emissionen.

Unterstützen solche Technologien auch die Instandhaltung?

Kurtulus: Definitiv. Wir haben zum Beispiel große Anstrengungen unternommen, um die Wartungskosten für unsere mtu-Baureihe »4000« zu senken. Ursprünglich war das eine finanzielle Frage mit Blick auf unsere Kunden. Wir haben aber schnell festgestellt, dass dies auch einen Klimanutzen hat: Wenn man weniger Teile ersetzen muss, weil ein intelligentes System auf Basis von permanenter Datenanalyse zum Beispiel erkennt, dass ein Injektor noch nicht getauscht werden muss, spart man Ressourcen für Ersatzteile. Und Techniker müssen dann seltener in den Einsatz raus – sei es per Pkw oder Flugzeug. Das trägt alles dazu bei, den CO2-Ausstoß zu verringern. Unsere KPIs werden mittlerweile nicht nur daran gemessen, wie der Umsatz ist, sondern auch an der CO2-Bilanz. Und das ist auch gut und richtig so, weil der Klimawandel die größte Herausforderung der Menschheit ist, die wir nur mit entschiedenem gemeinsamem Einsatz bewältigen werden. Wir sind stolz darauf, mit unseren Technologien dazu einen Beitrag zu leisten.

Interview: Anna Wroblewski

Abstract: »It just takes a pioneer«

While there is still much discussion in the maritime industry about what the ship fuel of the future will be, Rolls-Royce Power Systems is making a concrete proposal with methanol. HANSA spoke to Denise Kurtulus, Vice President Global Marine, about this and other developments.