Dieser Tage feiert Hapag-Lloyd ein stolzes Jubiläum. Im 175. Jahr seines Bestehens kann Hamburgs ganzer Stolz glänzende Ergebnisse vorlegen. Noch nie hat die Reederei am Ballindamm, die noch vor zehn Jahren in argen Schwierigkeiten steckte, besser verdient als heute, wie im Übrigen die gesamte Containerschifffahrt.[ds_preview]
Und obwohl alle Kennzahlen von Rekord zu Rekord eilen, halten sich der Vorstand und die Gesellschafter, anders als bei vielen Wettbewerbern, auffällig zurück, wenn es um Neubau-Bestellungen, Secondhand-Käufe oder Akquisitionen geht. Geld genug wäre da. Ist es hanseatisches Understatement oder doch die Ahnung, dass den noch immer aufgeheizten Märkten absehbar der nächste Dämpfer droht?
Noch ist das Ende dieses beispiellosen Höhenflugs von Charter- und Frachtraten nicht absehbar. Noch bestehen die leidlich bekannten, vornehmlich durch die Corona-Pandemie verursachten Störungen in den globalen Handelsströmen, die für die Engpässe in Lieferketten und Häfen und damit weiter für eine ungebrochene Nachfrage nach Schiffsraum und für exorbitant hohe Preise sorgen.
Die Schifffahrt steht auch unabhängig davon vor riesigen Herausforderungen. Nicht zuletzt seit dem von Russland ausgelösten schändlichen Ukraine-Krieg ist die ganze Welt in Aufruhr. Die Energiemärkte sind dafür ein gutes Beispiel. Die Preise für Öl und Gas und damit auch für Strom haben nicht nur hierzulande ein beängstigendes Niveau erreicht. Noch immer steht ein weltweiter Boykott russischer Rohstoff-Lieferungen im Raum, gerade in Europa werden längst Notfallpläne entwickelt, um die Folgen für die heimische Industrie und die Verbraucher aufzufangen.
Vor allem Deutschland ist mit Hochdruck dabei, sich aus der über Jahrzehnte aufgebauten Abhängigkeit von Russland zu lösen. In geradezu atemberaubender Geschwindigkeit werden alte Vorsätze und Paradigmen über Bord geworfen. Dass ein grüner Wirtschaftsminister in Wilhelmshaven den ersten Rammschlag für neue LNG-Importanlagen setzt, war vor einem Jahr nahezu undenkbar. Nun ist es die neue Realität.
Ebenso bekommt der jahrelang dahinsiechende Offshore-Windsektor den sehnlich erhofften Rückenwind für neue Projekte, werden von Australien über Katar und Marokko bis nach Chile neue Energie-Verträge verhandelt, groß angelegte Wasserstoff-Projekte angeschoben, selbst der Kohleausstieg wird verlangsamt. Kurzum: Die Energiewende wird neu gedacht und beschleunigt. Im besten Fall geht sie mit einem verbesserten Klimaschutz einher, was eingedenk mehr als düsterer Prognosen zum Zustand der Erde dringend not tut.
Das alles stellt Wirtschaft und Gesellschaft vor enorme Aufgaben, bietet aber auch der gesamten deutschen maritimen Industrie bis hin zur Schifffahrt neue Chancen, innovative Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Einmal mehr gilt dabei, dass in einem Wandel immer auch Handeln nötig ist, wenn man bei diesen Veränderungen aktiv dabeisein und die Zukunft gestalten will.