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Kein Abgesang auf Verbrenner: Auf der Rostocker Großmotorentagung wurde deutlich, dass Innovationen aus der Branche wichtige Impulse für die Erreichung der Klimaziele liefern – und dass das Spektrum der Potenziale groß ist. Ein Konferenzbericht von Hans Payer

220 Teilnehmer waren zur diesjährigen Rostocker Großmotoren[ds_preview]tagung gekommen. 20 weitere schalteten sich online zu den 22 Vorträgen, vorwiegend aus Asien. Nachdem Bert Buchholz vom Lehrstuhl Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren der örtlichenUniversität eröffnete und Klaus Heim vom Motorenbauer WinGD eine Übersicht über die derzeitige Situation zum Besten gegeben hatten, folgte ein vielbeachteter Auftritt Claudia Müller, Grünen-Politikerin im Bundestag und Koordinatorin der Bundesregierun für die maritime Wirtschaft. »Zu dieser Tagung kommen regelmäßig Experten zusammen, um über die neuesten Entwicklungen bei maritimen Kraftstoffen und innovative maritime Antriebe zu sprechen. Hier wird interdisziplinär daran gearbeitet, die maritime Energiewende voranzubringen. Gleichzeitig gehen von ihr auch Impulse in die Wirtschaft, in die Industrie und an die Reedereien«, sagte die Politikerin. Damit leiste die RGMT »einen direkten Beitrag« zur Klimawende und setze Leitplanken für Investitionsentscheidungen von Reedereien.

Neue Geschäftsfelder

Die maritime Branche, Reeder und Zulieferer, haben sich bekanntermaßen zum Gelingen der maritimen Energiewende verpflichtet. Ziel ist eine klimaneutrale Schifffahrt bereits in 2050. »Das ist nicht nur eine Herausforderung, sondern schafft auch neue Geschäftsfelder. Allen voran die Motoren-Hersteller arbeiten an den notwendigen Technologien für effiziente und emissionsfreie Antriebe«, so Müller weiter. Der Bund unterstütze diese Innovationen daher auch entsprechend im Rahmen des maritimen Forschungsprogramms.

Die Situation für kleinere Schiffe, Fähren, Küstenfrachter und Containerfeeder ist eine andere, als die der »großen« Hochseeschiffe, auf die während der Tagung der Fokus gelegt wird. Manche Lösungen auf dem Weg zu emissionsfreiem Betrieb kleinerer und landnahe operierender Schiffe sind für den Deepsea-Markt, bei dem weltweit und auf jeder Reise häufig mehr 1.000 sm gefahren werden, nicht möglich. Eine norwegische Fähre kann beispielsweise erfolgreich mit E-Antrieb operieren. Ein großes Containerschiff im Europa-China-Trade andererseits kann das nicht; das Speichern von elektrischer Energie in diesem Umfang ist nicht möglich. Erforderliche Batterien, würden so viel Tragvermögen konsumieren, dass ein solcher Antrieb völlig unwirtschaftlich wäre. Auch reiner Wasserstoff-Antrieb hat, wegen seiner geringen Energiedichte und wegen der hohen Explosionsgefahr, hier (noch) keine praktische Bedeutung.

»Ist das der Totentanz?«

Die interkontinentale Weltflotte mit den immer größer gewordenen Schiffen wird heute zum größten Teil von Dieselmotoren angetrieben. Die Motoren-Branche verfolgt die Rahmenbedingungen, die vorgegeben Anforderungen und Einschränkungen mit Interesse. Einige Teilnehmer stellten sich die Frage, ob dies wohl der Totentanz für Verbrennungsmotoren in der Schifffahrt wird. Es ist aber nicht der Verbrennungsmotor per se, der umweltschädlich ist, es ist der Ausstoß des Motors mit schädlichem Treibhausgasen (GHG).

Verbrennungsmotoren in Zukunft generell zu verbieten, ist nicht sinnvoll, meinen Viele. Ein Großteil der Konferenz-Beiträge befasste sich mit der Vermeidung und Eliminierung von schädlichen Abgasen in einem effizienten und wichtigen Transportsystem.

Im Gegensatz zu den RGMT-Veranstaltungen der Vergangenheit, die hauptsächlich auf technische Innovationen ausgerichtet waren, stellte die diesjährige Tagung ein deutlich breiteres Themenfeld in den Fokus, mit chemischen Aspekten, alternativen Treibstoffen, Dual-Fuels, neuen Einspritz-Verfahren und aussichtsreichen Abgasnachbehandlungsverfahren. Im Blick dabei stets: eine grüne und im Idealfall klimaneutrale Schifffahrt.

Zwei parallele Wege können dorthin führen: die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Antriebsanlagen einerseits sowie alternative Kraftstoffe, Kraftstoffkombinationen und Systeme andererseits.

Mit vielen Anstrengungen will sich ein Teil der Motoren-Industrie von fossilen Treibstoffen für große Motoren so weit wie möglich befreien; noch ist kein klarer Sieger in Bezug auf zukünftige Kraftstoffe zu erkennen: Neben Wasserstoff, das für den Hauptantrieb nur begrenzt geeigneten ist, geht es unter anderem um Ammoniak, Methanol, Methan oder anderen flüssigen Diesel-Ersatz. Die Kraftstoffe sollten biologisch oder synthetisch mit erneuerbarer Energie hergestellt sein, um eine Verlagerung der Belastung der Umwelt zu vermeiden.

Dual-Fuel mit Methanol

Methanol als Kraftstoff ist nicht mehr eine vage Zukunftsvorstellung. Schon heute sind bereits Reeder bereit Aufschläge für Kohlenstoff-neutralen Transport zu akzeptieren, um ihre eigenen Umweltziele zu erreichen. Methanol (CH3OH) ist ein vielversprechender Kandidat für die Schifffahrt, die kontinuierlich strenger werdenden Emissionsvorschriften zu erfüllen. Methanol ist bei Normal-Temperatur flüssig und damit besser zu handhaben als gasförmige Alternativen, die auch für den Schiffsbetrieb untersucht werden, etwa Ammoniak und Wasserstoff.

Gunnar Stiesch vom Motorenbauer MAN Energy Solutions berichtete in Rostock von den Erfolgen mit einer Serie von 23 Methanol-Zweitakt-Tankern. Die dänische Reedereigruppe Maersk bestellte außerdem letztes Jahr Methanol-Motoren für zwölf 16.000-TEU-Schiffe. Alle sollen mit grünem Kohlenstoff-neutralem Methanol betrieben werden. MAN entwickelte einen großen G95ME-LGIM-Motor, der zukünftig auch für ULCC (Ultra Large Container Carriers) zur Verfügung stehen soll. »Etliche weitere« 2-Takt und auch 4-Takt-Modelle mit Methanol Antrieb seien bei MAN in der Entwicklung, so Stiesch weiter.

Das Unternehmen Anglo-Belgian Corporation (ABC) hat eine erfolgreiche DZ-Motorenfamilie entwickelt. Die neueste Ergänzung dieser Serie ist eine »Methanol Dual Fuel« Version. Dieser Motor soll in der Lage sein, die Ziele der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) für zu erreichen oder zu übertreffen.

Stefan Goranov von Winterthur Gas & Diesel beschrieb eine langsam laufende 2-Takt-Hauptmaschine in einer hybriden Antriebsanlage. Diese besteht aus einem Dual-Fuel-Motor, gekoppelt mit einem Wellen-Generator, Batterie-System, Bugstrahl-Ruder, Hilfsmaschinen und einem »Energie-Management-System«, welches mit den Controllern aller Energie-Quellen und Umformer vernetzt ist.

Mehrere Beispiele solcher hybriden Anlagen wurden in Rostock gezeigt und die Vorteile wie hoher Wirkungsgrad, reduzierter Brennstoffverbrauch, stark gesenkter GHG-Ausstoß beschrieben.

Spezielle Einspritz-Systeme

Um einen Schiffsbetrieb mit Verbrennungsmotoren nachhaltig, mit nahezu CO2-freier Propulsion zu erreichen, sollte der Motor mit Kohlenstoff-freiem Kraftstoff, wie Ammoniak beziehungsweise synthetischen oder e-Fuels betrieben werden, die mit erneuerbarer Energie hergestellt werden. Dies erfordert die Entwicklung spezieller Einspritz-Systeme, da dieser Kraftsstoff toxisch, mit niedriger Schmierfähigkeit, niedrigem Dampfdruck und korrosiv ist. Das Unternehmen Officine Mecchaniche Torino (OMT) bietet ein Hochdruck-Einspritzsystem an, welches mit Ammoniak und Methanol arbeitet. Das Prinzip eines »fuel-operated common rail injector«-Prototyps wurde vorgestellt. Es wird verwendet zur Optimierung der Zündungs- und Verbrennungsvorgänge von solchen Kraftstoffen. Woodward L’Orange hat in den letzten Jahren eine ganze Familie von Hochdruck-Dual-Fuel-Einspritzsystemen (HPDF) für große 4-Takt Motoren entwickelt. Hauptvorteile des Konzepts sind dem Hersteller zufolge ein hoher Wirkungsgrad, hohe Leistungsdichte sowie die inhärente Redundanz dieser Motoren mit 100 % Diesel-Tauglichkeit.

Energie-Speicherung

Nicht nur große Schiffsmotoren wurden auf der Tagung behandelt. Auch wurde sich mit der Problematik, dass dass Strom schwierig oder gar nicht zu speichern ist, auseinandergesetzt.

In den Bergen kann mit stufen-versetzten Stauseen, durch wechselseitiges Pumpen bei Strom-Überschuss und Stromerzeugung bei Bedarf, eine wirtschaftliche und saubere Speicherung von Energie erreicht werden. Marco Schultze von Caterpillar Energy Solutions stellte nun in Rostock ein anderes Konzept zur umweltverträglichen Speicherung elektrischer Energie vor. Hierbei wird überschüssige elektrische Leistung von erneuerbaren Energien, also etwa aus Quellen, Wind, Wasser oder Sonne genutzt, um grünen Wasserstoff zu erzeugen. Dieser Wasserstoff kann wiederum bei Bedarf zur Erzeugung von Strom durch die Verbrennung in einer »lean burn gas engine« mit hohem Wirkungsgrad genutzt werden. Die Anforderungen an die sogenannten CHP-Einheiten sind sehr unterschiedlich. Da die Entwicklung dieser Technology bei Caterpillar weit fortgeschritten ist, erfülle eine Serie dieser Motoren ein breites Spektrum an Aufgaben, sagte Schultze. Sie seien sehr effizient und wirtschaftlich und könnten sowohl für den Dauereinsatz in der Stromerzeugung als auch zum Ausgleich von Energie-Schwankungen im Netz der Wind- und Solar-Anlagen genutzt werden.

Ein großer Bedarf

Seit der letzten Rostocker Großmotorentagung wurden von der Motoren-Industrie mit ihren Zulieferern offensichtlich signifikante Fortschritte erzielt. Auch Redereien und Schiffsmanager stellen sich den Herausforderungen und fordern heute verstärkt gewisse »grüne« Aspekte für ihre Neubauten – nicht zuletzt aufgrund der Forderungen ihrer Kunden, und das nicht nur in der Kreuzfahrt. All das unterstützt den Druck auf die maritime Industrie, die Dekarbonisierung der Schifffahrt voranzutreiben, auf der Werft und während der gesamten Lebenszeit des Schiffes.

Daniel Peitz von HUG Engineering in der Schweiz, ein bekannter Spezialist für Abgasnachbehandlung, fand treffende und zusammenfassende Worte: »Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs. In den letzten Jahren wurden Verbesserungen und Optimierungen von Schiffsmotoren in abgewogenen Schritten gemacht. Die nun in Fahrt kommende Einführung neuer Brennstoffe ist ein gewaltiger Schritt. Die Motoren und Antriebssysteme müssen mehr oder weniger grundlegend verändert oder angepasst werden.«

Sehr vieles ist weiterhin offen. Was wird der Haupt-Kraftstoff für Schiffe in der Zukunft sein? Wie wird die Herstellung in ausreichenden Mengen erfolgen und wie wird die Logistik des Vertriebs aussehen? Die Herausforderungen sind groß. Aber der Mensch ist findig. Nach dieser Tagung hat mancher den Eindruck: Wir sind auf dem richtigen Weg.

Abstract: Engine manufacturers widen view for efficiency

No swan song for combustion engines: At this year’s Rostock Large Engine Conference (RGMT), it became clear that innovations from the industry are providing important impetus for achieving the climate targets – and that the spectrum of potentials is wide. With many efforts, the industry aims to free itself from fossil fuels for large engines as much as possible. Even the Green political party attests to the industry‘s significant role on the path to shipping transformation. It sets guard rails for investment decisions by shipping companies and shipowners.