Allianzen, Schrottwichteln, NMK, IMO, Germany, Janecek, MPP, Utopia
Michael Meyer Stellvertretender Chefredakteur – HANSA International Maritime Journal (© HANSA)
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Da war schon eine ganze Menge Selbstbeweihräucherung dabei, was aus der internationalen Politik und den IMO-Gremien zu hören war, nachdem man sich auf neue Meilensteine auf dem Weg zur Dekarbonisierung der Schifffahrt geeinigt hatte. Dekarbonisierung der Weltflotte bis 2050: Neue Fristen, neue Roadmap, also neue Euphorie? In Anlehnung an einen bekannten deutschen Pop-Song: Ja! Nein! Ich mein … Jein.[ds_preview]

Also erstens: Es ist gut, dass sich die Mitgliedstaaten überhaupt einigen konnten. Das ist nicht selbstverständlich bei zum Teil auseinanderdriftenden Interessen so vieler (staatlicher und nicht-staatlicher) Akteure, die im Vorder- und Hintergrund an der Meinungsbildung mitwirken. So ist das nunmal im System der Vereinten Nationen, ob es einem gefällt oder nicht, das Zauberwort lautet: Kompromiss. Und außerdem, ein besseres System haben wir nicht.

Aber zweitens: Es gibt durchaus berechtigte Kritik. Einiges in dem Abschluss-Dokument der Sitzung des Umweltschutzausschusses MEPC ist vage und unklar. Es ist noch nicht gelungen, die IMO-Politik eng an das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommen zu koppeln.

Große Aufgabe für neuen IMO-Chef

Dennoch drittens: Jeder kleiner Schritt nach vorne ist … nun ja, ein Schritt nach vorne. Die maritime Industrie stünde zwar auch für größere Sprünge bereit, der Wille ist da. Aber es mangelt noch immer an konkreten Rahmenbedingungen. Ohne sie stellt sich für die Branche an einem gewissen Punkt unweigerlich die Frage nach Planungs- und Investitionssicherheit.

Daher ist einer der nach der IMO-Sitzung vorgebrachten Vorbehalte gegen allzu viel Euphorie besonders hervorzuheben: Wo die Politik jetzt wirklich etwas tun muss, ist der Kraftstoffsektor. Sonst bleiben alle Dekarbonisierungspläne zahnlose Papiertiger.

Die Energieindustrie muss sich bewegen und mehr alternative Kraftstoffe produzieren. Und die Politik muss sie genau dabei unterstützen. Ja, die Konzerne haben genug Geld. Aber sie müssen offenbar noch stärker in die »richtige« Richtung bewegt werden.

Daher ein Vorschlag: Das kann sich doch der neue IMO-Generalsekretär Arsenio Antonio Dominguez Velasco gerne für seine erste Amtszeit auf die Fahnen schreiben. Amtsinhaber Kitack Lim wird sich über seinen Abschied freuen, ein Eintrag in die IMO-Geschichtsbücher ist ihm sicher. Ob Durchbruch oder nicht, sein Nachfolger muss damit arbeiten. Noch ist nicht im Detail bekannt, wo er seine konkreten Schwerpunkte setzen will.

Wie wäre es mit einem runden Tisch mit den Energiekonzernen und Kraftstoffversorgern, um sich über die Rahmenbedingungen und Optionen zur Zusammenarbeit mit der Schifffahrt für Mindestmengen, Liefergarantien und Abnahmeverträge auszutauschen.

Ist das ein naiver Ansatz? Mag sein. Aber ohne neue Kraftstoffe in ausreichendem Maße wird es schwer mit der Dekarbonisierung der Schifffahrt. Und ohne Abnehmer keine Kraftstoff-Produktion. Alle wollen also eigentlich dasselbe: Planungssicherheit. Das muss ausgehandelt werden. Wer nicht miteinander spricht, kann aber nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Der neue IMO-Chef kann dabei ein gutes Sprachrohr sein. Also: London calling!

Michael Meyer
Stellvertretender Chefredakteur
HANSA International Maritime Journal