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Nach erlebnis- und arbeitsreichen Monaten endet am kommenden Wochenende die Arktissaison mit der »Polarstern«-Expedition ArcWatch-1. Das 42 Jahre alte Forschungsschiff kommt zur Lloyd Werft nach Bremerhaven.

Das knapp 100-köpfige Team aus »Polarstern«-Besatzung und Wissenschaft hat Dicke und Eigenschaften des Meereises vermessen, die Strömungen und chemischen Eigenschaften des Ozeans aufgezeichnet und das Leben im und unter dem Eis, im freien Wasser und am Boden der Tiefsee erforscht.[ds_preview]

Ihre Daten zeigen erhebliche Veränderungen im Vergleich zu vorangegangenen Expeditionen auf. Am 7. September erreichte die »Polarstern« den Nordpol, und am 20. September gab es den weltweit ersten Livestream eines ROV-Untereis-Tauchgangs aus der Zentralarktis.

»Polarstern« für drei Wochen bei der Lloyd Werft

Die kommenden drei Wochen wird die »Polarstern« für standardmäßige Wartungs- und Reparaturarbeiten in der Bremerhavener Lloyd Werft verbringen. Ende Oktober soll sie die Werft wieder verlassen und Kurs auf die Antarktis nehmen.

Der Sommer des Jahres 2023 geht ein als der global heißeste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen: die Gletscher schmelzen schneller denn je, riesige Waldbrände in Kanada und Sibirien hinterlassen ihre Spuren, das Meereis schmolz schon im Mai und Juni 2023 schneller als zuvor. Daher erwartete des Expeditionsteam besonders wenig Meereis während der Untersuchungen in der zentralen Arktis. Die ersten Ergebnisse waren überraschend: Das Meereis des zentralen Arktischen Ozeans schmolz im August und September nicht so weit ab wie erwartet, es war auch dicker als in den Jahren zuvor.

»Es fehlten die Schmelztümpel, die Sedimenteinschlüsse, die Presseisrücken, die sonst so charakteristisch für das arktische Meereis im Sommer sind. Das Eis war besonders flach und von unten stark aufgeschmolzen. Ungewöhnlich viel Schnee auf den Schollen hat dafür gesorgt, dass sie von Oberflächenschmelze geschützt waren und es direkt unter dem Eis nur wenig Licht gab«, berichtet AWI-Meereisphysiker Marcel Nicolaus. Er setzte mit seinem Team an den insgesamt neun Eisstationen einen Unterwasser-Roboter (Remotely Operated Vehicle, ROV) ein.

Die Forschungen der Expedition ArcWatch-1 schlossen auch Meeresbodenkartierungen von bisher unbekannten Seebergen ein, von denen sich einer als Biodiversitäts-Hotspot entpuppte. Zudem gewannen die Chemiker an Bord große Mengen von Wasser- und Eisproben, um die Veränderung der Kohlenstoffpumpe in die Tiefsee zu erfassen und um nicht-abbaubare chemische Stoffe zu detektieren.

Für ein europäisches Projekt bewerten sie die Verteilung von Schadstoffen in der Arktis. Das »Polarstern«-Team konnte zudem eine Reihe neuer Hightech-Instrumente wie Roboter, autonome Sensor- und Probennahme-Module, sowie hochauflösende Untereiskameras erfolgreich einsetzen. Sie bauten ein großes Netzwerk von Bojen auf und setzten neuartige Verankerungen für ganzjährige Untersuchungen ein. So werden sie weitere Daten über den Wandel des zentralen arktischen Ozeans erhalten, auch nachdem Polarstern nun aus der zentralen Arktis zurückkehrt.

Die ArcWatch-1-Expedition in Zahlen

  • Start am 3. August 2023 im norwegischen Tromsø
  • Ende am 30. September 2023 in Bremerhaven
  • An Bord 54 Wissenschaftler sowie 43 Besatzungsmitglieder aus 15 Ländern
  • Zurückgelegte Strecke: 5.311 sm, davon 2.578 sm in 48 Tagen durchs Eis
  • Überflüge zur Eisdickenvermessung: 1.300 km
  • Bojen ausgesetzt: 73 für Meteorologie, Ozeanographie und Meereisphysik für ein internationales Programm; sowie 2 einjährige Verankerungen
  • Anzahl von Eisstationen, bei denen Forschende auf dem Meereis arbeiteten: 9
  • Eistauchgänge mit ROV »Beast«: 38 Tauchgänge, über 50 km Gesamtstrecke
  • Erbohrte Eiskerne: 100
  • Anzahl neuentdeckter Seeberge: 3
  • Fläche neukartierter Meeresboden: 37.442 km²
  • Anzahl Eisbären-Sichtungen: 3
  • Genommene Wasserproben: (11.808 Liter Wasser)
  • Anzahl Netzhols: 55
  • Meeresboden-Bilder: 8.970, insgesamt 35.880 Quadratmeter Meeresboden fotografiert, in Tiefen von 1.580 bis 4.375m, sowie 30 Kilometer Transekte (mit 200 m Breite) mit dem hochauflösenden Sonar vermessen.
  • Biologische Proben vom Meeresboden: 56 mit dem epibenthischen Schlitten, und 250 mit dem Kastengreifer für die Mega- und Makrofauna. Für Meiofauna 173 Proben aus dem Multicorer.
  • Biogeochemie am Meeresboden: 196 Kerne aus 20 Einsätzen des videogesteuerten Mehrfachgreifers, sowie 13 erfolgreiche Lander-Einsätze (einer ist nicht aus der Tiefsee zurückgekommen)