Laut einer neuen Studie entweicht beim Betrieb von Schiffen mit LNG deutlich mehr Methan als bisher angenommen. Wegen der gegenüber CO2 deutlich größeren Klimaschädlichkeit zeigen sich Umweltschützer alarmiert über die neuen Daten zum Methanschlupf.
Die Verwendung von Flüssigerdgas (LNG) als Schiffskraftstoff nimmt rapide zu und verdoppelte sich von 2,2 Mio. t im Jahr 2018 auf 4,4 Mio. t im Jahr 2022 für Schiffe, die dem Überwachungs-, Melde- und Verifizierungssystem der Europäischen Union unterliegen. Damit steigen auch die ungewollten Emissionen des Gases in die Atmosphäre. Doch in welchem Umfang? [ds_preview]
Zuletzt wurde in der Vierten Treibhausgasstudie der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) geschätzt, dass der weltweite Verbrauch von LNG als Schiffskraftstoff zwischen 2012 und 2018 um 30 % gestiegen ist, was zu einem geschätzten Anstieg der Methanemissionen (CH4)1 um 150 % führte. Diese Schätzungen sind nach Einschätzung der Autoren der neuen Studie »Fugitive and Unburned Methane Emissions from Ships (FUMES)« (zur Studie) jedoch unsicher, da sie sich auf Emissionsfaktoren stützen, die in nur wenigen Studien entwickelt wurden, die eine Mischung aus Labormessungen von Schiffsmotoren, einschließlich der von den Motorenherstellern selbst zur Verfügung gestellten Daten, und Messungen an Bord einiger weniger Schiffe verwendeten.
Im Rahmen des FUMES-Projekts wurde der bisher umfassendste Datensatz zu realen Methanemissionen von mit Flüssiggas betriebenen Schiffen gesammelt. Zuvor gab es nach Angaben der Projektverantwortlichen nur wenige reale Messungen des Methanschlupfs, und das Ausmaß der Methanemissionen auf Schiffsebene war weitgehend unbekannt.
Drei verschiedene Messkampagnen
FUMES ist eine Zusammenarbeit zwischen dem International Council on Clean Transportation (ICCT), dem Messdaten-Dienstleister Explicit ApS und der Niederländischen Organisation für Angewandte Wissenschaftliche Forschung (TNO). Das ICCT war 2015 gemeinsam mit der West Virginia University an der Aufdeckung des Abgasskandals beim deutschen Autohersteller VW beteiligt.
Die FUMES-Partner haben drei Messkampagnen durchgeführt: Abgasfahne, an Bord und flüchtig. Während der Fahnenkampagne wurde Methan in 45 Fahnen von 34 einzelnen LNG-betriebenen Schiffen gemessen. Es wurden Drohnen und Hubschrauber eingesetzt, um CH4 in Abgasfahnen von Schiffen zu messen, die im Laufe des Jahres 2022 in der Nähe der niederländischen, dänischen, belgischen und australischen Küste fuhren.
Bei der Kampagne an Bord gingen die Experten auf die mit LNG betriebene Fähre »Aurora Botnia«, die zwischen Finnland und Schweden verkehrt, wo im Frühjahr 2023 Methan direkt im Schorstein und in der Abgasfahne gemessen wurde. Während der Kampagne zur Untersuchung von flüchtigem Methan wurde ein neuartiger Ansatz verwendet, um die Methanemissionsrate beim Entladen von LNG-Ladungen von drei LNG-Tankern an einem europäischen LNG-Terminal im September 2022 zu quantifizieren.
Gemessener Methanschlupf übersteigt IMO- und EU-Annahmen
Den Ergebnissen der Studie zufolge entweicht Methan beim Be- und Entladen von LNG-Schiffen sowie während des Betriebs. Zum Teil gelangen über 6 % des Methans unverbrannt in die Atmosphäre. Bisher wurden deutlich geringe Ausmaße angenommen: die EU geht für LPDF-Viertaktmotoren von einem Methanschlupf von 3,1 % aus, die IMO von 3,5 %. Zu den Empfehlungen an die Politik in der EU gehören eine Landstrompflicht für LNG-Schiffe in Häfen und das Monitoring und Reporting von Methanemissionen an LNG-Lagern und LNG-Bunkerstandorten. Der IMO wird empfohlen, für Motorentests neue Vorgaben für Methanschlupftests bei niedriger Last einzuführen.
Die deutsche Umweltorganisation Nabu fordert als Reaktion auf die Studie, die Förderung der LNG-Technologie »sofort einzustellen, denn Methan ist bis zu 82-mal klimaschädlicher als CO₂«. Nabu-Schifffahrtsexperte Sönke Diesener: »Noch immer wird der Klimaschaden, den LNG als Schiffstreibstoff anrichtet, schöngerechnet. Wir plädieren seit Jahren dafür, nicht auf LNG zu setzen. Fossile Treibstoffe gehören in die Vergangenheit. LNG ist keine Brückentechnologie und verhindert eine echte Transformation der Schifffahrt Richtung Zukunft. Die EU und die IMO müssen sofort ihre Annahmen über den Methanausstoß der Schiffe korrigieren, um den wahren Schaden zu beziffern. Die Bundesregierung muss die Förderung für diese Technologie umgehend einstellen.«