Durch den Krieg in der Ukraine sind Handelsströme sowohl für Rohöl als auch für raffinierte Produkte durcheinander geraten, die Frachtraten in die Höhe geschnellt und es kam zu einem sprunghaften Anstieg der Transaktionen für ältere gebrauchte Schiffe.
Am 24. Februar 2024 hat sich der Einmarsch Russlands in die Ukraine zum zweiten Mal gejährt. Der Krieg hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Öl- und Tankermärkte gehabt. Der US-Tankerbroker Poten nimmt den zweiten Jahrestag des Kriegsbeginns zum Anlass, Bilanz über einige der wichtigsten Entwicklungen zu ziehen. Zum ersten mal schrieb Poten am 21. Januar 2022, einen Monat vor der Invasion, über die Lage in der Ukraine. In dem Statement mit dem Titel »Russisches Roulette« unterstrichen die Analysten die Bedeutung des russischen Rohöls und der russischen Produkte für die europäischen Märkte. »Die Sanktionen werden die Handelsströme unterbrechen und zu erheblichen Verwerfungen und Ineffizienzen führen, die normalerweise dem Tankermarkt zugute kommen«, hieß es – und genau so hat es sich dann abgespielt. [ds_preview]
Letztlich stellte Europa die Einfuhr von Rohöl und raffinierten Produkten aus Russland ein, was die Handelsströme, insbesondere im Atlantikbecken, völlig durcheinanderbrachte. Europa behielt einen größeren Teil seiner Nordseeproduktion und steigerte die Rohölimporte von jenseits des Atlantiks, insbesondere aus den Vereinigten Staaten.
Handelsströme verlagern sich
In der Anfangsphase der Sanktionen transportierten viele Tankereigner weiterhin russisches Öl. Die meisten westlichen Länder und Unternehmen begannen, Russland selbst zu sanktionieren, und die Handelsströme verlagerten sich von Europa und Nordamerika in Richtung Türkei, Indien und China. Da Moskaus Exportinfrastruktur in der Ostsee, im Schwarzen Meer und im Fernen Osten Russlands nur Tanker bis zu einer Größe von Aframax/Suezmax aufnehmen kann, stiegen die Erträge für diese Rohöltankersegmente am stärksten. Auf der Produktseite profitierten vor allem die MR-Schiffe.
Im Dezember 2022 stellte die EU die Einfuhr von Rohöl aus Russland vollständig ein, gefolgt von einem Einfuhrverbot für Produkte im Februar 2023. Gleichzeitig mit diesen Verboten führten die G7-Länder (EU, USA, Vereinigtes Königreich, Kanada und Japan) ein Price-Cap-System ein, das es westlichen Tankern und Dienstleistern (z. B. Versicherungsgesellschaften) nur dann erlaubt, sich am Transport von russischem Öl zu beteiligen, wenn das Produkt unter einem bestimmten Preis verkauft wird. Die Preisobergrenze liegt bei 60 $/Barrel für Rohöl. Für saubere Produkte liegt sie bei 100 $ pro Barrel für Produkte, die mit einem Aufschlag auf Rohöl gehandelt werden, wie Diesel, und bei 45 $ pro Barrel für Produkte, die mit einem Abschlag auf Rohöl gehandelt werden, wie Heizöl.
Russen exportieren Öl mit Schattenflotte
Aufgrund der G7-Sanktionen und der Preisobergrenze konnten sich die Abnehmer von russischem Öl und Ölprodukten nicht mehr auf die große internationale Tankerflotte verlassen, von denen viele westlich versichert sind und/oder westliche Eigentumsanteile haben. Dies führte zu einer raschen Expansion der so genannten »dunklen Flotte« oder »Schattenflotte«, einer Gruppe von Tankschiffen, die an geheimen Aktivitäten zum Transport von sanktioniertem Öl aus dem Iran, Venezuela und Russland beteiligt sind.
Diese Tanker sind oft alt, nicht gut gewartet, werden von unerfahrenen Besatzungen betrieben und gelten daher als unsicher. Außerdem haben sie undurchsichtige Eigentumsverhältnisse und undurchsichtige Versicherer. Diese Schiffe wenden oft Taktiken an, um ihren Standort, die Herkunft des transportierten Rohöls und ihre Eigentumsverhältnisse zu verschleiern. Die genaue Größe der dunklen Flotte lässt sich nicht bestimmen, aber es wird allgemein geschätzt, dass sie sich seit der Einführung der Sanktionen gegen Russland mindestens verdoppelt und möglicherweise verdreifacht hat.
Schattenflotte sorgt für Bewergung am Secondhand-Markt
Das Wachstum der dunklen Flotte wurde durch einen aktiven Markt für gebrauchte Schiffe begünstigt, insbesondere im Jahr 2022. Eine Analyse von S&P-Daten durch Poten ergab, dass die Transaktionen für Aframax-Schiffe und Suezmax-Schiffe von 2021 bis 2022 um 50 % bzw. 25 % zunahmen. Ältere Schiffe waren das Hauptziel: Nicht weniger als 75 % der Transaktionen entfielen auf Schiffe, die älter als 15 Jahre waren. Der neue Eigner zahlte für diese alternden Tanker Höchstpreise; die Preise für 15 Jahre alte Aframax- und Suezmax-Schiffe haben sich seit dem Einmarsch in die Ukraine mehr als verdoppelt.
Trotz den Sanktionen sind die russischen Ausfuhren von Rohöl und raffinierten Produkten relativ stabil geblieben, auch wenn der Kundenstamm nun ein ganz anderer ist. Das Wachstum der dunklen Flotte hat den Kreml weitgehend vor den schlimmsten Auswirkungen der G7-Preisobergrenze geschützt. Die Sanktionen gegen Russland haben den Aframax- und Suezmax-Tankern (wie auch den MR-Tankern) sicherlich Auftrieb gegeben. »Wir gehen davon aus, dass sich diese Situation nicht ändern wird, solange der Konflikt andauert und die Sanktionen aufrechterhalten werden«, so Poten.