Schiffsunfälle sorgen immer wieder für große Schäden und Sicherheitsdebatten. Rolf Stiefel, Mitteleuropa-Chef der Klassifikationsgesellschaft Bureau Veritas meint, KI-basierte Technologien werden künftig helfen, Havarien zu verhindern.
Vor rund einem Jahr stießen in der Deutschen Bucht die Frachter „Verity“ und „Polesie“ zusammen, die „Verity“ sank, fünf Seeleute starben oder gelten als vermisst. Solche Havarien werden künftig durch Technologien auf Basis künstlicher Intelligenz abnehmen, urteilt Rolf Stiefel von Bureau Veritas.[ds_preview]
„Wir werden in den kommenden fünf bis zehn Jahren eine absolute Revolution durch künstliche Intelligenz haben, die insbesondere in den Bereich Navigation eingreifen wird“, so Stiefel. Er ist Mitteleuropa-Chef für den Bereich Marine & Offshore bei der Klassifikationsgesellschaft in Hamburg.
Es werde sich noch nicht um autonome Schiffe handeln, die ohne Besatzung fahren, meint Stiefel. „Aber wir werden zumindest Systeme haben, die eindeutig solche Unfälle verhindern können oder zumindest ganz anders warnen können, als das heutzutage der Fall ist.“ Schon bisher zeigen Systeme wie Radar und AIS zwar an, wenn sich Schiffe auf Kollisionskurs befinden. Aber wenn die Seeleute nicht an den Geräten oder unaufmerksam seien, bleibe das Schiff auf seinem Kurs. Künftige Systeme könnten dagegen „direkt in den Betrieb eingreifen und im Zweifelsfall, genauso wie ein Bremssystem beim Auto, bremsen oder das Schiff stoppen oder den Kurs ändern“.
Technisch sei die Einführung solcher Systeme nicht allzu schwer, so Stiefel. „Das geht, aber es ist bisher einfach noch nicht gemacht worden.“ Eine Hürde für die Einführung sieht der Fachmann in der komplexen Rechtslage. Zum einen sei die Verantwortung zu klären, wenn elektronische Systeme navigieren. Und dies müsse noch international abgestimmt werden.„Das kann nicht eine einzelne Flagge, ein einzelnes Land, ein einzelner Operator machen.“
Chancen für Schiffbaustandort Europa
Stiefel äußerte sich in dem Interview, das auf der Schiffbaumesse SMM in Hamburg stattfand, auch zum Schiffbaustandort Europa. Die meisten großen Schiffe werden heute in Asien gebaut, besonders verhältnismäßig einfache und gleichartige Schiffe laufen dort vom Stapel. Im Serienschiffbau sieht der Brancheninsider dennoch Nischen für die Werften in Europa, und zwar im Bereich kleinerer Tonnage um 2.000 oder 3.000 Tonnen Leergewicht.
Bei ihnen fielen die Logistikkosten für einen Transport von Asien verhältnismäßig stark ins Gewicht. So würden zum Beispiel in den Niederlanden heute noch viele Küstenschiffe gebaut. „Bei den deutschen Werften ist da in den letzten Jahren leider sehr wenig passiert“, so Stiefel.
Die größten Chancen für den Schiffbau hierzulande und in Europa sieht Stiefel aber bei komplexen Fahrzeugen wie Schleppern, Forschungsschiffen oder Crew Transfer Vessels, die Servicetechniker zu den Offshore-Windparks auf See transportieren. „Für uns als Schiffbaustandort Europa sehe ich eine Chance in der weiteren Spezialisierung.“ (PS)