Niedersachsen setzt in punkto Wertschöpfung und Arbeitsplätze große Hoffnung in den Ausbau der Offshore-Windenergie und sieht sich gut aufgestellt – es mangele aber an guten Rahmenbedingungen seitens des Bundes, hieß es jetzt beim 2. „Offshore-Kongress“.
Der Kongress fand dieses Mal in Emden statt. Eingeladen hatten neben dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium der IG Metall Bezirk Küste, der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) und die Stiftung Offshore-Windenergie. Gastgeber der Konferenz waren das Unternehmen „Wind Multiplikator“ und die Stadt Emden.[ds_preview]
Vertreter aus den Bereichen Politik, Gewerkschaften, Wirtschaft und Verbänden diskutierten über den Zustand und die Zukunft der Offshore-Windenergie. An den Ausbau der Windenergie sind nicht nur Klimaziele gekoppelt: Darin liegt auch die Chance einer hohen Wertschöpfung mit hochwertigen Arbeitsplätzen – zumindest wenn Fachkräfte ausgebildet und gehalten und die Hafeninfrastruktur zukunftsfähig ausgebaut wird.
In den Diskussionen wurde betont, dass die norddeutschen Küstenländer das große Potenzial hätten, einen Status als „energiepolitisches Herz Europas“ auszubauen. Dazu müsse die technologische Leistungsfähigkeit in Niedersachsen und Deutschland erhalten bleiben. Und das gelingt nur, wenn jetzt die Leitplanken eingeschlagen werden, um Investitionen zu sichern.
Für den niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies stehen vor allem die Themen Beschäftigung und Leitmärkte im Fokus: „Die Energiewende ist eine enorme Herausforderung, aber auch eine große Chance. Deutschland verharrt zurzeit in einer konjunkturellen Delle. Der Ausbau der Windenergie ist dabei stärker mit der Industrie verknüpft als es auf den ersten Blick zu erkennen ist.“ Der Minister machte aber auch deutlich, wo es seiner Ansicht nach hakt die Ausschreibungsbedingungen durch den Bund seien völlig inakzeptabel.
„Es muss darum gehen, dass die Produktion und die Arbeitsplatzentwicklung in Deutschland und Europa Bedingungen für die Vergabe von Offshoreflächen sind. Das gilt – mit Blick auf China – auch für die Turbinen und Komponenten. Und man sieht dies auch am Beispiel Stahl. Die Branche ist bereit für die Transformation hin zu klimaneutraler Produktion. Was wir jetzt brauchen, ist eine integrierte Industrie- und Wirtschaftspolitik“, so Lies. Darin müsse der Aufbau von klimaneutralen Leitmärkten ein wesentliches Element sein.
Denn sie motivierten Unternehmen zu Investitionen in eine nachhaltige Produktion. „Grüner Stahl spielt für die Wertschöpfung eine entscheidende Rolle, und die Produktion muss hier vor Ort stattfinden. Wir planen den Bau von allein 70 Gigawatt Offshore-Windleistung auf See. Es kann nicht unser Ansatz sein, Milliarden Euro zu investieren, dass aber die Anlagen mit nicht-klimafreundlichen Stahl gebaut werden. Das muss in Zukunft eine Auflage bei den Ausschreibungen sein.“ Damit Wertschöpfung, Beschäftigung und Transformation wie beim grünen Stahl in Deutschland und Europa vorankommen, dürfe es nicht bei dem finanziell besten Angebot den Zuschlag geben.
Auch Heiko Messerschmidt, Bezirkssekretär IG Metall Küste, forderte eine stärkere Berücksichtigung von Arbeit und Wertschöpfung in Deutschland und Europa: „Um die Energiewende zu schaffen, müssen wir die Windindustrie über die gesamte Wertschöpfungskette stärken. Dafür benötigen wir mehr Unternehmen, mehr Fachkräfte und eine bessere Infrastruktur. Bei künftigen Ausschreibungen darf es nicht nur ums Geld gehen.“ Er erwarte, dass qualitative Kriterien wie Beschäftigung und Wertschöpfung stärker berücksichtigt werden. Außerdem brauche die Industrie mit hohem Energieverbrauch bessere Möglichkeiten, um an günstigen, grünen Offshore-Strom zu kommen. „So lassen sich gute, tariflich abgesicherte Arbeitsplätze weit über die Windbranche hinaus sichern.“
Karina Würtz, Geschäftsführerin Stiftung Offshore-Windenergie, forderte mit Blick auf die Ausbauziele: „Das Ausschreibungsdesign für Offshore-Wind-Flächen in Deutschland stellt in seiner jetzigen Ausgestaltung ein massives – und unnötiges – Risiko für die Erreichung und Umsetzung der Ausbauziele dar. Durch seinen starken Fokus auf die staatliche Erlösmaximierung in den Auktionen incentiviert es maximal riskantes Bieterverhalten der Unternehmen. Damit wird der Refinanzierungsdruck auf die geplanten Milliardenprojekte verschärft, die durch hohe Kosten oder Engpässe in der Lieferkette bereits ohnehin massiv unter Druck stehen.“
Dadurch wachse die Gefahr, dass Offshore-Windpark-Projekte, die ab der Auktion gut sechs Jahre in der Zukunft liegen, am Ende in großer Zahl nicht umgesetzt werden. Denn eines müsse dem Gesetzgeber klar sein: wenn die Projekte nicht wirtschaftlich sind, werden die Unternehmen sie schlicht nicht bauen – politische Klima- und Ausbauziele hin oder her.
„Hier sollte also dringend umgesteuert werden – auch im Einklang mit den Vorschlägen der Europäischen Kommission. Dann können durch das Ausschreibungsdesign Planungssicherheit und Projekt-Realisierungswahrscheinlichkeiten massiv erhöht, Investitionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgelöst, stabilere Strompreise für die Wirtschaft gesichert, und die europäische Offshore-Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden.“
Das unterstrich auch Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), für den das Thema Wertschöpfung entscheidend ist: „Wir müssen das Versprechen einlösen, dass die Transformation zu wirtschaftlichem Wachstum führt. Dafür muss bei der Umsetzung auf Wertschöpfung in Deutschland gebaut werden. Wenn wir das nicht schaffen, verlieren wir die Unterstützung der Menschen für die Transformation. Das belegen die aktuellen Wahlergebnisse sehr deutlich.“