Das Schicksal der über 70 Jahre alten „United States“ ist entschieden: Das Passagierschiff soll als künstliches Riff vor Florida im Meer versenkt werden.
Noch ist unklar, wann das Schiff seinen Liegeplatz in Philadelphia verlassen wird. [ds_preview]
Die Stadt Destin-Fort Walton Beach in Florida am Golf von Mexiko und die gemeinnützige Organisation SS United States Conservancy teilten mit, dass die zuständige Verwaltung von Okaloosa County einen Vertrag zum Erwerb des seit 28 Jahren in Philadelphia aufgelegten Passagierschiffes „United States“ genehmigt hat. Nach Angaben einer entsprechenden Pressemitteilung könnte der bislang noch immer schnellste Passagierdampfer auf dem Atlantik somit zum weltgrößten künstlichen Riff im Golf von Mexico umgewandelt werden.
Weiterhin wurde eine Vereinbarung unterzeichnet, dass von der Stadt Fort Walton Beach finanzielle Mittel für ein landseitiges Museum, das von der Conservancy betrieben wird, aufgebracht werden. Ziel sei es dabei, die Besuchern Inhalte über die Geschichte des ehemaligen Ozeandampfers zu vermitteln.
„United States“ erweitert künstliches Riffprogramm
Somit würde die 1952 erbaute „United States“ nach der Überführung vom aktuellen Liegeplatz in Philadelphia nach Destin-Fort Walton Beach im Meer versenkt werden, um langfristig der dortigen vielfältigen Meeresfauna eine Heimat zu bieten, aber eben auch Taucher und Angler aus der ganzen Welt anzuziehen, wie nun Okaloosa County erklärte. „Der Erwerb der „United States“ wird das weitere Wachstum des robusten künstlichen Riffprogramms von Destin-Fort Walton Beach fortsetzen, dem nach eigenen Angaben aktivsten und größten künstlichen Riffprogramm auf Schiffsbasis in den Vereinigten Staaten.“
Der konkrete Vertrag zum Erwerb des Schiffes könnte somit in den kommenden Wochen abgeschlossen werden. Dies sei aber noch abhängig vom Abschluss der derzeit vom US-Bezirksgericht angeordneten Schlichtung zwischen der Conservancy und dem Liegeplatzbetreiber, der Penn Warehousing in Philadelphia. Nach einem Urteil des Gerichtes sollte die „United States“ bis zum 12. September aufgrund eines Streits über die Liegeplatzgebührenden Liegeplatz räumen. Mittlerweile wurde von dem Bezirksgericht hierfür noch eine Mediation in dem Verfahren einberufen.
Erwartete Kosten von 10 Mio. $
Für den Erwerb, die Sanierung bzw. die Beseitigung umweltschädlicher Stoffe von Bord, den Transport und den sowie für die teilweise Finanzierung der Einrichtung des landgestützten Museums und des wird noch einer ersten vorsichtigen Kostenschätzung von bis zu 10,1 Mio. $ ausgegangen.
„Obwohl die Conservancy über ein Jahrzehnt unermüdlich daran gearbeitet hat, ein neues Zuhause für die „United States“ zu finden und den historischen Ozeandampfer in ein schwimmendes, gemischt genutztes Objekt umzuwandeln, hat uns ein schwieriger Gerichtsbeschluss, das Schiff von seinem aktuellen Pier zu räumen, dazu gezwungen, diese Alternative zur Verschrottung zu prüfen“, erklärte die Präsidentin der Conservancy, Susan Gibbs, die Enkelin des Schiffskonstrukteurs der „United States“, William Francis Gibbs.
„Wir sind davon überzeugt, dass das erfahrene und engagierte Team im Okaloosa County die historische Bedeutung der „United States“ und unser langjähriges Engagement, zukünftige Generationen für diesen einzigartigen Ausdruck amerikanischer Seefahrtsgeschichte und technologischer Innovation zu begeistern und zu unterrichten, voll und ganz zu schätzen weiß“, fügte sie hinzu.
Gibbs wies außerdem darauf hin, dass die „United States“ nach ihrer Umwandlung in ein künstliches Riff über und unter der Wasserlinie zu einer historischen Attraktion werden werde. Das zukünftige Museum der „United States“ wird dabei ikonische Komponenten des Schiffs umfassen, darunter den Radarmast des Schiffes und mindestens einen seiner charakteristischen Schornsteine, sowie Gegenstände aus der umfangreichen Sammlung der Conservancy.
„Ein neues Kapitel als Reiseziel von Weltklasse“
„Ein Museum an Land unter Einsatz neuester Technologie werden die einzigartige Geschichte und stolze Vergangenheit der „United States“ präsentieren. Die Umwandlung des schnellsten Passagierschiffs der Welt in das größte künstliche Riff der Welt wird ein neues Kapitel für die „United States“ als Reiseziel von Weltklasse schreiben“, so Gibbs weiter.
„Ich bin außerordentlich stolz auf unser Team und die Anstrengungen, die erforderlich waren, um diesen gewaltigen nächsten Schritt zu erreichen und ein so atemberaubendes Schiff in die Gewässer von Destin-Fort Walton Beach zu bringen“, sagte Paul Mixon, Vorsitzender des Okaloosa County Board. „Unser künstliches Riffsystem hat im Laufe der Jahre ein beeindruckendes Wachstum gezeigt und diese Errungenschaft bestätigt unser Engagement, weiterhin den Status unserer Gemeinde als erstklassiges Tauch- und Angelziel zu stärken.“
„Die „United States“ wird eine spannende Ergänzung zu den vielen künstlichen Riffen und Wracks sein, die in Destin-Fort Walton Beach für Taucher zum Erkunden zur Verfügung stehen, und gleichzeitig einen wichtigen Lebensraum für die Fischerei bieten, von der unsere Flotte so abhängig ist“, sagte Jennifer Adams, Tourismusdirektorin. Der genaue Einsatzort vor der Küste von Destin-Fort Walton Beach steht noch nicht fest, aber die Planungen sehen einen Einsatz in einer Tiefe vor, die allgemein zugänglich ist und Möglichkeiten für technische Taucher mit Anfängern, Fortgeschrittenen und Expertenniveau bietet.
Umweltsanierungen vor Verlegung der „United States“
Wann genau das knapp 300 m lange Schiff nach Florida verlegt werden kann, ist noch unklar, denn zunächst müssen noch notwendige Umweltsanierungen des historischen Ozeandampfers erfolgen, wobei dieser schon vor 30 Jahren in der Türkei bzw. in der Ukraine vollständig entkernt und vom Asbest befreit wurde.
Nach derzeitigem Stand geht man davon aus, dass die notwendigen Sanierungen mehr als ein Jahr dauern und dass die Vorbereitung zur Verholung des Schiffs nach Florida weitere sechs Monate bis ein Jahr dauern wird. Auch kann das Schiff nur bei maximalen Niedrigwasser des Delaware-Rivers den Liegeplatz verlassen, wie der ehemalige Geschäftsführer der Lloyd Werft Bremerhaven, Rüdiger Pallentin kürzlich erläuterte.
Die Lloyd Werft war in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach in mögliche Umbauprojekte der „United States“ eingebunden und Pallentin hatte sich die „Big U“ schon mehrfach in Philadelphia angeschaut. „Sonne, Mond und Sterne müssen günstig stehen, damit der Wasserstand im Delaware River so niedrig ist, damit die „United States unter die Brücken passt“ so Pallentin. Oder aber es müssten zuvor alle beiden Schornsteine und die Masten im Vorfeld abgebaut werden.
Seit der Schaffung des ersten öffentlichen künstlichen Riffs im Jahr 1976 wurden in den Gewässern vor Destin-Fort Walton Beach 564 Riffe angelegt, seit 2019 sind es über 300. Somit ist das dortige künstliche Riffprogramm eines der aktivsten Programme des Landes und zielt darauf ab, Orte zum Angeln, Tauchen und Schnorcheln zu schaffen, die für Einheimische und Besucher leicht zugänglich sind. Neben Angel- und Tauchplätzen bieten künstliche Riffe zudem einen wichtigen Lebensraum für wichtige Fischarten. Zu den künstlichen Riffen vor Destin-Fort Walton Beach gehören vorgefertigte Betonstrukturen wie unsere Schnorchelriffe, Beton zur Zweitverwendung wie altes Brückenmaterial, überzählige Militärausrüstung oder sogar stillgelegte Schiffe, die absichtlich versenkt wurden, um auf dem Meeresboden zu liegen. So wurden dort schon ehemalige US-Militärschiffe und im letzten Jahr die zwei ehemaligen Offshore-Versorger, die „Manta“ und „Dolphin“ auf 33 m Tiefe versenkt.
Bis heute ist die „United States“ Trägerin des Blauen Bandes für die bislang immer noch schnellste Atlantiküberquerung eines Passagierschiffes. 1952 überquerte das Schiff mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 34,51 kn in 3 Tagen, 10 Stunden und 40 Minuten den Atlantik zwischen New York und Southampton. Das Schiff war als Prestigeobjekt so konzipiert, dass es im Kriegsfall schnell für den Transport von bis zu 15.000 US-Soldaten umgerüstet werden konnte. Zu einem solchen Einsatz kam es jedoch nie. Die beiden riesigen Schornsteine brachten dem Schiff den Spitznamen „The Big U“ ein.
„United States“ war 16 Jahre Stammgast in Bremerhaven
Zwischen dem 3. Januar 1953 und bis zur Betriebseinstellung im Jahr 1969 lief das Schiff 167-mal die Columbuskaje in Bremerhaven an, zu einer Zeit, als noch Besatzungssoldaten und Truppentransporter das Bild der Häfen bestimmte. Bis zu seiner letzten Fahrt am 7. November 1969 beförderte das legendäre Schiff auf seinen insgesamt 400 Reisen mehr als eine Millionen Passagiere über den Atlantik. An Bord waren unter anderem die US-Präsidenten Eisenhower und Kennedy, der ehemalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer, Katharine Hepburn, Marlon Brando und Marilyn Monroe.
Im Jahr 1969 wurde das Schiff außer Betrieb gesetzt, nachdem 10 Jahre zuvor die ersten Linienflüge über den Atlantik einen Wendepunkt im Transportwesen darstellten. Denn Flugzeuge waren nicht nur schneller, sondern im Vergleich zu den damaligen Ozeanriesen auch deutlich sparsamer im Treibstoffverbrauch.
Bis 1978 wurde die „United States“ noch als Reserveschiff für die Navy bereitgehalten, aber es gab nie wieder einen Einsatz. Zwischenzeitlich gab es dann immer wieder wechselnde Eigentümer und Ideen über die weitere Nutzung des Schiffes, die aber alle aus finanziellen Gründen scheiterten. Im Jahr 1992 erwarb ein türkischer Reeder das Schiff für 2,6 Mio. $, um es in Istanbul zu einem Kreuzfahrtschiff umzubauen, wohin es dann ein Jahr später auch geschleppt wurde. Doch schon bald stellte sich heraus, dass in dem Schiff Unmengen an Asbest verbaut wurden und die türkischen Behörden das Schiff somit nicht freigegeben konnten.
In einem abgetrennten Bereich des großen Militärstützpunktes der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol in der Ukraine erfolgte dann zwischen 1994 und 1995 eine aufwendige Asbestsanierung. Doch anschließend hatte der Reeder kein Interesse mehr an dem Schiff und es wurde im Juni 1996 wieder zurück in die USA nach Philadelphia, zu ihrem jetzigen Liegeplatz, geschleppt. Seitdem wartet das leere und rostige Schiff auf eine weitere Verwendung, wenn es nicht auf einer Abwrackwerft enden sollte.
Vor vielen Jahren hat es sich die gemeinnützige Organisation „SS United States Conservancy“ zur Aufgabe gemacht, den einstigen Luxusdampfer zu retten. Im November 2023 wurden Pläne vorgestellt, wie das Schiff umgestaltet werden soll. Dabei sollte es zu einem stationären, schwimmenden Bauwerk mit einer Reihe einzigartiger Gastronomie- und Kulturangebote umgebaut werden. Dazu sollten nach diesen Plänen auf 55.740 m2 auch ein Hotel und ein Museum von Weltrang gehören. Doch hierfür fand sich all die Jahre kein Investor als auch kein Liegeplatz. Nun wird das Schiff auf dem Grund des Meeres versenkt. (CE)