Woher kommt die Energie für Schiffe in der Zukunft? Wie kann die Dekarbonisierung gelingen. Vertreter aus Wirtschaft und Politik haben sich in Berlin getroffen, um die drängenden Fragen der Branche zu diskutieren.
Der sechste Parlamentarische Abend der norwegisch-deutschen Klassifikationsgesellschaft DNV in Berlin widmete sich der Dekarbonisierung der Schifffahrtsbranche.[ds_preview]
In Kooperation mit dem Verband Deutscher Reeder (VDR) wurde über die Frage diskutiert: „Alternative Treibstoffe im Wettbewerb – woher kommt die Energie für Schiffe in der Zukunft?“
Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden waren sich einig, dass die Energiewende in der Schifffahrt nur durch ein abgestimmtes Zusammenspiel von Reedereien, Häfen, dem Energiesektor und der Politik gelingen kann. Entscheidend dafür seien verlässliche politische Rahmenbedingungen, die der Wirtschaft Planungssicherheit bieten.
„Der Wettbewerb um erneuerbare Energien ist weltweit entbrannt“, sagte Gaby Bornheim, Präsidentin des VDR. Sie forderte für Deutschland mehr konstruktive Ideen und gemeinsame Lösungen statt parteipolitischem Taktieren. Die Schifffahrt stehe bereit, ihren Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität zu leisten, so Bornheim, doch die flächendeckende Verfügbarkeit alternativer Brennstoffe bleibe eine zentrale Herausforderung.
Da die Schifffahrt im globalen Wettbewerb um kohlenstoffarme Brennstoffe voraussichtlich nicht die benötigten Mengen sichern könne, seien verstärkte Bemühungen zur Energieeffizienz unverzichtbar, erklärte Pierre C. Sames, Direktor Strategische Entwicklung, DNV Maritime. Wasserstoff – insbesondere als Basis für synthetische Kraftstoffe – werde eine Schlüsselrolle für schwer elektrifizierbare Transportsektoren spielen. Der Ausbau verlaufe jedoch langsamer als prognostiziert, was auf das Fehlen langfristiger Abnahmeverträge und geringere als erwartete Kostensenkungen in der Produktion zurückzuführen sei.
Eine Paneldiskussion mit Vertretern aus der Politik fokussierte sich auf die Schaffung von Leitmärkten und mögliche Lösungen für das Henne-Ei-Problem. Lukas Benner, Bundestagsabgeordneter bei Bündnis 90/Die Grünen, betonte, dass die Politik stabile Nachfrage- und Angebotsmärkte für alternative Brennstoffe fördern müsse, ohne dabei technische Lösungen vorzuschreiben. Dieses Vorgehen stelle ein Dilemma dar, da verhindert werden müsse, dass Häfen auf falsche Technologien setzen. „Klar ist, dass Deutschland auf Energieimporte angewiesen sein wird und Häfen die Rolle zentraler Energiehubs übernehmen müssen“, so Benner.
Der Unions-Abgeordnete Thomas Heilmann vertrat die Ansicht, dass die Marktwirtschaft das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage selbst regeln werde. Eine globale Skalierung sei jedoch entscheidend. Hier könne die Politik unterstützen: „Innerhalb der G7 und G20 sollten wir uns auf Leitmärkte für die Brennstoffe der Zukunft verständigen.“
Nikolaus H. Schües, Partner der Reederei F. Laeisz, Mitglied des Präsidiums des VDR und Präsident der internationalen Schifffahrtsorganisation Bimco, hob aus Sicht der Reeder hervor, dass die Nachfrage nach alternativen Brennstoffen enorm sein werde. Dank des globalen Regulators IMO habe die Schifffahrt gute Chancen, einheitliche und skalierbare Brennstoffmärkte zu schaffen. „Ich rechne jedoch nicht damit, dass Reeder selbst in die Produktion einsteigen“, erklärte Schües. Schon jetzt müsse man kostenintensive Wetten mit unklarem Ausgang eingehen. „Daher setzen wir bei Laeisz auf LNG, da es bereits verfügbar ist.“ Während Methanol und Ammoniak langfristig aussichtsreich seien, dürfe die Branche aber auch Technologien wie Onboard Carbon Capture nicht außer Acht lassen, so Schües.
Kosten der Dekarbonisierung auf Endkunden umzulegen?
Nina Scholz, Country Manager Germany bei Equinor Deutschland, sagte, dass der Aufbau einer Wertschöpfungskette für alternative Brennstoffe wie Methanol und Ammoniak eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Häfen und der Schifffahrt erfordere. Das Henne-Ei-Problem zwischen Infrastrukturaufbau und Nachfrage sei angesichts der milliardenschweren Investitionen jedoch schwierig zu lösen. Pilotprojekte wie Northern Lights in Norwegen zeigten jedoch praktikable Ansätze von Innovation und Kooperation. Dabei wird Kohlenstoffdioxid, etwa aus der Ammoniakproduktion, mit flüssiggasbetriebenen und windrotorunterstützten Spezialtankschiffen zu einer CO2-Speicheranlage transportiert und dauerhaft im Erdreich gespeichert.
Abschließend appellierte Wibke Mellwig, Abteilungsleiterin Wasserstraßen und Schifffahrt im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), die maritime Industrie stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken, da sie in Deutschland häufig im Schatten der Automobil- und anderer Branchen stehe. Sie plädierte dafür, internationale Regelungen durch Initiativen wie den Nationalen Aktionsplan klimafreundliche Schifffahrt (NAPS) zu ergänzen. „Ein breiter Stakeholderprozess, der Schiffbau, Reeder, Technologieunternehmen und Länder einbindet, ist essenziell, um Fortschritte zu erzielen.“ Mellwig betonte, dass die erarbeiteten Vorschläge unabhängig von der künftigen Regierungszusammensetzung berücksichtigt werden sollten.
Die Panelteilnehmer stimmten überein, dass die Dekarbonisierung der Schifffahrt nicht zum Nulltarif zu bewältigen sei. „Die Kosten werden letztlich auf die Endkunden umgelegt werden müssen“, stellte Nikolaus H. Schües klar. Dennoch bleibe die Schifffahrt mit ihrem Anteil von 90 Prozent am globalen Warentransport – bei gleichzeitig 2,7 Prozent Anteil am globalen CO2-Ausstoß – auch künftig hocheffizient und kostengünstig, prognostizierte er.