Nach längerem Hin und Her gibt es nun Gewissheit: Die neue „Polarstern“ kommt. Neben der Werft ist auch die Bereederung bereits geklärt.

Wie schon beim Vorgänger und aktuell noch fahrenden Forschungsschiff „Polarstern“ ist die Hamburger Reederei F. Laeisz mit an Bord bei dem für die deutsche Flotte wichtigen und prestigeträchtigen Projekt.[ds_preview]

Kurz vor Weihnachten war der Bauauftrag an den Schiffbauer Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) offiziell bestätigt worden. Gebaut wird das Schiff auf der TKMS-Werft in Wismar – einer der Standorte der ehemaligen MV-Werften-Gruppe.

Gleichzeitig wurde auch bekannt gemacht: „Die Bereederung für die ersten zehn Betriebsjahre erfolgt – wie schon bei der jetzigen ›Polarstern‹ – durch die Reederei F. Laeisz.«

Mit ihrer 200-jährigen Erfahrung in der Schifffahrt und 30-jährigen Aktivitäten in den Polarmeeren sei die Reederei bestens für die anstehende Bauaufsicht und spätere Bereederung des Schiffes vorbereitet, heißt es in einem Statement des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, das den Neubau betreiben wird.

In Hamburg zeigte man sich erfreut: „Die Seemannschaft und Kompetenz unserer Crew für den Einsatz in Polarregionen ist ausgezeichnet, wir freuen uns auf die Arbeit mit einem High-Tech-Schiff. Es bedeutet, bei absoluter Spitzenforschung dabei sein zu dürfen – wer würde sich darüber nicht sehr freuen?“, sagte Niko Schües, Inhaber und CEO der Reederei Laeisz.

Als einer der umweltfreundlichsten Eisbrecher der Welt soll die neue „Polarstern“ eine Botschafterin für innovative technische Lösungen und Materialien im Bereich der Nachhaltigkeit sein, etwa durch ihren neuen Antrieb, der auch mit grünem Methanol möglich ist. Schadstoffe im Abgas sollen bis an die Grenze des heute Machbaren reduziert werden. So wird die neue P“olarstern“ mit modernsten Rußpartikelfiltern, Katalysatoren und einer Harnstoff-Einspritzung zur Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes ausgestattet.

In das Anforderungsprofil sind die Erfahrungen aus über 40 Jahren Polarstern-Betrieb eingeflossen. Die aktuelle „Polarstern“ wurde am 9. Dezember 1982 in Betrieb genommen, fährt nun also seit 42 Jahren als einziger deutscher Forschungseisbrecher in die Arktis und die Antarktis und hat derzeit noch Klasse bis 2027. Um die Polar- und Meeresforschung in der Übergangszeit bis zur Inbetriebnahme der neuen „Polarstern“ zu ermöglichen, soll die Klassifikation entsprechend verlängert werden. Seit ihrer Indienststellung hat das Forschungsflaggschiff der Bundesrepublik Deutschland rund 1,9 Millionen Seemeilen zurückgelegt.

Der Vorlauf für die Auftragsvergabe war allerdings recht lang. Mit einem Beschluss des Bundeshaushalts 2022 durch den Deutschen Bundestag konnte das Vergabeverfahren am 3. Juni 2022 mit einer europaweiten Ausschreibung starten. Das AWI-Projektteam unter Leitung von Detlef Wilde wird nun auch die weitere Bauaufsicht des neuen Forschungs- und Versorgungsschiffes bis zur Abnahme übernehmen. Nach der Abnahme geht die neue „Polarstern“ in den Besitz des AWI über. Ein knapp zweieinhalbjähriges europaweites Vergabeverfahren kommt nun zum Abschluss. Das neue Flaggschiff für die deutsche Klimaforschung soll 1,185 Mrd. € kosten. Nach fünfjähriger Bauzeit soll die neue „Polarstern“ im Jahr 2030 an die Forschung übergeben werden.

Mit einer Länge von ca. 160 m, einer Breite von 27 m und einer Höhe von 14 m wird die neue „Polarstern“ pro Fahrt 60 bis 90 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt sowie 50 Crewmitgliedern die Möglichkeit geben, insbesondere aus den Polarregionen entscheidende Erkenntnisse zu den Wirkungen des Klimawandels, zu Funktionen der polaren Lebensgemeinschaften sowie zum Umweltschutz zu gewinnen. Für die interdisziplinäre Erdsystemforschung sind Labore und Werkzeuge für die verschiedensten Fachgemeinschaften eingeplant: von der Geologie und Geophysik über die Biologie und Ozeanographie bis hin zur Meereis- und Atmosphärenforschung. Die neue Polarstern wird an mehr als 300 Tagen pro Jahr auf See unter sich verändernden Eis- und Witterungsbedingungen einsetzbar sein.

„Die Vergabe des Neubaus der ‚Polarstern II‘ an unseren Standort in Wismar freut uns sehr“, sagte Oliver Burkhard, CEO von Thyssenkrupp Marine Systems. „Die Entscheidung ist ein Vertrauensbeweis in Thyssenkrupp Marine Systems, seine Fähigkeiten auch im zivilen Bereich zu demonstrieren. Zudem zeigt der heutige Beschluss, dass wir technologische Spitzenleistungen zu international wettbewerbsfähigen Konditionen anbieten können. Auch im Schiffbau mit neuen nachhaltigen Antriebstechnologien voranzukommen, ist eine große Aufgabe, der wir uns gerne widmen werden. Für unsere Werft in Wismar ist die heutige Entscheidung ein wichtiges Zukunftssignal: Perspektivisch könnten wir bei einer vollen Auslastung im Unter- und Überwasserbereich ca. 1.500 Arbeitsplätze schaffen.“

Das Forschungsschiff wird unter anderem eine höhere Eisbrechleistung besitzen als seine Vorgängerin, die sogenannte Polarklasse 2. Damit kann es auch in Gebiete vordringen, in denen das Eis für die heutige Polarstern zu dick ist, etwa das südliche Weddellmeer in der Antarktis. Als multidisziplinäre Forschungsplattform wird die neue Polarsternmodernstes Großgerät an Bord haben, beispielsweise Helikopter und Drohnen, sowie Roboter für tiefe Tauchgänge unter das dicke Eis der Antarktis oder auch für tiefe Sedimentbohrungen. Polarstern wird dafür über einen sogenannten „Moonpool“ verfügen. Das ist eine geschützte Rumpföffnung im Schiff, damit komplexe Tauchroboter auch unter dem Eis zum Einsatz kommen. Die robotischen Systeme können in bis zu 6000 Metern Tiefe eingesetzt werden.

Zudem wird die neue „Polarstern“, die weiterhin unter der Bundesdienstflagge fährt, auch die Versorgung der Neumayer-Station III in der Antarktis fortführen. Die Station dient als Basis für die deutsche landbasierte Antarktis-Forschung. Das neue Forschungsschiff soll eine Lebensdauer von mindestens 30 Jahren haben und auch im Eis überwintern können.“