
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) appelliert an die Politik – und an eine künftige Bundesregierung –, die große Masse an Vorschriften und Berichtspflichten für die Schifffahrt dringend zu vereinfachen. Zum Teil würden Besonderheiten der Schifffahrt ignoriert.
Die zunehmenden Berichtspflichten und regionalen Sonderwege im Zuge von Klimaschutzvorgaben würden deutsche Reedereien „erheblich“ belasten, schreibt der VDR in einem heute veröffentlichten Statement.[ds_preview]
„Zahlreiche Daten müssen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene gemeldet werden – oft mehrfach, in unterschiedlichen Systemen und zu abweichenden Fristen. Ein unzumutbarer Aufwand, nicht nur für große, sondern auch für kleine und mittelständische Reedereien, die mit 80 Prozent den Großteil der deutschen Schifffahrtsbranche ausmachen“, so das Statement.
Zur Veranschaulichung wird ein Beispiel aus der Praxis angeführt: Die Reederei Rambow betreibt in Europa zwölf Containerschiffe und weltweit zwei Mehrzweckschiffe. Kapitän Manfred Hirsch sagt: „An Bord verbringen wir mittlerweile fast mehr Zeit mit Bürokratie als mit unserem eigentlichen Job, wie der Navigation und Instandhaltung der Schiffe. Wir müssen Emissionsdaten in viele verschiedene Systeme eintragen, jedes mit eigenen Anforderungen und Fristen. Der Aufwand ist für die Offiziere neben dem operativen Tagesablauf kaum noch zu bewältigen.“
Malte Rambow aus dem Management der Reederei beschreibt die Auswirkungen aus der Perspektive des Unternehmens: „Unser Reedereigeschäft wird zunehmend durch Bürokratie ausgebremst. Wir sehen uns mit einer Flut regionaler Sondervorschriften, stetig wachsenden Anforderungen und oft unklaren Berichtspflichten konfrontiert. Diese Belastung bedroht unsere Wettbewerbsfähigkeit und drängt unser Kerngeschäft – den Transport von Waren auf See und die Betreuung des Schiffsbetriebs von Land aus – immer mehr in den Hintergrund.“
Seit 2024 ist die Schifffahrt Teil des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS), was die Branche verpflichtet, CO₂-Emissionen zu erfassen und Zertifikate für ausgestoßenes CO₂ zu kaufen. Aber erst vor wenigen Wochen einigte sich der Deutsche Bundestag auf die nationale Umsetzung des EU-ETS. Die lange Wartezeit führte für die deutsche Schifffahrt zu viel Unsicherheit. Andere Regionen in der Welt folgten dem EU-Sonderweg und sind dabei eigene Emissionshandelssysteme für die Schifffahrt zu schaffen, etwa die Türkei und England.
„Verwaltungschaos“ sei die Folge dieser regionalen Zerfaserung. Es bestehe ein Flickenteppich aus nationalen und EU-weiten Vorschriften, jeweils mit eigenen Anforderungen, Meldeformaten und Fristen. Diese bürokratischen Hürden haben den Angaben zufolge erhebliche Auswirkungen auf die operativen Abläufe von Reedereien. Den Überblick zu behalten werde zur Herausforderung, die Berichtsvorgaben binden Personal. Das führt zu Engpässen an anderen Stellen und erschwert den effizienten Betrieb der Schiffe.
„So geht es nicht weiter“
„So geht es nicht weiter“, sagt Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder (VDR). „Unsere Unternehmen können sich keine eigene Abteilung für Bürokratie leisten. Sie sollen sich auf den Transport von Waren und natürlich auch auf den Klimaschutz konzentrieren – nicht aber auf unnötige Bürokratie und die Suche nach dem richtigen Online-Portal für diverse unterschiedliche Berichte. Wir brauchen dringend eine Initiative zur Verschlankung der Berichtsflut und zum Verzicht auf europäische Sonderwege.“
Wolfram Guntermann, Director Regulatory Affairs bei Hapag-Lloyd, erklärte: „Die Einbindung der Schifffahrt in das EU-ETS wird der Umwelt und den Menschen spürbar zugutekommen, aber leider ist die Umsetzung extrem aufwändig. Es müssen dringend weltweit einheitliche Standards etabliert werden, denn die Schifffahrt ist und bleibt ein Geschäft, bei dem es auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit ankommt.“
Für Reedereien kommen neben den Pflichten im Rahmen des EU-ETS noch Anforderungen der FuelEU Maritime-Verordnung hinzu, die in Europa festlegt, dass die Treibhausgasintensität der Schiffsenergie einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten darf – ein hoher zusätzlicher bürokratischer Aufwand.
„Die FuelEU-Verordnung ist sicherlich gut gemeint, ignoriert aber die Besonderheiten der Schifffahrt“, kritisiert Kröger. „Die in der Verordnung festgelegten Verantwortlichkeiten entsprechen nicht der Praxis in der Branche.“ In der Schifffahrt sind oft mehrere Akteure involviert: der Eigentümer des Schiffs, der Charterer, der das Schiff mietet und den Treibstoff beschafft, sowie der Schiffsmanager, der für den sicheren Betrieb verantwortlich ist. Laut FuelEU soll jedoch der Schiffsmanager die Einhaltung der Vorschriften gewährleisten – obwohl er keinen Einfluss auf den Einkauf des Treibstoffs hat. „Das sorgt für Verunsicherung und ist nicht passgenau.“
Doch nicht nur die Klimaberichte führen zu wachsendem Verwaltungsaufwand: Auch die europäische Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive) stellt Reedereien vor immense Herausforderungen. Seit 2024 sind große Reedereien verpflichtet, detaillierte Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen, die weit über CO₂-Emissionen hinausgehen. Auch kleine und mittelständische Reedereien, für die diese Vorschriften ab 2026 gelten, werden erheblich Ressourcen dafür aufwenden müssen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die bürokratische Belastung erkannt und Besserung angekündigt. Doch die Branche braucht nach eigener Aussage „dringend konkrete Maßnahmen“, um den Verwaltungsaufwand schnell auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.
Der VDR fordert eine radikale Vereinfachung der Vorschriftenlage: „Wir brauchen keine Kleinstaaterei und neue bürokratische Hürden, sondern eine internationale Vereinheitlichung der Klimaschutzvorgaben, der Datensammlung und der Berichtspflichten,“ so Kröger. „Die neue Bundesregierung muss den Abbau von Bürokratie in Europa entschieden vorantreiben, sonst verlieren wir in Europa international den Anschluss“.