Ein unerwarteter Fund auf der deutschen Nordsee-Insel Juist gibt Einblick in die Geschichte der Meeresforschung.
Ein Spaziergänger entdeckte im Januar eine eingeschweißte Karte mit der Aufforderung, sie unter Angabe des Fundortes an das Deutsche Hydrographische Institut (DHI) zu senden. Die Karte stammt aus einem wissenschaftlichen Strömungsexperiment des Jahres 1961 und wurde nun an das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) gesendet – der Nachfolgebehörde des DHI.[ds_preview]
In der Vergangenheit wurden solche Karten zur Untersuchung von Meeresströmungen eingesetzt. Sie waren Teil eines wissenschaftlichen Programms zur Erforschung der Driftbewegungen in der Nordsee, insbesondere im Zusammenhang mit Ölverschmutzungen.
Der Jahresbericht des DHI von 1961 dokumentiert einen Versuch mit rund 4.000 dieser Karten, von denen rund 30% von Findern aus England, Norwegen, Schweden, Dänemark und Deutschland zurückgesandt wurden.
Eine weitere dieser Karten lagert in der Bibliothek des BSH am Standort Hamburg. Sie wurde 1992 in Schweden gefunden. Die Seriennummer 3892 deutet darauf hin, dass auch sie Teil der damaligen Versuchsreihe war.
Das BSH bewahrt in seinem Bibliotheksarchiv eine weltweit einzigartige Sammlung wissenschaftlicher Flaschenpostbriefe auf, die Einblicke in die historische Strömungsforschung geben.
„Der überraschende Fund dieser Driftkarte ist ein spannendes Zeugnis der historischen Meeresforschung. Er zeigt, wie in der Vergangenheit Meeresströmungen untersucht wurden – eine Aufgabe, die das BSH heute mit modernster Technologie fortführt. Doch das Ziel bleibt dasselbe: die Dynamik der Meere zu verstehen und wertvolle Erkenntnisse für Umwelt- und Klimafragen zu gewinnen“, so BSH-Präsident Helge Heegewaldt.
Um die mögliche Öl-Ausbreitung nach einer Havarie bestimmen zu können, waren auch auf der Ostsee Strömungsversuche mit Driftkarten vorgenommen worden: das Institut für Meereskunde der Akademie der Wissenschaften der DDR hatte dazu 1976 und 1977 insgesamt 12.800 Karten im Bereich der Arkona- und Beltsee ausgebracht.
Drift- und Ausbreitungsrechnungen
Die Vorhersage und Rückberechnungen von Drift- und Ausbreitungswegen in der Nordsee und Ostsee ist heute eine der Aufgaben des BSH. Diese Berechnungen sind essenziell, um beispielsweise den Driftweg verlorener Container oder die Ausbreitung von Ölteppichen nach Havarien vorherzusagen oder die Verursacher von Verschmutzungen zu ermitteln. Die Berechnungen helfen dabei, Umweltauswirkungen zu minimieren und gezielte Maßnahmen zu ergreifen.
Während früher Flaschenposten oder Driftkarten zur Strömungsforschung eingesetzt wurden, nutzt die moderne Wissenschaft hochentwickelte Technologien. Heute werden Meeresströmungen unter anderem mit modernen Argo-Treibbojen erforscht. Diese treiben weltweit in den Ozeanen und liefern kontinuierlich Datenprofile. Im Rahmen des internationalen Argo-Programms sind derzeit fast 4.000 dieser Floats im Einsatz, auch in der Ostsee und in Polargebieten. Deutschland finanziert jährlich etwa 50 dieser Messinstrumente, deren Betrieb und Weiterentwicklung durch das Argo Germany-Team des BSH unterstützt wird.