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Nun ist es also soweit: Deutschlands größte Linienreederei Hapag-Lloyd wagt den Schritt an die Börse. Oliver Rossbach beschreibt den Prozess sowie die rechtlichen Herausforderungen, welche die Reederei bewältigen musste und künftig bewältigen muss
Die Anziehungskraft der Frankfurter Wertpapierbörse scheint in diesem Jahr ungebrochen. Mehrere milliardenschwere Konzerne schafften 2015 bereits erfolgreich den Sprung auf[ds_preview] das Parkett. Nach Scout 24, dem Betreiber von Anzeigenplattformen, und Covestro, der ehemaligen Bayer-Kunststoffsparte, konnte zuletzt der Autozulieferer Schaeffler eine knappe Milliarde Euro über seinen Börsengang einsammeln. Und dies trotz eines nervösen Börsenumfelds und einer mit Blick auf die VW-Krise gerade für Autozulieferer besonders schlechten Stimmung. Doch die große Liquidität im Markt sowie das günstige Zinsumfeld und die Marktunterstützung durch die EZB verhalfen den Börsengängen dennoch zum Erfolg. In der Erwartung eines weiterhin günstigen Börsenumfelds ist die Pipeline an Börsenkandidaten deshalb weiterhin gut gefüllt. Seit dem 30. Oktober dieses Jahres ist auch Hapag-Lloyd, die größte Container-Reederei in Deutschland und eine der größten in der Welt, an der Börse vertreten. Ihr wird ein Börsenwert von 5Mrd. € zugetraut.

Hapag-Lloyd hat bereits mehrere erfolglose Anläufe zu einem Börsengang (Initial Public Offering, IPO) genommen. Der letzte musste 2011 wegen der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima abgesagt werden. Hapag-Lloyd will nun mit seinem IPO 300 Mio $ einnehmen, umgerechnet rund 265 Mio. €. Davon sollen 240 Mio. $ durch den Verkauf neu emittierter Aktien an institutionelle Investoren und Privatanleger in die Kasse fließen. Die restlichen 60 Mio. $ sollen die Ankeraktionäre Kühne Maritime (21 %) und der chilenische Reedereikonzern Compañía Sud Americana de Vapores (CSAV, 34 %) beisteuern, indem sie jeweils Aktien im Wert von 30 Mio. $ zeichnen. Der Touristikkonzern TUI, der mit derzeit 14 % an Hapag-Lloyd beteiligt ist, will hingegen den IPO zum Ausstieg nutzen und im Zuge des Börsengangs einen Teil seiner Aktien veräußern.

Die Vorbereitungsphase

Legt man Erfahrungswerte zugrunde, wird Hapag-Lloyd seit etwa sechs bis neun Monaten mit den Vorbereitungen für seinen Börsengang beschäftigt sein. In dieser Vorbereitungsphase mussten alle erforderlichen gesellschafts-, kapitalmarktrechtlichen und vertraglichen Grundlagen geschaffen und die Emissionsstruktur festgelegt werden. Parallel musste Hapag-Lloyd alle rechtlich, wirtschaftlich und finanziell für das Unternehmen bedeutsamen Verhältnisse sorgfältig prüfen lassen (»Due Diligence«).

Einen Haken konnte die Reederei als bereits bestehende Aktiengesellschaft an die Voraussetzung machen, dass die Möglichkeit des Börsengangs in Deutschland nur der Aktiengesellschaft (AG), der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und der Europäischen Gesellschaft (SE) offensteht. Viele andere Börsenaspiranten müssen sich im Vorfeld des Börsengangs noch in eine dieser Gesellschaftsformen umwandeln.

Für ein erfolgreiches »Going Public« ist jedoch neben der Erfüllung aller rechtlichen Voraussetzungen entscheidend, die Kapitalmarktreife herzustellen. Messgrößen hierfür sind vor allem die Historie des Unternehmens, der Jahresumsatz, die Ertragkraft, die Umsatz- und Ertragsentwicklung, die Wettbewerbsposition, die Strategie sowie das Wachstumspotenzial. Hapag-Lloyd hat offenbar in dieser Hinsicht seine Hausaufgaben gemacht, wie die guten Halbjahreszahlen 2015 und die positive Bewertung der weiteren Geschäftsentwicklung belegen.

In die Vorbereitung des Börsengangs und den eigentlichen Platzierungsvorgang schaltet der Emittent regelmäßig Emissionsbanken ein. Man spricht von einer Fremdemission. Hapag-Lloyd hat als sogenannte »Joint Global Coordinators« und »Joint Bookrunners« Berenberg, Deutsche Bank und Goldman Sachs mandatiert. Als weitere »Joint Bookrunners« wurden Citigroup, Credit Suisse, HSBC und UniCredit beauftragt. DZ Bank, ING und M.M.Warburg werden als »Co-Lead Manager« agieren. Die »Joint Global Coordinators« haben die Aufgabe, zusammen mit dem Emittenten ein tragfähiges Emissionskonzept zu erarbeiten. Entscheidende Aspekte sind hierbei üblicherweise das Emissionsvolumen, der (in- oder ausländische) Börsenplatz, das Börsensegment, die Aktienart, der Emissionskurs und -zeitpunkt, der Emissions- und Börsenzulassungsprospekt, das Begebungsverfahren und die Finanzkommunikation.

Platzierung und Börsenzulassung

Nach Abschluss der monatelangen Vorbereitungen kommt es zum Kernstück einer jeden Aktienemission: zur Platzierung der Aktien beim anlagebereiten Publikum und zum Börsenzulassungsverfahren. Im Rahmen des Platzierungsverfahrens kommt der Ermittlung des richtigen Emissionspreises eine herausragende Bedeutung für den Erfolg des Börsengangs zu. Als vorteilhaftes Verfahren hat sich das sogenannte Bookbuilding etabliert, bei dem die Investoren in den Preisfindungsprozess eingebunden werden.

Hapag-Lloyd hat die Preisspanne auf 23 bis 29 € je Aktie festgelegt. Den Abschluss des Platzierungsverfahrens bilden die Zeichnung und die Zuteilung der Aktien an die Investoren durch die Emissionsbanken zu dem am Ende des Bookbuilding-Verfahrens bestimmten Preis.

Hapag-Lloyd hat mitgeteilt, die Notierung seiner Aktien am regulierten Markt (Prime Standard) der Frankfurter Wertpapierbörse sowie am regulierten Markt der Hamburger Börse anzustreben. Dazu müssen die Aktien zum Börsenhandel im regulierten Markt zugelassen werden. Diese Zulassung ist eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis. Ihre zentrale Voraussetzung ist die Veröffentlichung eines durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligten Wertpapierprospekts. Mit dessen Erstellung und Abstimmung mit der BaFin wird Hapag-Lloyd im Rahmen der Vorbereitungsphase, wie in der Praxis üblich, eine Anwaltssozietät beauftragt haben. Die Zulassung der Aktien zum Handel am regulierten Markt würde für die Reederei eine Reihe von Publizitätspflichten mit sich bringen, die weit über den Pflichtenkatalog für alle nicht börsengelisteten Aktiengesellschaften hinausgehen (Zulassungsfolgepflichten). Diese Zulassungsfolgepflichten ergeben sich im Wesentlichen aus dem Börsenrecht und dem Wertpapierhandelsgesetz. Gefordert werden, um nur einige zu nennen, Abschlüsse nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS oder US-GAAP), die Veröffentlichung von Quartalsberichten auch in Englisch, die Pflege eines Unternehmenskalenders, die Durchführung mindestens einer Analystenkonferenz pro Jahr sowie die Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen zusätzlich in englischer Sprache.

Hapag-Lloyd hält trotz des momentan sehr volatilen Marktumfelds an seinem Börsengang fest. »Aus Unternehmenssicht ist es ein guter Moment«, sagte Konzernchef Rolf Habben Jansen kürzlich selbstbewusst der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. In Bezug auf die Lage auf dem Finanzmarkt gebe es keinen perfekten Zeitpunkt. Und Hansen weiter: »Jetzt steht der Dax schon wieder bei 10.000 Punkten, vor einer Woche lag er noch bei 9.400 Punkten. Wissen Sie, wo er in ein paar Monaten sein wird? Das kann niemand vorhersagen, daher sollte man sich nicht zu sehr davon abhängig machen.«

Ein Erfolg würde für das Unternehmen eine Stärkung der Eigenkapitalbasis, eine Verbesserung der Kreditwürdigkeit und Kapitalmarktfähigkeit, eine Erhöhung der Fungibilität der Kapitalanteile und eine Verbesserung der Marktchancen im In- und Ausland bedeuten. Darüber hinaus wäre es ein positives Signal für die gesamte in den letzten Jahren arg gebeutelte Schifffahrtsbranche, die sich insgesamt durch eine (noch viel zu) schwach ausgeprägte Kapitalmarktnähe auszeichnet (HANSA 04/2015 und 07/2015).
Dr. Oliver Rossbach