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Auch wenn es ein großer Schritt ist. Ein Börsengang ist für einige Schifffahrtsunternehmen eine ernstzunehmende Option. Stephan R. Göthel und Oliver Rossbach geben einen Überblick über einige Bedingungen für einen solchen Schritt
Angesichts der bislang eher zaghaften Versuche deutscher Reedereien, den Kapitalmarkt als alternative Finanzierungsquelle für sich nutzbar zu machen, mag das[ds_preview] Thema Börsengang geradezu utopisch erscheinen. Allerdings: die nun schon seit geraumer Zeit von Experten aller Couleur gebetsmühlenartig geforderte Strukturreform der Branche wird kommen. Und damit wird neben der außerbörslichen Zuführung von Eigenkapital durch neue Gesellschafter in Form von Private-Equity-Gesellschaften (HANSA 06/2015) auch die Beschaffung von Eigenkapital über einen Börsengang eine Option werden.

Im Ausland wird man schnell fündig: Maersk, Teekay, Seaspan, Navios und Costamare, um nur einige zu nennen – allesamt »Shipping Companies«, deren Aktien an einer Börse notiert sind. Immerhin prüfen derzeit mit der Reederei Claus-Peter Offen und der Reederei Rickmers auch zwei der größten deutschen Reedereien den Gang an die New Yorker Börse.

Die Beschaffung von Eigenkapital über die Börse erfolgt in Deutschland grundsätzlich über ein öffentliches Angebot neu ausgegebener Aktien, die mit Hilfe eines Emissions- oder Platzierungskonsortiums aus Investmentbanken bei interessierten Investoren platziert und zum Handel an einer Börse zugelassen werden. Die Durchführung der für die Börseneinführung der Aktien erforderlichen rechtlichen, organisatorischen und vermarktungstechnischen Maßnahmen dauert regelmäßig mehrere Monate.

Zuvor ist jedoch noch eine andere Hürde zu nehmen: Die Möglichkeit der Aktienausgabe steht in Deutschland nämlich nur Unternehmen bestimmter Rechtsformen offen: der Aktiengesellschaft (AG), der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und der Europäischen Gesellschaft (SE). Besteht wie in den meisten Fällen noch keine dieser Rechtsformen, muss sie im Vorfeld des Börsengangs durch Umwandlung der Gesellschaft geschaffen werden. Zusätzlich müssen alle rechtlich, wirtschaftlich und finanziell für das Unternehmen bedeutsamen Verhältnisse sorgfältig geprüft werden (Due Diligence). Für ein erfolgreiches Going Public ist jedoch neben der Erfüllung aller rechtlichen Voraussetzungen entscheidend, die Kapitalmarktreife des Unternehmens herzustellen.

Messgrößen hierfür sind vor allem die Dauer des Unternehmens, der Jahresumsatz, die Ertragskraft, die Umsatz- und Ertragsentwicklung, die Wettbewerbsposition, die Strategie sowie das Wachstumspotential. Weiterhin ist das Bestehen eines Risikomanagement- und -überwachungssystems erforderlich, das modernen Standards entspricht. Und auch an das Rechnungswesen werden besondere Anforderungen gestellt, da spätestens mit dem Börsengang zusätzlich zu dem weiterhin verpflichtenden Einzelabschluss nach HGB der Konzernabschluss nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS erstellt werden muss.

Investoren erwarten inzwischen auch die Implementierung von Management- und Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen. Erst wenn die Kapitalmarktreife hergestellt ist, kann unter Mitwirkung eines kompetenten Emissionskonsortiums ein attraktives, auf den Emittenten zugeschnittenes Emissionskonzept erarbeitet werden. Entscheidende Aspekte dieses Konzepts sind das Emissionsvolumen, der (in- oder ausländische) Börsenplatz, das Börsensegment, die Aktienart, der Emissionskurs und -zeitpunkt, der Emissions- und Börsenzulassungsprospekt, das Begebungsverfahren und die Finanzkommunikation.

Der Börsengang ist für das emittierende Unternehmen eine kosten- und zeitintensive Transaktion von großer Tragweite, nämlich der Schritt heraus aus den privaten Geschäftsbeziehungen an die Öffentlichkeit des Kapitalmarkts. Ähnlich wie bei der Begebung einer börsengehandelten Anleihe geht das Erschließen einer breiten Investorenschaft mit umfangreichen Transparenz- und Publizitätspflichten einher. Dies allein mag bei manchem familiengeführten Unternehmen Unwohlsein auslösen. Dazu mag die Sorge von zu starkem Fremdeinfluss und Machtverlust kommen.

Auch die hohen Emissionskosten und der laufende Verwaltungsaufwand können abschreckend wirken. Wer aber eine »Equity Story« hat und seine Eigenkapitalbasis stärken, seine Kreditwürdigkeit verbessern, die Fungibilität der Kapitalanteile erhöhen, das Unternehmensrisiko teilen und seine Marktchancen im In- und Ausland verbessern möchte – für den kann es sich lohnen, über einen Börsengang nachzudenken.
Prof. Dr. Stephan R. Göthel, Dr. Oliver Rossbach