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Die IG Metall Küste drängt auf einen weiteren Aufbau der Stammbelegschaften auf den deutschen Werften. Eine gute Auftragslage sorgt für insgesamt mehr Beschäftigung.[ds_preview]

Laut der aktuellen Befragung von Betriebsräten, die die Agentur für Struktur- und Personalentwicklung (AgS) im Auftrag der Gewerkschaft durchgeführt hat, ist die Zahl der Stammbeschäftigten auf den Werften gegenüber dem Vorjahr um 7% auf 18.122 gestiegen. Für rund 73% des Beschäftigungszuwachses sorgt der Passagierschiffbau. Zum Vergleich: 2014 gab es nur gut 15.000 Schiffbauer. Dazu kommen 63.000 Beschäftigte in der Zulieferindustrie, Leih- und Werkvertragsarbeiter – insgesamt 103.358 (+11,2%).

Grund ist die gute Auftragslage mit einer Auslastung der Werften von bis zu 75 Monaten (ThyssenKrupp), 57 Monaten (Meyer Werft) und 39 Monaten (Nobiskrug, MV Werften Rostock und Wismar). Am schlechtesten stehen derzeit der MV-Standort Stralsund (6 Monate) und die FSG in Flensburg (11 Monate) da. Unsicherheiten gebe es vor allem auch im Marineschiffbau, heißt es bei der IG Metall.

Allerdings setzen zahlreiche Werften verstärkt auf Leiharbeit (3.300) und Werkverträge (17.000), moniert die IG Metall Küste. »Ein Anteil von mehr als 60% an Werkvertragsbeschäftigten bei einzelnen Unternehmen ist viel zu hoch«, sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste.

Ausbildungsquote rückläufig

Außerdem fordert die Gewerkschaft mehr Ausbildungsplätze auf den Werften. Laut der Befragung ist die Ausbildungsquote auf 5,9 Prozentpunkte weiter gesunken. Auch der Anteil an Dualstudierenden sei zurückgegangen. IG Metall-Bezirksleiter Geiken forderte Arbeitgeberverbände und Bundesregierung deshalb auf, gemeinsam mit der Gewerkschaft die maritime Bildungsoffensive zu starten, die auf der 11. Nationalen Maritimen Konferenz in Friedrichshafen vereinbart worden ist. »Nur wer ausreichend ausbildet, sichert die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und der Schiffbaubranche insgesamt.«

Besonders deutlich ist der Anstieg an Beschäftigung auf den Werften in Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2017 hat sich die Zahl der Beschäftigten dort auf 4.400 mehr als verdoppelt. Das liegt insbesondere an den MV Werften, die an den Standorten in Rostock, Stralsund und Wismar die Produktion von Kreuzfahrtschiffen und Megayachten aufbauen.

Insgesamt wird der deutsche Schiffbau weiter von fünf großen Gruppen geprägt: thyssenkrupp Marine Systems (3.441 Beschäftigte), Meyer Werft (3.980), MV Werften (3.049), Lürssen (2.670) und German Naval Yards in Kiel (915). Knapp 80% aller Beschäftigten arbeiten an Standorten dieser Werftengruppen. An der 28. Schiffbauumfrage hatten Betriebsräte von 39 Werften mit insgesamt 18.122 Mitarbeitern teilgenommen.

VSM: »Kritik wenig konstruktiv«

Nach Veröffentlichung der Zahlen durch die IG Metal Küste äußerte sich in einer Stellungnahme auch der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken erklärte: »Die Beschäftigtenzahlen auf deutschen Werften sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Dies spiegelt die erfolgreiche Strategie des deutschen Schiffbaus wieder, sich durch innovative Technologien und Prozesse in den High-End Märkten als gefragte Hersteller zu etablieren. Wir wissen, dass dieser Erfolg wesentlich auf exzellent ausgebildeten Fachkräften beruht und sind deshalb in der Aus- und Fortbildung stark engagiert.«

Der Wettbewerb um Fachkräfte und talentierten Nachwuchs habe sich in Deutschland deutlich verstärkt. Es sei deshalb besonders wichtig, dass der Schiffbau positiv positioniert werde, so Lüken. »Darum bemühen sich die Industrie und auch der VSM nach Kräften. Die Kritik der IG Metall ist insofern wenig konstruktiv und im Sinne einer positiven öffentlichen Wahrnehmung sogar kontraproduktiv.«

»Zeitarbeiter kleiner, aber unverzichtbarer Teil der Industrie«

»Um unsere Wettbewerbsfähigkeit auf einem ohnehin schon durch unfaire staatliche Eingriffe stark verzerrten globalen Markt nicht zu gefährden, kommt es auf die richtigen Rahmenbedingungen an. Dazu gehören auch flexible, verlässliche Instrumente des Arbeitsmarktes und hinreichende Spielräume für unternehmerische Eigenverantwortung. Die Arbeitsteilung ist Basis für Deutschlands industriellen Erfolg. Zeitarbeit sowie Werk- und Dienstverträge sind unerlässlich, um eine betriebs- und volkswirtschaftlich effiziente Produktion in Deutschland aufrechtzuerhalten«, so der Verbandschef.

Zeitarbeit reflexartig als unsicher und prekär zu bezeichnen verkennt nach den Worten des VSM die Realität: »Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen sind ein kleiner, aber unverzichtbarer Teil der Schiffbauindustrie. Zeitarbeit bietet ein Sprungbrett in die Festanstellung und Unternehmen können durch sie Auslastungsschwankungen abfedern. Zeitarbeit sichert damit auch Stammarbeitsplätze«, heißt es. Werk- und Dienstverträge seien aufgrund zunehmender Spezialisierung aus einer arbeitsteiligen Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Sie sind seit Jahrzehnten das Markenzeichen der deutschen Wirtschaft und eine Grundlage ihrer Stärke.

Die deutsche Schiffbauindustrie brauche zudem hochqualifizierten Nachwuchs, heißt es. »Beleg für die Zukunftsorientierung und das Verantwortungsbewusstsein unserer Unternehmen sind das anerkannt sehr hohe Ausbildungsniveau sowie die kontinuierlich hohe Ausbildungs- und Übernahmequote«, so der Verband. So seien im letzten Jahr nach der Ausbildung alle Auszubildenden von den Unternehmen übernommenworden. Dennoch kämpften die Unternehmen mit rückläufigen Bewerber- und Absolventenzahlen. Sie hätten daher ihre Aktivitäten zur Nachwuchsgewinnung »drastisch erhöht«.

»Maritimer Kompetenzerhalt ist eine nationale Aufgabe, die über Ländergrenzen hinweg koordiniert werden sollte und eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Sozialpartner voraussetzt. Die auf der NMK vereinbarte Bildungsoffensive war eine gemeinsame Initiative. Darum müssen sich alle Akteure konstruktive einbringen«, erklärt der Branchenverband.