Zwar sind die Raten im Dry-Bulk-Markt nun dem Abgrund entstiegen, Entwarnung geben Analysten aber noch nicht. Die Herausforderungen im Herbst bleiben bestehen.
Die Erträge der Capesize-Schiffe haben ihre Achterbahnfahrt fortgesetzt und erreichten am 2. September mit 36.101 $/Tag den höchsten Stand seit Ende 2013. Zwischen dem 2. April, dem bisherigen Tiefpunkt des Jahres, und dem 2. September sind die Raten um 943% in ein solides gewinnbringendes Terrain gestiegen.
Der starke Anstieg der Capesize- und Panamax-Erträge spiegele eine Veränderung der Marktdynamik seit Jahresbeginn wider, sagt Peter Sand, Chief Shipping Analyst bei BIMCO. Nach einer größeren Störung zu Beginn des Jahres sind demnach die brasilianischen Eisenerzexporte gestiegen, obwohl die monatlichen Exporte seit März niedriger sind als in den entsprechenden Monaten des Vorjahres. Die Eisenerzexporte erreichten im April mit 18,9 Mio. t ihren Tiefpunkt und sind seitdem auf 34,3 Mio. t im Juli gestiegen.
China importiert weniger Eisenerz, Brasilen exportiert weniger Soja
Die wichtigsten chinesischen Trockenmassengutimporte zeichnen ein widersprüchliches Bild für den Capesize-Markt, wobei die Eisenerzimporte um 4,9% zurückgingen, während die Kohleimporte um 6,9% stiegen. BIMCO hat bereits über die sich ändernde Natur der chinesischen Eisenerznachfrage berichtet, die vor allem durch die Umstellung auf die Verwendung von Stahlschrott in der Stahlproduktion anstelle von importiertem Eisenerz getrieben wurde, eine von der chinesischen Regierung geforderte Änderung. Die chinesische Stahlproduktion steigt in diesem Jahr um 9%, wobei die wachsenden Mengen hauptsächlich für den Inlandsverbrauch produziert werden, da die Exporte nicht gestiegen sind.
Währenddessen verlief die wichtige brasilianische Sojabohnenexportsaison zwischen März und Juli enttäuschend. Trotz einem starken Jahresauftakt im Januar und Februar sind die Exporte Sand zufolge in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 5,9% gesunken. Obwohl Brasilien in dieser Saison eine Rekordernte verzeichnet habe, hätten niedrige Lagerbestände zu Beginn der Saison sowie eine geringere chinesische Nachfrage aufgrund der afrikanischen Schweinegrippe dazu geführt, dass die Rekordernte nicht zu Rekordexporten geführt habe.
Flotte soll 2019 weiter wachsen
Ablieferungen im Umfang von 25,6 Mio. DWT gegenüber Verschrottung von nur 5,5 Mio. DWT führten in diesem Jahr bisher zu einem Netto-Flottenwachstum von 2,4%, wobei die Flotte derzeit eine Gesamtkapazoität 865,3 Mio. DWT hat. BIMCO erwartet, dass die Dry-Bulk-Flotte 2019 um 3,7% wachsen wird.
»Das Wachstum der Capesize-Flotte liegt seit Februar 2019 unter 3% im Jahresvergleich, was darauf hindeutet, dass zumindest vorerst die Angebotsseite unter Kontrolle ist«, sagt Sand. Die solide Verschrottung hat demnach 22 Capesize-Schiffen mit einer Ladekapazität von 4,2 Mio. t seit Anfang des Jahres aus der Flotte entfernt. Allerdings ist das wenig gegenüber 43 abgelieferten Capesizes, darunter acht Valemaxes (380.000 – 400.000 DWT) und 24 VLOCs (200.000 – 350.000 DWT).
BIMCO erwartet, dass sich die solide Verschrottungsaktivität in der zweiten Jahreshälfte abschwächen wird. Außerdem sollen die Transportvolumina in Q3 und Q4 saisonal bedingt wachsen, wobei Capesize-Schiffe für den Rest des Jahres profitabel bleiben sollen. Dies hängt jedoch davon ab, dass die Eisenerzexporte aus Brasilien und Australien stabil bleiben und die chinesische Nachfrage nach Eisenerz aufgrund des verstärkten Einsatzes von Schrott in der Stahlproduktion nicht sinkt. Die chinesischen Kohleimporte müssen ihre unterstützende Rolle beibehalten, weil es sonst zu einer Volatilität bei einem ansonsten stabilen Ausblick kommen könnte.
Schweinegrippe trifft Sojanachfrage
Der Ausbruch der afrikanischen Schweinegrippe hat schwerwiegende Auswirkungen auf die chinesischen Schweinebestand gehabt, wobei offizielle Statistiken zeigen, dass 32% der chinesischen Schweine in den letzten zwölf Monaten gekeult wurden, was die Nachfrage nach Sojabohnen in einem Handel, der bereits seit Beginn des Handelskrieges stark gestört ist, drastisch reduziert. »Die massive Keulung macht es umso unwahrscheinlicher, dass der Handel in naher Zukunft wieder zu den bisher üblichen Mengen zurückkehren wird, wobei die chinesischen Sojabohnenimporte in den ersten sieben Monaten des Jahres um 11,3% zurückgingen. Nachdem die brasilianische Hauptexportsaison zu Ende gegangen ist, wird sich der Schwerpunkt auf die USA und eine voraussichtlich weitere enttäuschende Exportsaison richten, da China angekündigt hat, dass es alle Käufe von US-Agrargütern einstellen und im Rahmen der jüngsten Eskalation des Handelskrieges einen weiteren Zollsatz von 5% auf Sojabohnen erheben wird«, so Sand.
Die chinesischen Kohleimporte, die in diesem Jahr bisher um 6,5% gestiegen sind, sstehen unter einem zunehmenden innenpolitischen Einfluss. Berichte über Kohlelieferungen von einigen der traditionellen Kohleexporteure nach China, die mit zunehmenden Verzögerungen bei der Zollabfertigung konfrontiert sind, sowie einige lokale Zollgebiete, die 2019 die Kohleimporte auf das gleiche Niveau wie 2018 begrenzen, bedeuten, dass dieser Handel im weiteren Jahresverlauf einer der ausschlaggebenden Faktoren sein wird.
Raten unter Druck
Die politische Bedeutung, die die chinesische Regierung dem niedrigen Wachstum der Kohleimporte beigemisst, ergibt sich Sand zufolge aus ihren Hoffnungen, sich selbst versorgen zu können. Der chinesische Staat hat mehrere große Investitionen in die heimische Kohleförderung getätigt, was dazu führte, dass im Juni 2019 333,4 Mio. t Kohle gefördert wurden, um den hohen Energiebedarf im Sommer zu decken. Da die chinesische Kohle jedoch nach wie vor teurer ist als Importkohle, können plötzliche Änderungen in der Zollpolitik hier schnell zu einem Volumenrückgang führen.
BIMCO geht davon aus, dass sich die fundamentale Marktbalance 2019 verschlechtern wird, was nicht zur Verbesserung der Frachtraten beitragen wird, da sich die Schwefelobergrenze 2020 (und ihre zusätzlichen Kosten) nähern. »Die Fähigkeit der Reeder, diese zusätzlichen Kosten an die Verlader weiterzugeben, wird weitgehend von den Marktbedingungen abhängen, und solange das Angebot größer als die Nachfrage ist, wird die Weitergabe der zusätzlichen Kosten schwierig sein«, heißt es.