Der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht in den Themen Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz die größten Herausforderungen für die deutsche Seeschifffahrt in diesem Jahr. Insgesamt blicken die Reeder aber wieder »verhalten optimistisch« in die Zukunft.
Was die Reedereistruktur in Deutschland betrifft, ist Deutschland nach wie vor von einer großen Anzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen geprägt. Etwa 80 % der deutschen Schifffahrtsunternehmen bereedern weniger als zehn Schiffe. Die Reedereien stünden aber nicht nur in harter Konkurrenz zu Unternehmen aus Standorten wie Singapur, sondern auch aus EU-Nachbarländern wie Dänemark, Belgien oder den Niederlanden, die EU-konform teils günstigere Rahmenbedingungen genießen würden, so der VDR.
»Um im scharfen globalen Wettbewerb bestehen zu können, muss die Schifffahrt vom Standort Deutschland aus international wettbewerbsfähig agieren können«, forderte Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied, beim Jahrespressegespräch in Hamburg. »Es geht uns nicht um Privilegien, sondern schlicht um Chancengleichheit«, machte er deutlich.
Nach den Jahren der Krise und ihrer teils schmerzhaften Aufarbeitung würden viele Unternehmen aber wieder den Blick auf die Zukunft und ihre Herausforderungen richten, sagte VDR-Präsident Alfred Hartmann. Die Erlössituation sei allerdings sehr unterschiedlich und zudem auch volatil – je nach Branchenzweig, nach Fahrtgebieten und teilweise sogar tagesaktuell nach Ereignissen. Nach wie vor sei die deutsche Flotte jedoch »ungemein vielfältig« und böte insbesondere dank dem maritimen Knowhow in ihren Unternehmen High-Tech-Produkte.
Klimaziele nur durch andere Brennstoffe erreichbar
Weltweit werden etwa 90 % aller Waren per Schiff transportiert. Der Welthandel per Schiff habe in den vergangenen zehn Jahren um mehr als ein Drittel zugenommen, die CO2-Emissionen der Schifffahrt seien in dem Zeitraum jedoch um 18 % gesunken, so der VDR.
»Das zeigt: wir tun schon offensichtlich eine ganze Menge – und wir wollen noch mehr tun«, sagte Präsident Hartmann: Die Schifffahrt sei in Sachen Klima- und Umweltschutz auf ehrgeizigem Kurs wie keine zweite, derart globale Industrie. »Wir wollen als Industrie die Klimaziele der IMO erreichen oder wo möglich sogar übertreffen. Dafür benötigen wir jedoch eine technologische Revolution. Denn alle Effizienzmaßnahmen an Schiffen reichen dafür allein nicht aus. Wir brauchen andere Brennstoffe.«
Es liege aber in der Verantwortung der IMO der Vereinten Nationen, die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen der internationalen Schifffahrt zu regulieren, da diese nicht einzelnen Staaten zugerechnet werden könnten, so Hartmann.
»Wir brauchen deshalb in London eine verhandlungsstarke und diplomatisch versierte Europäische Union, die im Verbund mit anderen Schifffahrtsstandorten mithilft, die ambitionierten Ziele der IMO global voranzutreiben – für weltweiten Klimaschutz und fairen Wettbewerb in unserer internationalen Industrie. Regionale Sonderwege, etwa in der EU, sind hingegen zu vermeiden. Sie verzerren den Wettbewerb und haben am Ende keinen ausreichenden Effekt auf das Klima.«
Man werde noch in diesem Jahr in der IMO über ganz konkrete kurzfristige Maßnahmen zur CO2-Reduzierung sprechen, etwa Wartezeiten vor Häfen zu vermeiden, die Geschwindigkeit von Schiffen zu optimieren oder den Energy Efficiency Index (EEDI) auf bereits fahrende Schiffe auszuweiten. Da sei noch einiges zu holen, sagte Hartmann. Sein Fazit: Es gehe in der Schifffahrt nicht mehr um die Frage, ob wir Klimaschutz wollten. Das Problem sei erkannt und man wisse, dass gehandelt werden müsse.
»Für uns ist die drängendste Frage: wie können wir nachhaltig reduzieren, nicht nur kompensieren – und die Ziele der IMO schaffen? Dafür fehlen uns noch die Lösungen, die allerdings, insbesondere was das Thema Brennstoff betrifft, auch ein Stück weit außerhalb unserer Industrie liegen.«
EU-Flaggen dominieren bei deutschen Reedern
Zu einem großen Teil (mehr als 43 %) führen die Schiffe der deutschen Flotte heute die Flagge eines EU-Landes am Heck, insbesondere von Portugal, Zypern und Malta. »In Zeiten, in denen die Idee eines geeinten Kontinents unter Druck steht, werte ich das auch als Bekenntnis zu Europa«, so Hartmann. Unter deutscher Flagge fahren 302 Schiffe. Antigua und Barbuda sowie Liberia sind nach wie vor die größten Einzel-Flaggenstaaten der deutschen Flotte.
Trotz dem Rückgang der Gesamtzahl der Schiffe konnte die Zahl der in Deutschland sozialversicherungspflichtig angestellten Besatzungsmitglieder mit insgesamt 8.265 Beschäftigten annähernd stabil gehalten werden. »Dieser Erfolg lässt sich auch an den Zahlen für die Ausbildung ablesen«, sagte Hartmann: 420 Auszubildende auf See sind 2019 neu eingestiegen, 249 an Land. An Bord seien dies somit mehr als im Vorjahr, so Hartmann weiter.