Pierre Éric Pommellet (Foto: Naval)
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Industriepolitik auf französische: Die Naval-Werft, Konkurrent für deutsche Marine-Schiffbauer, bekommt wie gewünscht Pierre Éric Pommellet als neuen Chef. Staatspräsident Emanuel Macron gab jetzt grünes Licht.

Bei den Nachbarn nimmt die Politik – zumindest für deutsche Verhältnisse – [ds_preview]deutlich mehr Einfluss auf einige Industriezweige. Dazu gehört auch der Schiffbau, wie man bereits bei den Versuchen der italienischen Fincantieri-Gruppe, die ehemalige STX-Werft in Frankreich zu übernehmen, beobachten konnte. Auch bei wichtigen Weichenstellungen der staatlichen Naval Group wird das deutlich.

Staatspräsident Macron habe sein Einverständnis zum Vorschlag für den neuen CEO Pommellet gegeben, teilte Naval jetzt mit. Ende Januar war bekannt geworden, dass der bis dahin aktive CEO Hervé Guillou seinen Posten aus Altersgründen abgibt und der ehemalige Manager des Thales-Konzerns Pommellet übernehmen soll.

»Es ist eine Ehre und macht mit sehr stolz, der Naval Group zu dienen, einem 400 Jahre alten und jetzt internationalen und zukunftsorientierten Unternehmen. Ich nehme meine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Gesundheitskrise COVID-19 auf, die wir alle im ganzen Land – und in der Welt – erleben, und bin mir der Verantwortung bewusst, die mir damit übertragen wurde«, sagte der neue Chef. Den »Zweck der Naval Group« beschrieb er darin, den Marinen in der ganzen Welt zu dienen, in erster Linie der französischen Marine.

Weil mehrere Amtszeiten im Aufsichtsrat auslaufen, wurden fünf neue Mitglieder ernannt: Neben Pommellet sind das die ehemalige Total-Managerin Geneviève Mouillerat, Guenaelle Penin de la Raudiere aus der Airbus-Gruppe, Valérie Champagne (RTE, Réseau de Transport d’Électricité) und François Geleznikoff, ehemaliger Direktor für militärische Anwendungen bei der CEA (Französische Kommission für Atomenergie und alternative Energien).

Pommellet begann seine Karriere als Ingenieur bei der französischen Beschaffungsbehörde für Verteidigungsgüter (DGA) 1990. Vier Jahre später wechselte er zur Naval-Gruppe (damals DCN), wo er für die Entwicklung von Kampfsystemen für die SSBN und den Flugzeugträger »Charles de Gaulle« verantwortlich war. Im Jahr 1995 wurde er Stabschef von Jean-Pierre Raffarin, dem damaligen Minister für Wirtschaft und Handel. 1997 schloss er sich dem Thales-Konzern an, wo er vor allem im militärischen Luftfahrt-Segment aktiv war. Nach seiner Rückkehr nach Paris im Jahr 2008 wurde er zum Leiter der Dienstleistungsaktivitäten der Luft- und Raumfahrtabteilung ernannt, bevor er im Juni 2009 zum verantwortlichen Direktor der Abteilung Luft- und Raumfahrt ernannt wurde. Zwischen 2010 und 2017 war er als Executive Vice President des Geschäftsbereichs Defence Mission Systems tätig. Seit 2017 ist Pommellet Executive Vice President, Operations and Performance. Der ist Absolvent der prestigeträchtigen École Polytechnique und hat einen Master of Science des Massachusetts Institute of Technologies (MIT).

Neue Strategie?

Die Kür eines Thales-Mannes hatte zu Spekulationen zur künftigen Ausrichtung der Naval Group geführt. Regierungsvertreter äußerten sich beruhigend, es gäbe keine versteckte Agenda, die mit der Ernennung von »PEP« verbunden sei. Die Strategie der Naval Group bliebe: weltweit führend bei der Konstruktion und beim Bau von Marineschiffen zu sein. Naval Group soll ein unabhängiges, autonomes Unternehmen bleiben, werden regierungsnahe Quellen in französischen Medien zitiert.

Die Gewerkschaften sprechen sich gegen die Personalie aus. Sie befürchten eine andere Ausrichtung der Naval Group. Indem die Fähigkeiten der Naval Group in der Integration sowie ihre Expertise bei Elektroniksystemen der U-Boote und Überwasserschiffen zugunsten von Thales-Produkten untergraben werden könnten und sich Thales als Systemhaus durchsetzen könnte. Was darauf hinausliefe, dass Naval Group schließlich ein reiner Schiffshüllenhersteller werden würde.

Tatsächlich sind die Beziehungen von Thales und seiner 35-prozentigen Tochter alles andere als idyllisch. Thales und Naval Group stehen bei großen Exportverträgen im Wettbewerb. Wie 2019 beim Vertrag über Minenjagdschiffe in Belgien und den Niederlanden, ein 2-Milliarden-Euro-Auftrag, den die Naval Group und die ECA zum Nachteil von Thales (und STX) erhielten. Thales sprach sich gegen das von Naval Group mit Fincantieri eingegangene Poseidon-Projekt aus, das zur Gründung des Joint Ventures Naviris führte.

Wie sein Vorgänger wird Pommellet nun (von der Gegenseite kommend) das komplexe Joint Venture mit Fincantieri überwachen müssen. Darüber hinaus muss er die Modernisierung der Marine befördern, deren Rüstungsprogramme als überfällig gesehen werden. Gleichzeitig gilt es den als zu massiv empfundenen Kostensteigerungen entgegen zu treten. Insofern könnte seine Auswahl doch auf eine Änderung der Strategie hinauslaufen. Wird er in der Lage sein, die Annäherung an Thales zu gestalten? Oder verfolgt er weiter die von Hervé Guillou entwickelte Unabhängigkeit der Naval Group?

Wobei diese Unabhängigkeit angesichts der Eigentumsverhältnisse ohnehin gesondert zu betrachten ist. Der französische Staat hält 62,25 % des Konzernkapitals der Naval Group, Thales 35 %, 1,73 % liegen bei den Arbeitnehmern. An Thales ist der französische Staat wiederum mit 25,7 % beteiligt, Dassault Aviation hält 24,6 % an Thales.


Dieser Text entstand mit Unterstützung von Hans Uwe Mergener vom Magazin »Europäische Sicherheit & Technik« aus der Gruppe Tamm Media (ES&T)