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Die Mehrheit der Schiffe landet zur Verschrottung weiterhin an Stränden in Südasien, Regelungen auf regionaler und internationaler Ebene werden oft umgangen. Doch der Druck auf die Schifffahrt zu nachhaltigem Recycling nimmt zu, zeigt ein Blick auf die vergangenen Monate.

Weil in Südasien weiter vor vor allem auf die sogennate Beaching-Methode gesetzt wird, mit negativen Folgen für Umwelt und[ds_preview] Gesundheit, steigt der Druck auf die Schifffahrt, nachhaltiger zu werden. Nicht nur von regulatorischer Seite, auch aus anderen Bereichen drängen Stakeholder wie Banken und staatliche Pensionsfonds darauf. Sie wollen ihre Portfolios säubern und setzen nicht nachhaltig handelnde Unternehmen auf die schwarze Liste.

Auch 2019 war von solchen Meldungen, beispielsweise aus Norwegen, geprägt. Derweil wächst zudem das Branchenbündnis Ship Recycling Transparency Initiative (SRTI), in dem große Reedereien wie Maersk, CMA CGM und Hapag-Lloyd und andere Lieferkettenakteure wie Ladungseigner organisiert sind. In den vergangenen zwölf Monaten traten der SRTI der Versicherer Gard, die Reederei Louis Dreyfuss, der Agrarkonzern Bunge, die Tankerreederei Teekay oder auch der Autobauer BMW bei. 2020 dürften weitere folgen, insgesamt ist jedenfalls zu bemerken, dass der Druck im Kessel merklich steigt.

Im Jahr 2019 wurden insgesamt 674 Handelsschiffe und Offshore-Einheiten an die Abwrackwerften weltweit verkauft. Davon wurden 469 Tanker, Bulker, Bohrplattformen, Container- und Passagierschiffe an nur drei Stränden in Bangladesch, Indien und Pakistan abgewrackt. Das entspricht fast 90% der weltweit ausgemusterten Bruttotonnage.

Bangladesch toppt alle

Da China Beschränkungen für den Import von Schrottschiffen erlassen hat und die indischen Recycler durch die Gesetzeslage an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt haben, geht immer mehr Tonnage nach Bangladesch. Das Land ist 2018 zur Nummer 1 in dem Geschäft aufgestiegen. 2019 wurden nach Daten der NGO Shipbreaking Platform, die sich für Umwelt- und Sicherheitsstandards einsetzt, 7,8 Mio. GT in Bangladesch verschrottet, 3,6 Mio. GT in Indien und 0,2 Mio GT in Pakistan. In der Türkei waren es 1,1 Mio. GT, in China 0,3 Mio. GT, in der EU lediglich 60.075 GT, dazu kommen noch 180.000 Mio. GT im Rest der Welt.

Dass Südasien weiterhin die Top-Destination für Altschiffe bleibt, liege einerseits natürlich an den niedrigeren Standards in Sachen Umwelt- und Arbeitsschutz, schreibt Nikos Mikelis, Chef von GMS Leadership, in einem aktuellen White Paper. Allerdings sei das nicht der einzige Grund. In Südasien ist die Nachfrage nach gewalzten Stahlprodukten aus Schrott gegenüber Produkten aus eingeschmolzenem Stahlschrott größer als anderswo. Das sogenannte Re-Rolling ist billiger, und die Recycler können mehr für den Schrott bezahlen.

Eine neue Beschränkung für solche gewalzten Produkte in Indien stärkt nun allerdings die Schrottkäufer in den Nachbarländern. Insbesondere in Bangladesch ist die Nachfrage groß und deckt über ein Drittel des nationalen Stahbedarfs ab, in Indien macht Schiffsstahl dagegen keine 2% der Nachfrage aus.

In Pakistan sehen sich die Recycler mit einer Änderung des Steuerrechts konfrontiert. Galt eine ganze Weile eine Art Flat-Rate-Steuer pro Tonne, so gilt seit einigen Monaten eine Umsatzsteuer von 17%/t, die schon beim Import eines Schiffs zu zahlen ist. Auch gilt die Steuer nun für das gesamte Schiff, zuvor war sie bei Trockenfrachtschiffen nur für 72,5% der Tonnage, bei Tankern für 80% angefallen. Zudem wird Schiffsstahl beim Import steuerlich anders bewertet als sonstiger Stahlschrott.

Die Branche im pakistanischen Gadani fürchtet nun, dass die Verschrottungsaktivitäten deshalb sogar zum Erliegen kommen könnten. Einige Werften versuchen bereits, die Standards der Hong Kong Convention (HKC) der IMO zu erfüllen, zu deren Inkrafttreten noch einige Vertragsstaaten fehlen. Auch Pakistan zögert noch, während Stimmen aus der Branche eine nationale politische Linie zum Schiffsrecycling fordern – die Regierung solle sich an der Green Ship Recycling Strategy Chinas ein Beispiel nehmen, um Veränderungen zu bewirken.

Problembewusstsein nimmt zu

Bangladesch konnte zwar seine Spitzenposition behaupten, es entwickelt sich aber langsam auch dort in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen der Schiffsrecyclingindustrie im Land. Wie die Zeitung Dhaka Tribune Mitte Februar bilanzierte, sind allein 2019 24 Arbeiter bei Arbeitsunfällen auf Abwrackwerften ums Leben gekommen – die höchste Zahl der vergangenen zehn Jahre. Behördliche Statistiken sprechen von 19 Toten. Dazu kommen zahllose verletzte und verstümmelte Arbeiter.

Außerdem seien in den vergangenen Jahren schätzungsweise 60.000 Mangrovenbäume dem Platzbedarf der Verschrottungswerften am Strand von Chattogram (Chittagong) zum Opfer gefallen. Tatsächlich wird der für das Beaching genutzte Strandabschnitt immer länger – in den letzten 15 Jahren wuchs er von 5km auf rund 20km. Die Bäume stehen eigentlich unter Schutz, ein Teil war sogar eigens mit UN-Geldern gepflanzt worden. Abgesehen von der ökologischen Katastrophe geht an der Küste so auch ein wichtiges Schutzelement vor Wirbelstürmen verloren.

Neben Gesundheits- und Umweltschäden sorgte ebenfalls im Februar die Geschäftspraxis mehrerer Recyclingwerften in Chittagong für Aufsehen. Die Umweltbehörde hatte bei einer Inspektion bemerkt, dass mehrere Betriebe den gewonnenen Stahl gleich zu Barges weiterverarbeiten – ohne Erlaubnis und ohne Steuern zu entrichten. Schon 2019 waren wegen illegaler Schiffbauaktivitäten und fehlenden Abfall-Managements Bußgelder gegen Werften verhängt worden. Man schaut den Schrottbetrieben nun offenbar etwas mehr auf die Finger.

Giftmüllexport im Fokus

Auch in Europa werden die Behörden strenger, hier hat man allerdings nicht die asiatischen Werften, sondern die Eigner der Schiffe im Visier. Im Gedächtnis geblieben sind die Urteile gegen die Reedereien Holland Maas und Seatrade. Im Januar waren zudem Geschäftsräume der Tankerreederei Teekay in Norwegen durchsucht worden, um Beweise im Zusammenhang mit der Verschrottung eines Tankers in Indien im Jahr 2018 zu sammeln. Der Vorwurf des illegalen Exports von Giftmüll steht im Raum. Die Ermittlungen werden wohl noch einige Monate in Anspruch nehmen.

Der Export von Abfallstoffen wird in der EU durch die Waste Shipment Regulation (EU WSR) geregelt. Seit Anfang Dezember 2019 gilt auch international das unter EU WSR bereits umgesetzte »Ban Amendment« der Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and Their Disposal. Mit 98 Vertragsstaaten verbietet sie den Export gefährlicher Abfälle aus Staaten der EU, der OECD und aus Liechtenstein in alle anderen Länder.

Neben der Elektronikindustrie fürchtet auch die Schifffahrt das Abkommen, denn es definiert Altschiffe als Giftmüll. Daher wird schon lange versucht, mit der Hong Kong Convention der IMO auf UN-Ebene eine separate Regelung zu finden. Noch fehlen aber wichtige Unterzeichnerstaaten. EU WSR und Basel Convention wurden und werden in den meisten Fällen umgangen. Denn das Schiff gilt nur dann als Abfall, wenn die Entsorgungsabsicht offensichtlich ist. Die »letzte Reise« muss erwiesener Maßen aus einem Land mit entsprechendem Exportverbot starten. Dem Reeder, der das Schiff meist an einen sogenannten Cash Buyer verkauft, muss diese Absicht bewiesen werden. Daher wird oft behauptet, ein Schiff würde weitergenutzt, bis es der Cash Buyer ausgeführt und umgeflaggt hat.

Einheitliche Regelung fehlt

Ob sich daran etwas ändert, bleibe abzuwarten, schreibt Mikelis von GMS, dem weltgrößten Cash Buyer. Mikelis war auch maßgeblich ab der Entwicklung der Hong Kong Convention beteiligt. Anstatt auf Strafverfolgung zu setzen, sollten die betreffenden Staaten seiner Meinung nach lieber andere zur Ratifizierung der HKC motivieren, um eine weltweit einheitliche Regelung zu erreichen.

Lange ging bei der HKC nicht viel voran, zuletzt haben aber immer mehr Länder das IMO-Abkommen unterzeichnet. Vor allem liegt die Aufmerksamkeit auf den wichtigsten Verschrottungsstandorten Bangladesch, China, Indien, Pakistan und der Türkei, auf die zusammen über 98% des gesamten Schiffsrecyclings nach Bruttotonnage entfallen.

Indien ist der HKC im November 2019 beigetreten – nicht zuletzt, um mehr Tonnage aus Japan, Korea, Europa und den USA anzuziehen. Mit Indiens Unterschrift kommt das Übereinkommen dem Inkrafttreten einen bedeutenden Schritt näher, da die erforderlichen 15 Vertragsstaaten nun beisammen sind und das indische Schiffsrecyclingvolumen erheblich zur erforderlichen Recyclingkapazität beiträgt. Unterschrieben haben außerdem Belgien, Kongo, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Ghana, Indien, Japan, Malta, Niederlande, Norwegen, Panama, Serbien und die Türkei. Sie machen zusammen etwas mehr als 30% der Welthandelsschiffstonnage aus.

Es sind aber weitere Tonnage- und Recyclingvolumina erforderlich, bevor das Übereinkommen in Kraft treten kann. Der Vertrag muss von 15 Staaten ratifiziert werden, diese müssen 40% der Welthandelsschifffahrt nach Gross Tonnage repräsentieren und ein maximales jährliches Schiffsrecyclingvolumen (während der letzten zehn Jahre) von mindestens 3% ihrer gesamten Bruttotonnage aufweisen.

Zumindest auf dem Papier zieht sich für Schiffe unter der Flagge eines EU-Staats seit dem 31. Dezember 2018 die Schlinge zu. Laut EU Ship Recycling Regulation (EU SRR) dürfen solche Schiffe eigentlich nur noch in von der EU zugelassenen Werften verschrottet werden. Eigentlich, denn die Regelung kann durch Umflaggen des Schiffs vor der Verschrottung leicht umgangen werden. Daher kommt bei der Verfolgung immer noch die bereits beschriebene EU WSR zur Anwendung.

Gleichzeitig wächst die Liste der zugelassenen Werften. Ende Januar wurde die 6. Fassung der sogenannten EU-Liste veröffentlicht. Die Europäische Kommission hat sieben neue Werften aufgenommen. Darunter sind vier europäische Werften (je eine in Lettland, Litauen, den Niederlanden und Norwegen) und drei Werften in der Türkei. Damit umfasst die EU-Liste derzeit 41 Standorte – 30 innerhalb der EU, vier in Norwegen, sechs in der Türkei und eine in den USA –, was einer verfügbaren jährlichen Gesamtrecyclingkapazität von fast 2,85Mio. LDT entspricht. Mehrere Werften auf der europäischen Liste sind auch in der Lage, große Schiffe zu recyceln.

EU-Liste wächst

Die Gegner des EU-Vorstoßes verweisen auf die internationale Regelung durch die HKC. Zudem gebe es auf der EU-Liste nicht genug Kapazität, die Befürworter halten mit Zahlen dagegen. Letztlich ist aber entscheidend, dass die Verschrottung in Südasien billiger und profitabler ist – für Reedereien wie für Recycler. Noch steht keine einzige südasiatische Werft auf der EU-Liste.

Um Schiffseigner nicht zur Umgehung von EU SRR, EU WSR und Basel COvention zu »zwingen«, fordert Nikos Mikelis daher von der EU, endlich auch Betriebe in Südasien zuzulassen. Diese setzen trotz Verbesserungen weiter auf die Beaching-Methode und bisher konnte keine die EU zufrieden stellen.

Um in die europäische Liste aufgenommen zu werden, muss jede Schiffsrecyclinganlage, unabhängig von ihrem Standort, eine Reihe von Sicherheits- und Umweltanforderungen erfüllen. Bei Anlagen in der EU ist es Sache der zuständigen nationalen Behörden in den betreffenden Mitgliedstaaten zu prüfen, ob alle einschlägigen Bedingungen erfüllt sind. Schiffsrecyclinganlagen in Drittländern, die beabsichtigen, Schiffe unter der Flagge eines Mitgliedstaates zu verschrotten, müssen bei der Kommission einen Antrag auf Aufnahme in die europäische Liste stellen und werden dann anhand eingereichter Dokumente und Vor-Ort-Audits bewertet. Solche Dienstleistungen übernehmen beispielsweise Klassifikationsgesellschaften für die EU.


Felix Selzer