Die Rohöltankerraten sind nach Erreichen »astronomischer« Niveaus im März und April nun drastisch gesunken. Die schwachen Nachfrageaussichten erfordern eine beträchtliche Angebotskorrektur zur Erholung des Tankermarktes, meinen Analysten.
Die Rohöltankerraten, die in den letzten[ds_preview] Monaten auf den meisten Routen weitgehend zurückgegangen sind, werden sich wahrscheinlich nicht so bald erholen, solange es nicht zu einer deutlichen Korrektur des Schiffsangebots kommt, meint das Beratungsunternehmen Drewry. Denn die Frachtraten sind gegenüber den astronomischen Niveaus von März-April 2020 drastisch gesunken, weil der Rohölhandel aufgrund von Produktionsdrosselungen der Produzenten, weltweit geringerer Raffinerielaufzeiten und der Rückkehr von Schiffen, die zuvor für Floating Storage genutzt wurden, schwach ist. »Die Ölnachfrage wird wahrscheinlich nicht vor 2022 das Niveau von 2019 erreichen«, so Drewry.
Obwohl die Erholung der globalen Wirtschaftstätigkeit wohl zu einer gewissen Verbesserung der Ölnachfrage in 2H20 führen wird, dürfte der Ölverbrauch Ende 2020 immer noch 3,7% niedriger sein als im gleichen Zeitraum 2019. Auch 2021 soll die Nachfrage voraussichtlich um etwa 2,5% unter dem Niveau von 2019 liegen. So gehen die Analysten davon aus, dass die schwache Nachfrage und volle Lager verhindern, dass der Rohölhandel im Jahr 2021 »auch nur annähernd das Niveau von 2019« erreichen wird.
Weniger US-Exporte, weniger Langstrecken
Zusätzlich zu der Schwäche im Rohölhandel werde der voraussichtliche Rückgang der Langstreckenexporte aus den USA nach Asien das Wachstum der Nachfrage nach schmutzigen Tankertonnenmeilen 2020 und 2021 weiter dämpfen. Nach Einschätzung der US-Statistikagentur EIA wird die US-Rohölförderung von 12,2 mbpd im Jahr 2019 auf 11,7 mbpd im Jahr 2020 und 11,0 mbpd im Jahr 2021 zurückgehen. Rohöl aus dem Nahen Osten könnte in Asien Marktanteile gewinne, was wiederum die Nachfrage nach Rohöltankern in Tonnenmeilen im Jahr 2021 deutlich niedriger halten würde als 2019.
Zwar werde es mehr als zwei Jahre dauern, bis sich die Nachfrage nach Tonnenmeilen wieder auf das Niveau von 2019 erholt hat, doch das Angebot werde trotz dem schwachen Auftragsbuch weiter ansteigen, so Drewry.
Die Rohöltankerflotte ist seit Ende 2019 bereits um etwa 7 Mio. dwt (1,7%) gewachsen. Weitere 31 Mio. dwt (7,5% der Flotte von Ende 2019) sollen zwischen 2H20 und 2022 abgeliefert werden, wobei weitere Bestellungen für diesen Zeitraum als wahrscheinlich angesehen werden.
Tempo der Verschrottung entscheidet, wie schnell sich der Markt erholt
»Damit sich die Raten wieder erholen können, wird also in den nächsten zwei bis drei Jahren eine erhebliche Verschrottung erforderlich sein. Bis vor kurzem hielten die hohen Frachtraten und der mangelnde Druck zur Einhaltung der IMO 2020 aufgrund niedriger Bunkerpreise die Verschrottung auf niedrigem Niveau, aber mit der Zunahme des Überangebots und der entsprechenden Ratenschwäche wird eine Belebung der Verschrottungsaktivitäten prognostiziert«, so Drewrs. Das Tempo der Verschrottung werde also darüber entscheiden, wie schnell sich der Markt für Rohöltanker erholt.
Da die ungewöhnlich hohen Frachtraten seit Oktober 2019 das Ergebnis der meisten Tankerunternehmen in diesem Jahr deutlich verbessert haben, werden »Eigner mit tiefen Taschen« nach EInschätzung der Branchenexperten zögern, Tonnage zu verschrotten, bis sie in eine Liquiditätskrise geraten. Außerdem könnte die junge Flotte mit einem Durchschnittsalter von weniger als elf Jahren ein weiterer Dämpfer für die Verschrottung auf dem Rohöltankermarkt sein. »Die Eigner müssen sich also darüber im Klaren sein, dass es eine langsame und schmerzhafte Markterholung sein wird, wenn das Tempo des Abwrackens schleppend bleibt«, heißt es.