Manfred Müller, CEO der Ems-Fehn-Gruppe (Foto: Ems-Fehn Group)
Print Friendly, PDF & Email

Manfred Müller, Co-Gesellschafter und Chief Executive Officer der Leeraner Ems-Fehn-Group, spricht im HANSA-Interview über gescheiterte Kooperationsgespräche mit Shortsea-Reedern, umweltfreundliche Antriebe und Wachstumspläne.

In der europäischen Shortsea-Flotte wächst der Modernisierungsbedarf. Sind Neubauten für Sie eine O[ds_preview]ption?
Manfred Müller: Mit dem Thema beschäftigen wir uns durchgängig. Derzeit lassen der Baupreis und realistische Ratenerwartungen eine wirtschaftliche Rechnung aber nicht zu. Wir schauen uns das an, sind bislang aber immer wieder zum Ergebnis gekommen, dass es hochriskant wäre, neue Schiffe zu bauen.

Falls es doch soweit kommt, wie sieht es dann mit alternativen Antrieben aus?
Müller: Auch die sind fortwährend Thema bei uns, wir schauen uns verschiedene Alternativen und Kombinationen an. Ein niedrigerer Verbrauch ist aktuell der einzige Faktor, mit dem sich Neubau-Überlegungen rechtfertigen ließen. Und selbst dann müssten wir die Kunden, also die Industrie, einbeziehen und davon überzeugen, ihren Beitrag zum CO?-Einsparen zu leisten. Tatsächlich beschäftigen wir uns gedanklich längst mit solchen Modellen. Wir können uns beispielsweise Verträge auf Basis von Schiffsneubauten mit alternativen Antrieben vorstellen, bei denen dann höhere Raten gezahlt werden müssten. Ohne eine solche Konstellation ist der Markt leider nicht bereit, mehr Geld zu zahlen. Das sehen wir bei der »Fehn Pollux«, die mit einem Flettner-Rotor ausgestattet ist und deutliche Verbrauchsersparnisse ermöglicht.

Lassen sich die Mehrkosten für umweltfreundliche Antriebstechnologien nicht mit öffentliche Förderungen abdecken?
Müller: Die Fördermittel, die uns bekannt sind, würden die Mehrkosten nicht decken. Sie reichen nicht, um solche Vorhaben wirtschaftlich zu machen.

Sie wollen strategische Entscheidungen bei Kunden erreichen. Wäre es da nicht sinnvoll, das nicht allein, sondern mit anderen Reedern zusammen zu machen?
Müller: Kooperationen wären auf jeden Fall sehr hilfreich. Deshalb sind wir längst auf der Suche nach Reedereien, die eng mit uns zusammenarbeiten möchten – und das nicht nur bei alternativen Antriebstechnologien.

Verläuft die Suche erfolgreich?
Müller: Bislang nicht.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Müller: Die Interessen sind sehr unterschiedlich. Große Reedereien gehen ihre eigenen Wege und arbeiten oft direkt mit Großkunden zusammen. Reeder mit drei oder vier Schiffen dagegen trauen sich in der Regel an die großen Kunden nicht ran, zugleich wollen sie aber ihre Eigenständigkeit bewahren. Aus strategischer Sicht ist das schwer nachzuvollziehen, denn es ist alles andere als leicht, wirtschaftlich zu arbeiten, wenn man nur eine kleine Flotte und keinen direkten Zugang zur Ladung hat. Außerdem fällt es kleinen Unternehmen schwer, die Flotte jung zu halten. Da stellt sich schon die Frage: Was mache ich mit Schiffen, wenn sie 15 bis 20 Jahre alt sind?

»Kleine« haben es dann zunehmend schwer. Wie sieht Ihrer Ansicht nach der Markt in fünf Jahren aus?
Müller: Es wird in erster Linie eine Handvoll großer Reeder geben. Und alle, die es noch gibt, haben Ladungszugang, durch eigene Befrachtung und eigene Projekte.

Das machen Sie ja selbst auch…
Müller: Wir wissen, dass wir mit der Anzahl Schiffe gegen die Großen nicht ankommen. Das ist aber auch nicht unser Ziel. Die Ems-Fehn-Group ist ein stark diversifizierter Logistik-Anbieter. Die Schifffahrt ist ein wichtiger Teilbereich, aber eben nicht der einzige. Wir bieten umfassende Logistik-Lösungen aus einer Hand und mit eigenem Equipment, seien es Lkw, Krane, Schiffe oder Häfen. So stellen wir unsere Unabhängigkeit sicher.

Ist dafür eine größere Flotte nicht umso wichtiger? Oder bauen Sie vor allem auf das breite Logistikportfolio der Gruppe?
Müller: Unsere Strategie ist klar auf Wachstum ausgelegt, das gilt für alle Bereiche. Aber wir wachsen organisch, bedächtig und mit einer Strategie dahinter. Unsere Flotte ist aktuell noch jung genug, aber wir wissen, dass auch unsere Schiffe in die Jahre kommen werden. Dementsprechend muss man für Nachschub sorgen und das bereiten wir auch vor. Aber ich werde mich nicht drängen lassen, Schiffe zu kaufen, die ich nicht wirtschaftlich betreiben kann.

Wie sieht es mit anorganischem Wachstum aus, durch Übernahmen, Fusionen oder ähnliches?
Müller: Übernahmen sind nicht unser Thema. Von den 19 Unternehmen in der Gruppe ist nur eines durch eine Übernahme zu uns gestoßen, alle anderen sind Selbstgründungen. Bei Übernahmen gibt es immer das Problem, dass verschiedene Unternehmenskulturen aufeinandertreffen. Ich schließe nicht aus, dass wir das noch einmal machen, aber ich bin eher ein Freund davon, eigene Strukturen aufzubauen.

Wo ist eher mit Expansion zu rechnen, in der Flotte oder im Hafensegment, in dem Sie auch aktiv sind?
Müller: Weder noch – wir wollen kontrolliert und gesteuert in allen Bereichen wachsen. Ich bin nicht verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Hafen. Aber wenn es eine sinnvolle Option gibt, bewerbe ich mich für die Konzession.

Wie beeinflusst die Corona-Pandemie das Geschäft?
Müller: Im Hafenbetrieb gab es keine Probleme. Aber in der Hochphase waren Crew-Wechsel sehr anspruchsvoll. Zudem hatten wir eine kurze Periode, in der es schwierig war, Ladung zu generieren.

Hat das Auswirkung auf Ihre Pläne?
Müller: Wenn man ein Schiff kalkuliert, muss man immer Schwankungen berücksichtigen. Und aktuell kommen wir zu dem Schluss, dass es beim derzeitigen Baupreisniveau schwierig ist, ein Schiff zu bauen. Um Geld zu verdienen, gibt es drei Hebel: den Kaufpreis, die Einnahmen und die Verwertung. Daher kämen für uns, wenn überhaupt, europäische Neubauten eher in Frage, denn die haben nach 15 Jahren einen höheren Wiederverkaufswert. Wenn man langfristig denkt und die Hebel realistisch in eine Kalkulation einbaut, hat man auch kein Problem, ein Schiff zu betreiben. Problematisch kann es werden, wenn man sich auf Teufel komm raus mit Assets wie beispielsweise Schiffen oder Lkw eindeckt. Bei Asset-lastigen Unternehmen ist der Verschuldungsgrad wichtig. Ist die Verschuldung zu hoch, gibt es viel Einfluss von Dritten. Wenn diese dann ins Straucheln geraten, wird man schnell Opfer von einer Finanzpolitik, die man nicht beeinflussen kann. Wir haben deshalb sehr wenig Fremdverbindlichkeiten auf unseren eigenen Schiffen, teilweise gar keine.

Wenn Sie mit diesem kaufmännischen Blick auf die »Fehn Pollux« schauen, war die Umrüstung dann kein erfolgreiches Projekt, da der Markt ja offenbar nicht bereit ist, höhere Raten zu zahlen?
Müller: Der Flettner-Rotor gehört der Entwicklungsfirma, wir haben nur unser Schiff für die Testphase zur Verfügung gestellt.

Würden Sie solche Maßnahmen also nicht auf eigene Rechnung umsetzen?
Müller: Doch, das würde ich – aber eben nur, wenn es wirtschaftlich sinnvoll ist. Der Flettner-Rotor war zum Zeitpunkt der Installation ein Prototyp und damit natürlich teuer. Doch er hat seinen Zweck erfüllt und Ergebnisse geliefert, die deutlich über den Erwartungen lagen. Aber erst, wenn solche Prototypen zu Massenprodukten werden, ergeben sie auch wirtschaftlich Sinn. Für die Zukunft denken wir, wie gesagt, über eine Kombination unterschiedlicher »grüner« Technologien nach. Nicht nur mit Flettner-Rotoren, sondern möglicherweise auch über den Wellen-Generator und kleinere Maschinen mit weniger Verbrauch könnte man den CO?-Ausstoß weiter reduzieren.

Ist LNG eine Option für Sie?
Müller: Das ist selbstverständlich auch eine Alternative, die wir prüfen. Aber nochmal: Die höhere Investition muss sich zurückzahlen. Ich kann nicht jeden Tag 1.000 € drauflegen, damit das Schiff weniger CO? ausstößt. Da ist die Gesellschaft gefordert. Ich glaube aber, dass die Pandemie die Gesellschaft stark verändert und das Thema Umwelt noch weiter nach vorne schieben wird.

Dann bekommen Ihre Kunden mehr Druck von deren Kunden, ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Das müsste Sie doch optimistisch stimmen…
Müller: Absolut, sonst würden wir auch nicht so viel Zeit in unsere Überlegungen investieren. Ich glaube, jetzt ist der Zeitpunkt für diese strategischen Entscheidungen.

Interview: Michael Meyer