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Jan Semann © TT Line
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Jan Seemann, Abteilungsleiter Inspektion bei der TT-Line, gewährt Einblicke in den anspruchsvollen Weg bis zum Betrieb von Scrubbern auf den Fähren der Reederei. An die Politik hat er gleich mehrere Bitten

[ds_preview]Kapt. Dipl.-Ing. Jan Seemann ist seit 2004 Leiter der Inspektion bei TT-Line in Lübeck-Travemünde. Neben verschiedenen Ausbau- und Umbauarbeiten der gesamten TT-Line-Flotte projektierte er in 2018 die Verlängerung der Schwedenfähre »Peter Pan« um 30 m

Was waren die größten Herausforderungen in diesen Abschnitten – sowohl ökonomisch als auch technisch?

Jan Seemann:[ds_preview] Bei allen existierenden TT-Line Schiffen, die mit dem täglichen Service einen festen Transportauftrag haben, ist die Minimierung der Ausfallzeit eine der größten Herausforderungen. Insbesondere bei den ersten Installationen stellte die zuverlässige Kalibrierung der Messtechnik eine wesentliche Herausforderung dar. Die veränderten Bedingungen auf Seeschiffen im Vergleich zu den bis dato gebauten Landanlagen wurden von den Herstellern der Anlagen unterschätzt. In der Installationsphase bestand die größte Herausforderung darin, bei unseren existierenden Fähren die Rohrarbeiten auf engsten Raum umzusetzen, da wir den Verlust des Laderaumes so gering wie möglich halten wollten. Die sogenannten GRE (Glassfiber Reinforced Epoxy) Rohrleitungen mussten trotz des vorherigen 3D-Scannings an einigen Positionen nachgearbeitet werden. Von diesen GRE-Rohrleitungen wurden etwa 700 m für jedes Schiff verbaut.

Der Weg bis zum Scrubber-Betrieb

In Zusammenarbeit mit dem Hersteller und den Installationspartnern, wie zum Beispiel der Werft, wurde nach den besten Möglichkeiten für die Vorfertigung gesucht. Ziel war, die Ausfallzeit des Schiffes zu minimieren. Schon bei der ersten Hybrid-Scrubber-Installation wurden die kompletten Scrubber-Systeme in einen neuen Schornstein vor Beginn der eigentlichen Werftzeit integriert. Die neuen Tanks und Systeme wurden für die Reinigungsprozesse des »Closed Loop and Zero Discharge«-Systems auf einem Fundament in einer Schiffbauhalle vorgefertigt, so dass die fertigen Systemkomponenten bei der Dockung sofort in Position im Schiff gesetzt werden konnten. Durch diese Vorbereitung konnten zum Beispiel die vier Hybrid-Scrubber auf dem Schiff »Nils Dacke« (ex »Robin Hood«) ohne zusätzliche Tage in dem Standardwerftintervall installiert werden. Die dritte und letzte Phase ist die Implementierungsphase, die Justierung aller Sensoren, der Filteranlagen (Separatoren) sowie der Dosierungspumpen beinhaltet. Mit sieben Schiffen verbindet TT-Line Travemünde und Rostock, den polnischen Hafen Świnoujście sowie die litauische Hafenstadt Klaipėda mit dem südschwedischen Trelleborg. Drei Fähren fahren mit Kraftstoff mit einem Schwefelgehalt von maximal 0,1%. Auf »Nils Holgersson«, »Peter Pan«, »Nils Dacke« und »Marco Polo« ist zudem eine Rauchgasentschwefelungsanlage installiert. Mit dem derzeit in Bau befindlichen »Green Ship« will man LNG als Treibstoff nutzen.

Gab es rechtliche Aspekte, die berücksichtigt werden mussten?

Seemann: Insbesondere während der Test- und Kalibrierungsphase mussten mit den zuständigen Behörden und der Klassifikationsgesellschaft eine Lösung für die Übergangsperiode dargestellt werden, da ansonsten keine Kalibrierung unter den notwendigen Voraussetzungen ermöglicht worden wäre. Diese Übergangszeit wurde für zwei Monate erteilt.

Was sind Ihre Erfahrungen aus dem Einbau und dem Betrieb von Scrubbern?

Seemann: Wir haben insgesamt zwölf Scrubber in Betrieb. Heute sind diese Systeme ein fester und zuverlässiger Bestandteil unseres Schiffsbetriebes. Eine wesentliche Herausforderung nach den Installationen der ersten Scrubber war es, eine Lösung zur Vermeidung eines thermischen Schocks zu finden, da beim Zuschalten des Scrubbers sehr kaltes Meerwasser auf die mehrere hundert Grad heißen Tower geleitet worden ist. Die Lösung bestand in der Installation einer simplen Vorkühlung. Außerdem hatten wir bei einem Modell sogenannte Oxi-Katalysatoren in das Abgassystem vor den Scrubber-Tower eingebaut, welche jedoch die Thermik der Abgase wesentlich verschlechterten. An diesen Beispielen ist ersichtlich, dass diese komplexen Systeme mehr Erfahrungen in der maritimen Praxis erfordern.

Wie fällt Ihre (Zwischen-)Bilanz aus dem Betrieb der Scrubber aus?

Seemann: Wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Für existierende Schiffe ist die Scrubber-Lösung ökonomisch und ökologisch sinnvoll, da wir jeden Tag sehen können, wie viel Sedimente (Partikel) an Land entsorgt statt in die Luft abgesondert zu werden. Durch unsere Separatoren, Hydrozyklon-Anlagen und Filter werden die Sedimente in sogenannten IBC-Behältern gesammelt und fachgerecht entsorgt. Durch unsere Scrubber gelangen diese Sedimente nicht in die Luft oder ins Ostseewasser.

Wie bewerten Sie die politische Debatte um ein potenzielles Teil-Verbot von Scrubbern?

Seemann: Wir sehen in der Scrubber-Technologie einen umwelttechnischen Fortschritt für die existierende Flotte. Mit der Einführung hat sich der Schwefelgehalt in der Luft deutlich reduziert. Darüber hinaus wird die merkliche Verringerung der Partikel in der öffentlichen Meinung völlig unterbewertet. Mit der signifikanten Partikelminimierung sehen wir den größten umwelttechnischen Gewinn. Wir sind gegen Verbote, sondern würden vielmehr eine Förderung von modernen Hybrid-Scrubbern (»close loop«, »zero discharge mode« im Hafen) sehr begrüßen! Die Scrubber-Technologie hat mit der Einführung der ECA (Emission Control Area) die maritime Branche erst vor etwa sechs Jahren erreicht. Somit können wir nicht von einer ausgereiften Technik sprechen. Es ist zu empfehlen, dass die Politik der Industrie mehr Zeit zur Verfügung stellt, damit die neuen umweltfreundlichen Technologien technisch solide entwickelt, getestet und optimiert werden können.

Würden Sie die Entscheidung »pro Scrubber« so erneut fällen?

Seemann: Eindeutig ja, bei existierenden Schiffen und auf allen Meeren befürworten wir das. Es ist unverständlich, wenn eine neue Technologie nicht weltweit, sondern nur für ein begrenztes Gebiet (ECA – Emission Control Area) und somit nur auf wenigen Schiffen zum Einsatz kommt. Eine neue Technologie wird durch die größere Nachfrage deutlich schneller entwickelt und optimiert. Interview: Michael Meyer