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Während die Containerschifffahrt einen Boom erlebt, haben die Seefrachtspeditionen alle Hände voll zu tun, um sich die knappen Kapazitäten an Stellplätzen und Boxen zu sichern. Sie können sich aber über hohe Volumina freuen, die sogar noch zulegen könnten

[ds_preview]Das vergangene Jahr sei definitiv »ein sehr außergewöhnliches Jahr« gewesen, sagt Dominique von Orelli, Global Head of Ocean Freight, DHL Global Forwarding, gegenüber der HANSA. Die Corona-Pandemie inklusive der Lockdowns habe auch DHL vor zahlreiche Herausforderungen gestellt.

Abstract: Shipping slot beats freight rate

While container shipping is booming, ocean freight forwarders are busy securing scarce slot and box capacity. However, they can look forward to high volumes, which could even increase once the pandemic eases, some in the industry expect. The forwarders do not mind the high prices but reliability and service quality issues.

»Fehlende Transportkapazitäten und fehlendes Equipment wie Container und damit einhergehend eine niedrige Servicequalität unter anderem in Sachen Pünktlichkeit seitens der Carrier haben den Markt sehr volatil gemacht. Gleichzeitig sind die Nachfrage und das Volumen über das Jahr hinweg immer weiter gestiegen. Wir konnten aber ausreichend Transportkapazitäten für unsere Kunden sichern und passende Lösungen entwickeln«, sagt von Orelli. Im Großen und Ganzen sei man bei DHL Global Forwarding also mit der Entwicklung des Seefrachtgeschäfts im Jahr 2020 zufrieden. Insbesondere im vierten Quartal konnten sowohl Umsatz als auch die wichtige Gross Profit-to-Ebit Conversion Rate erfolgreich gesteigert werden.

Michael Amri, Global Head of Sea Freight FCL bei Hellmann Worldwide Logistics sagt: »Grundsätzlich kann man die Geschäftsentwicklung der Carrier nicht mit der Entwicklung der Spediteure vergleichen. Die Carrier haben aufgrund ihrer Marktposition von den hohen Raten im letzten Jahr sehr profitiert. Trotz den schlechten Prognosen im März/April letzten Jahres haben wir das Gesamtjahr 2020 zu einem guten Abschluss gebracht. Insbesondere das letzte Quartal ist gut gelaufen.«

Lage bleibt angespannt

Auch Frank Sobotka, Executive Vice President, DSV Air & Sea Central Eastern Europe gibt sich trotz der angespannten Situation zufrieden. Insbesondere seit dem dritten und vierten Quartal 2020 habe man mit Kapazitätsproblemen sowie Engpässen bei Leerequipment zu kämpfen gehabt, bei Raten, die sich deutlich nach oben entwickelt hätten. »Jedoch haben wir unsere Geschäfte gehalten und sogar mit kluger Einkaufspolitik weiter ausbauen können«, sagt er. Vorerst sieht er keine Verbesserung, die Lage sei weiterhin angespannt und spitze sich nochmals durch die tagelange Blockade des Suezkanals durch das Containerschiff »Ever Given« anfang April weiter zu. »Wir erwarten im Q2 und 3 wohl auch Q4 keine Entspannung«, sagt er.

Von einem Suez-Effekt über einige Wochen hinweg geht auch Michael Amri von Hellmann aus. »Das gilt ganz besonders für die Equipment-Situation in Asien und Europa, die schon vor der Suez-­Krise sehr angespannt war«, berichtet er. Insbesondere auf dem Trade von Asien in die USA bleibe die Lage weiterhin sehr angespannt. Hier verursache die hohe Nachfrage Engpässe im Bereich des Schiffsraums und bei der Verfügbarkeit von Leer-Equipment, gleichzeitig führe sie zu überlaufenden Häfen und zu Infrastrukturproblemen im Nachlauf. Die Nachfrage nach Konsumgütern ist aufgrund der globalen Corona-Pandemie nach wie vor sehr hoch. Folglich bleibt der Platz auf vielen Seefracht-Routen knapp, Equipment rar und Raten entsprechend hoch«, fasst Amri zusammen.

Volumen sorgt für guten Start

»Wir sehen tatsächlich, dass die Reedereien mit Hochdruck daran arbeiten, die Situation zu verbessern«, sagt von Orelli. Genaue Zahlen für den Seefracht-Jahresstart 2021 bei DHL kann er nicht nennen, grundsätzlich erwartet er aber weiter wachsende Transportvolumen bei gleichzeitig knappen Kapazitäten.

Bei Hellmann beobachtet man aktuell wieder eine sehr positive Entwicklung des Marktes mit Wachstumsraten von 3–4% im Januar. »Die positive Dynamik konnten auch wir für uns nutzen – Hellmann verzeichnet derzeit Wachstumsraten über Marktniveau«, berichtet Amri. Im Vergleich zum Vorjahr seien die Prognosen für das erste Halbjahr 2021 sehr gut. Hellmann geht davon aus, dass die Nachfrage weiterhin hoch bleibt.

Auch DSV ist »volumentechnisch gut gestartet«, während die Raten teils weiterhin auf einem Allzeithoch liegen, die Anspannung auf allen Trades groß und Leerequipment rar ist. Im Zuge der Pandemie und der Kapazitätsknappheit hat DSV teils eigene Schiffe gechartert, um Volumen zu bewegen. Zudem habe man die Aktivitäten Rail-Verkehre mit Asien sowie Truck-Verkehre ausgebaut, sagt Sobotka, auf anderen Trades wie TA oder LATAM gehe das leider nicht.

Bei DHL Global Forwarding setzt man auf das große internationale Netzwerk, und langjährige enge Zusammenarbeit mit nahezu allen Carriern. »Wo es nötig war, haben wir für Kunden individuelle Lösungen erarbeitet, etwa Re-Routing oder auch intermodale Lösungen bestehend aus einer Kombination zwischen Straßen- und Seefracht, Luft- und Seefracht oder aber auch Schiene. Gerade auf der Neuen Seidenstraße haben die Transportvolumen auf der Schiene in 2020 stark zugenommen«, berichtet von Orelli. Auch Hellmann konnte seinen Kapazitätsbedarf zum Großteil dank langjährigen Carrier-Partnerschaften decken und in enger Abstimmung mit den Kunden die Lieferketten weitgehend aufrechterhalten.

Preis-Leistung muss stimmen

Doch wie bewerten die Seefrachtspeditionen die anhaltend hohen Raten und die Erklärungen der Carrier für die Situation? »Angebot und Nachfrage diktieren den Markt und somit auch die Frachtraten. Die aktuell hohen Frachtraten sind allerdings eine Momentaufnahme und sicherlich in dieser Form nicht nachhaltig«, sagt Amri. Nichtsdestotrotz gingen aktuelle Prognosen davon aus, dass die Nachfrage vorerst hoch bleibe. Entsprechend blieben auch die Spot-Raten hoch, was wiederum Auswirkungen auf die langfristigen Raten habe. »Wichtig ist im Moment, dass man den Platz und das nötige Equipment bekommt – was nützt einem eine günstige Frachtrate, wenn die Fracht nicht aufs Schiff kommt?«, fragt er.

DSV geht davon aus, dass die Carrier an der Ratenpolitik festhalten. »Jedoch wecken die hohen Einnahmen der Reeder Begehrlichkeiten und steigern den Bedarf, mittelfristig zu investieren und zwar in mehr Schiffsraum, was wiederum das Angebot erhöhen wird und zu einer Beruhigung der Ratensituation führen wird«, meint Sobotka.

Dem DHL-Seefrachtchef von Orelli ist vor allem wichtig ist, dass das Preis-Leistungsverhältnis stimmt: »Hohe Raten sind weniger ein Problem, wenn damit auch eine hohe Servicequalität und Verlässlichkeit einhergehen. Hier muss definitiv etwas passieren, sonst ist dies dem Verlader nur schwer zu vermitteln«.

Die Preisentwicklung bekommen natürlich auch die Speditionskunden zu spüren. Den Preisanstieg habe man branchenüblich an die Kunden weitergeben, heißt es, das gehe aber mit »erheblichem kommunikativen Aufwand« einher, berichtet Sobotka. Die Kunden seien aber sehr verständnisvoll, sagt Amri, denn letztlich sei die Aufrechterhaltung der Transportketten für sie entscheidend. »Problematisch war, dass es trotz höheren Frachtraten manchmal zu weiteren Verzögerungen gekommen ist«, sagt er.

Ein nachhaltiger Ladungsboom?

Den derzeitigen Ladungsboom, der auch durch das Konsumverhalten in den USA verursacht wird, beurteilen die Seefrachtexperten vorsichtig. Dieser sei primär der Pandemie geschuldet, meint Amri. Der Hellmann-Manager geht davon aus, dass sich die Situation erst 2022 wieder normalisiert, wenn die Pandemie vorbei ist und sich das private und wirtschaftliche Leben wieder normalisiert.

Auch Sobotka sieht keine Anzeichen, dass sich die Situation bis zum Jahresende ändert. Von Orelli geht gar davon aus, dass die Sendungsmengen weiter steigen werden, wenn die Pandemie zunehmend unter Kontrolle ist. »Dies gilt aber nicht nur für den Konsum, sondern auch in Hinblick auf Industrien, die bedingt durch die Pandemie aktuell vielleicht etwas schwächer unterwegs sind, wie beispielsweise das produzierende Gewerbe, unter anderem der Maschinenbau oder die Automobilindustrie.«       (fs)