DSM- Präsidentin Clara Schlaich, Hans-Joachim Jensen, Marcus Oldenburg, DSM-Generalsekretär Christoph Ernst, und Dirk Obermann, Koordinator der psychosozialen Notfallversorgung in der DSM © DSM
DSM- Präsidentin Clara Schlaich, Hans-Joachim Jensen, Marcus Oldenburg, DSM-Generalsekretär Christoph Ernst, und Dirk Obermann, Koordinator der psychosozialen Notfallversorgung in der DSM © DSM
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Die Deutsche Seemannsmission (DSM) hat im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung ihren Ehrenpreis an den Schifffahrtspsychologen Hans-Joachim Jensen und den Arbeitsmediziner Marcus Oldenburg verliehen.[ds_preview]

Die Wissenschaftler, beide Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin in Hamburg, engagieren sich mit ihren Forschungsarbeiten in besonderer Weise für das Wohl und bessere Arbeitsbedingungen von Seeleuten und verfolgen damit die Ziele der DSM, sagte Clara Schlaich, Präsidentin der Deutschen Seemannsmission.

Der Arzt und der Psychologe sind an der Forschungseinrichtung zur Gesundheit von Seeleuten tätig. Gemeinsam entwickelten sie wissenschaftliche Methoden zur Erfassung psychischer Gefährdungen an Bord: »Seeleute leben in einem geschlossenen sozialen System an Bord, es gibt keinen Unterschied von Arbeits- und Wohnort, die soziale Kommunikation beschränkt sich auf die Crew in einem hierarchischen System; gerade in Stresssituationen brauchen Seeleute den Ausgleich durch Kommunikationspartner außerhalb des ›Systems Schiff‹«, so die beiden Preisträger.

Psychische Krisen an Bord müssen genauso ernst genommen werden, wie körperliche Krankheiten. Crews mit gestressten, übermüdeten oder depressiven Seeleuten sind in Krisensituationen fehleranfällig. Oft bleibe Medizinern keine andere Möglichkeit, als Seeleute »unfit for duty« nach Hause zu senden; hier seien Vorbeugung und Hilfsangebote gefragt, auch um im schlimmsten Fall Suizide zu verhindern, sagte der Laudator Rob Verbist aus Antwerpen, Präsident der International Maritime Health Association. »Die Angst fahre immer mit«, so Seemannsdiakon Dirk Obermann, Stabsstelle für die Psychosoziale Notfallversorgung der Deutschen Seemannsmission fest, deshalb biete die DSM Hilfe bei traumatisierenden Ereignissen wie Bränden, Kollisionen, Schiffsverlust, aber auch bei schweren Verletzungen, Person über Bord, Todesfällen und Suiziden an Bord. Besonders belastend seien Piratenüberfälle und Flüchtlingsrettungen.

Risiko für Trauma hoch

In der großen Forschungsstudie des Instituts, der »Hamburg Seafarer Study«, gaben 36% der Seeleute an, Havarien und schweren Unfällen erlebt zu haben, 17% erlebten Bedrohung durch Piraterie. Das Risiko, im Laufe des seemännischen Berufslebens traumatisiert zu werden, kann laut Oldenburg und Jensen daher als hoch eingeschätzt werden. Sie betonen, dass eine psychosoziale Notfallversorgung nach einem potenziell traumatischen Ereignis eingehende Kenntnisse über die Arbeits- und Lebenssituation in einer multikulturellen und mehrsprachigen Besatzung der Betroffenen erfordere.

In ihrer 2019 im Journal of Occupational Medicine and Toxicology veröffentlichten Studie zur Rolle von Sozialeinrichtungen in Häfen »Maritime welfare facilities – utilization and relevance for the compensation of shipboard stress« stellten Oldenburg und Jensen fest, dass die Seemannsclubs wichtige und wirksame Erholungsorte für Seeleute sind, diese aber wegen der kurzen Hafenliegezeiten, der hohen Arbeitsbelastung in den Häfen oder aufgrund fehlender Informationen über die Wohlfahrtseinrichtungen und Transportmöglichkeiten, teilweise nicht in Anspruch genommen werden.

»Es ist ein Skandal, dass Seeleute in den weltweiten Häfen kaum Möglichkeit zum Landgang haben, das ist ein klarer Bruch internationaler Konventionen. In unseren Einrichtungen der Seemannsmissionen erleben wir, dass die Seeleute häufig als Risiko für Krankheitsverschleppung gesehen werden und dass ihre Bedürfnisse keine Rolle spielen; Seeleute sind die stummen Opfer der Coronakrise, wir dagegen tun alles, um ihre Lage zu verbessern«, so Clara Schlaich, Präsidentin der Deutschen Seemannsmission.