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Dass die klimaneutrale Schifffahrt keine Zukunftsmusik, sondern schon heute technisch möglich ist, hat MAN Energy Solutions vor Kurzem im Brunsbüttler Elbehafen unter Beweis gestellt. Dort wurde die »Elbblue« als weltweit erstes Containerschiff mit SNG bebunkert.[ds_preview]

Die Abkürzung SNG steht für Synthetic Natural Gas – es ist ein synthet[ds_preview]isches Erdgas, das im Falle der »Elbblue« zu 100 % aus erneuerbaren Quellen gewonnen wurde. Als erstes kommerzielles Schiff weltweit hat die »Elbblue« 20 t des »grünen« synthetischen Kraftstoffs gebunkert. Dass dieses Ereignis ein besonderes war, verdeutlichten allein die zahlreichen Gäste, die nach Brunsbüttel kamen und dem Bunkervorgang beizuwohnen. Dazu zählten unter anderem Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht sowie der maritime Koordinator der Bundesregierung, Norbert Brackmann. Brunsbüttel-Ports-Chef Frank Schnabel begrüßte die teils internationale Gästeschar im Elbehafen.

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2017 wurde der seinerzeit als »Wes Amelie« fahrende Feeder vom Schweröl- auf Erdgasantrieb umgerüstet (© Wroblewski)

Er bedankte sich bei MAN Energy Solutions, dafür, dass das Unternehmen Brunsbüttel für diesen Bunkervorgang gewählt hat: »Sie sind ein sehr guter Partner für uns«, so Schnabel. Der Hafenchef wies darauf hin, dass man in Brunsbüttel bereits seit zehn Jahren Erfahrung mit LNG habe. Das Besondere an dem schleswig-holsteinischen Hafenstandort sei, dass keine speziellen Genehmigungen für den LNG-Bunkervorgang notwendig sind. Laut Hafenbenutzungsordnung könne in Brunsbüttel Erdgas »einfach« gebunkert werden, so Schnabel. In seinem Grußwort hob der Maritime Koordinator Norbert Brackmann den Stellenwert des Kampfs gegen den Klimawandel hervor, dieser habe »oberste Priorität«, so der Koordinator, der alle Stakeholder aufforderte, in die »gleiche Richtung zu ziehen«.

SNG aus Werlte

Das verflüssigte SNG wurde in einer Power-to-Gas-Anlage der Kiwi AG in Werlte hergestellt und zu 100 % aus erneuerbarer Energie gewonnen. Synthetisches Erdgas (SNG) ist ein weit gefasster Begriff, der Brenngase bezeichnet, die mit Hilfe verschiedener Techniken aus anderen Energiequellen erzeugt werden. SNG kann aus Kohle oder Biomasse hergestellt werden, aber auch mit Hilfe von Power-to-Gas-Technologie. Für einen leichteren Transport wird das Gas in der Regel verflüssigt.

Je nach Ausgangsbrennstoff kann SNG ein kohlenstoffarmer oder kohlenstofffreier Ersatz für fossile Brennstoffe sein. Aufgrund seiner Zusammensetzung kann es in allen Anwendungen mit Erdgas gemischt und austauschbar verwendet werden.

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20 t synthetischen Kraftstoff nahm die »Elbblue« in Brunsbüttel auf (© Wroblewski)

Das SNG, mit dem die »Elbblue« bebunkert wurde, entstand in der Power-to-Gas-Methode. Dabei wurde Strom aus erneuerbaren Quellen benutzt, um eine Elektrolyseeinheit zu betreiben, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Die Methanisierung erfolgte dann in einem Reaktor nach Zugabe von Kohlendioxid. Wie MAN anlässlich des Bunkervorgangs mitteilte, hängen die Umweltauswirkungen von SNG von zwei Hauptfaktoren ab: dem Ausgangsmaterial, das zur Herstellung des synthetischen Gases verwendet wird, und dem Kraftstoff, der in der Endanwendung durch das Gas ersetzt wird. Durch die Umwandlung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in SNG werde der Vorteil der kohlenstoffneutralen Energie auf den Schifffahrtssektor übertragen. Durch den Ersatz fossiler Brennstoffe durch SNG aus einem Power-to-Gas-Reaktor und Kohlenstoffabscheidung könnten 100 % der Emissionen entlang der Wertschöpfungskette eingespart werden. »Unsere e-Gas- Anlage war die weltweit erste Multi-Megawatt-Anlage zur Erzeugung von synthetischem Erdgas aus CO2 und erneuerbarem Strom«, sagte Hermann Pengg-Buehrlen, CEO der Kiwi AG, anlässlich des Bunkervorgangs, »Unsere 2021 in Betrieb genommene Verflüssigungsanlage wurde speziell für die Verflüssigung von SNG konzipiert. Wir sind sehr stolz darauf, das weltweit erste SNG in der Schifffahrt an MAN zu liefern.«

Bei der Verbrennung von LNG können kleine Mengen Methan in die Atmosphäre entweichen, die in der Summe ein beträchtliches Volumen erreichen und dort um ein Vielfaches klimaschädlicher sind als Kohlendioxid. MAN hat sich mit diesem Problem bereits beschäftigt und bietet technische Lösungen an. Bei Zweitaktmotoren konnte der Hersteller diesen auf 0,2 g pro kWh reduzieren. Bei den Viertaktmotoren sei der Methanschlupf in den letzten Jahren kontinuierlich reduziert worden. Moderne Modelle würden 50 % weniger Methan ausstoßen als noch vor zehn Jahren. Die technische Abteilung verfolge mit Nachdruck verschiedene Ansätze, um den Methanschlupf von Viertakt-Gasmotoren in den nächsten Jahren weiter zu reduzieren, so MAN.

Als »Wes Amelie« bekannt

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v.l.: Schleswig-Holsteins Umweltminister Albrecht, MAN Energy Solutions CEO Uwe Lauber und der Maritime Koordinator Norbert Brackmann (© Wroblewski)

Noch bis vor wenigen Jahren war die »Elbblue« unter dem Namen »Wes Amelie« für Wessels Marine im Einsatz. 2017 machte der Feeder mit der weltweit ersten Umrüstung seiner Motoren auf den Gasbetrieb Schlagzeilen. Dafür wurde die ursprüngliche, mit Schweröl betriebene MAN 8L48/60B-Hauptmaschine auf das aktuelle MAN 51/60DF- Viertakt-Aggregat umgerüstet. Als Mehrstoffmotor ermöglicht dieser seither zusätzlich den Einsatz von flüssigem Erdgas (LNG) als Kraftstoff und die Umrüstung führte bereits zu einer erheblichen Senkung der Emissionen aus dem Betrieb des Schiffs.

Die »Elbblue« gehört heute der Reederei Elbdeich und befährt, betrieben vom Charterer Unifeeder, die Nord- und Ostsee. Anfang dieses Jahres ging sie an Elbdeich über, nachdem die Eigentumsgesellschaft der »Wes Amelie« Insolvenz angemeldet hat.

Nach dem Festakt in Brunsbüttel setzte das Schiff seine Reise nach St. Petersburg fort. Die aufgenommene Menge SNG sollte die direkten CO2-Emissionen des Schiffes auf seiner Rundreise um rund 56 t reduzieren. Mit an Bord waren Ingenieure von MAN PrimeServ, dem After-Sales-Service von MAN Energy Solutions, um diverse Messungen und Untersuchungen am Antriebssystem durchzuführen.    (AW)