Weitreichende wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland infolge einer möglichen Invasion der Ukraine dürften zu massiven Marktturbulenzen in der Schifffahrt führen.[ds_preview]
Makler und Analysten warnen vor einem drastischen Anstieg der Öl- und Bunkerpreise sowie einer Störung der Ladungsströme im Öl- und Trockenfrachtsektor.
Die Investmentbank JPMorgan rechnet nahezu mit einer Verdoppelung der Rohölpreise auf 150 $/Barrel, sollten die russischen Rohölexporte aufgrund von Sanktionen des Westens ausfallen. Die Brennstoffpreise für die Schifffahrt (VLSFO, HFO, MGO) dürften ebenso anziehen und würden in einem solchen Szenario in bislang ungeahnte Höhen vorstoßen. Infolge des Höhenflugs der Rohölpreise seit Mitte Dezember zeigt der Preistrend bereits steil nach oben. Schwefelarmes Bunkeröl (VLSFO) notierte in Rotterdam gestern bei 614 $/t, das sind knapp 18% mehr als vor einem Monat. Vor einem Jahr kostete der Treibstoff noch rund ein Drittel weniger. Eine Verteuerung auf über 1.000 $/t würde sich deutlich auf die Frachtraten in der Schifffahrt auswirken und womöglich bestimmte Verkehre abwürgen.
Die Effekte eines Embargos russischer Öl- und Produktenlieferungen auf die Tankermärkte wären nach Einschätzung des Schiffsmaklers Affinity ebenfalls gewaltig. Da die EU-Staaten neue Lieferanten in Übersee finden müssten, um die Ausfälle zu kompensieren, könnten die auf langen Strecken besonders wirtschaftlichen Supertanker der VLCC-Klasse einen deutlichen Aufschwung der Charternachfrage verzeichnen, so Affinity. Vor allem die Länder am Persischen Golf dürften dann als Ersatzlieferanten gefragt sein. Auf erhebliche Ausfälle müssten sich möglicherweise Aframax- und Suezmax-Carrier einstellen, weil sie kaum mehr russisches Öl in der Ostsee und dem Schwarzen Meer laden könnten.
Für die Dry-Bulk-Schifffahrt stehen riesige Weizenverschiffungen ex Schwarzem Meer auf dem Spiel. Bis zu 59 Mio. t Exportware könnten wegfallen, wenn sowohl russischer als auch ukrainischer Weizen vom Weltmarkt abgeschnitten würden, warnt Carlos Mera, Commodity-Analyst der niederländischen Rabobank. Bei den Hauptabnehmerländern dafür handelt es sich um die Türkei, die Golfstaaten und Nordafrika. Schiffsklassen, die besonders betroffen wären: Supramax- und Handysize-Bulker sowie Mini-Bulker im europäischen Shortsea-Trade. (mph)