Die Hamburger Speditionen beklagen einen aggressiven Verdrängungswettbewerb durch die Linienreedereien. Außerdem macht den Dienstleistern die angespannte Lage in den Hafen-Terminals zu schaffen.[ds_preview]

Kleine und mittelständischen Seehafenspeditionen kommen am Markt immer stärker unter Druck, weil Linienreedereien sie aus dem Geschäft drängen und direkt an ihre Kunden rangehen. In der Branche herrsche inzwischen der Eindruck, dass die Reeder »Krieg gegen die Spediteure« führen. So beschrieb der stellvertretende Vorsitzer des Vereins Hamburger Spediteure (VHSp), Willem van der Schalk, die Lage heute auf der Jahreshauptversammlung des Vereins.

Der nach Darstellung des Vereins seit Monaten währende Boykott von speditionellem Seefrachtgeschäft durch die Maersk-Tochtergesellschaft Hamburg Süd sei nur die »Spitze des Eisbergs«. Van der Schalk: »Bei allen anderen Carriern gibt es die gleiche Tendenz. Größere Kunden sollen nur noch von eigenen Mitarbeitern abgewickelt werden.«

Vielen Seefrachtspeditionen seien dazu laufende Kapazitäts- und Ratenvereinbarungen, die sie für ihre eigenen Kunden benötigen, durch die Reedereien gekündigt worden. Inzwischen sei der Marktanteil der Speditionen am gesamten Seefrachtgeschäft merklich gesunken. Zwei Drittel seien es bei der in Hamburg umgeschlagenen Ladung mal gewesen, jetzt gehe die Tendenz zu einem Drittel. Längerfristig könnte es sich bei rund 50:50 einpendeln, schätzt van der Schalk.

Entscheidendes Kriterium dabei ist, wer dem Kunden die Seefracht verkauft und ihre Abwicklung inklusive Dokumentation koordiniert. »Anders als früher werden wir von den Reedereien nicht mehr als verlängerter Verkaufsarm wahrgenommen«, konstatiert van der Schalk, der die Spedition a.hartrodt im VHSp vertritt. Er rechnet damit, dass die Linien erst ab Ende 2023 wieder mehr Kapazität für Speditionen bereitstellen – aus der Not heraus, weil sie dann aufgrund der stark steigenden Neubauablieferungen wieder vermehrt auf Drittgeschäft angewiesen seien.

Probleme bereiten den Logistikern und ihren Kunden außerdem die verschärften Platz- und Abfertigungsengpässe in den Terminals, allen voran im Hafen Hamburg. Wegen des Mangels an Stellplätzen seien die Zeitfenster für die Anlieferung von Exportcontainern auf immer weniger Stunden vor der Schiffsabfahrt verkürzt worden. Dabei seien die Fahrpläne der Reedereien »komplett auseinandergefallen«, so dass sich die ohnehin kleinen Anlieferfenster durch die Schiffsverspätungen ständig verändern, kritisierte VHSp-Vorsitzer Axel Plaß. »Das größte Problem ist, dass nichts mehr planbar ist.«

Nach dem Lkw werde inzwischen auch der Bahntransfer der Container massiv eingeschränkt. Züge dürften in Hamburg nur noch mit Exportcontainern in die Terminals, wenn sie auch die gleiche Anzahl Importcontainer wieder mit rausnehmen, so Plaß. »Das macht es gerade den kleineren Bahnoperateuren sehr schwer.« Das Resultat sei absurd: Dadurch würden Bahnverkehre zurück auf die schon überlasteten Straßen verdrängt. (mph)