Martin Kröger (l.), VDR-Hauptgeschäftsführer, und Simon Rosenkranz, Hamburger Hafenkapitän, gaben in ihren Reden viele Denkanstöße © Jens meyer
Print Friendly, PDF & Email

Die Schifffahrt sieht den Standort Deutschland gut aufgestellt – aber auch vor großen Herausforderungen. Unternehmerische Initiative, politischer Mut und Kreativität seien gefragt, hieß es beim diesjährigen Schifffahrts-Essen des Nautischen Vereins zu Hamburg. Von Jens Meyer[ds_preview]

Ob die politischen und wirtschaftlichen Herausforde[ds_preview]rungen, denen deutsche Reedereien derzeit und in den kommenden Jahren begegnen, als Chance für die Seeverkehrswirtschaft genutzt werden, hängt letztendlich von uns selbst ab, von unternehmerischen Initiativen, aber insbesondere auch von wirtschaftlichen Weichenstellungen in der deutschen und europäischen Politik«, betonte Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder, vor den rund 390 Gästen des traditionellen Schifffahrts-Essen des Nautischen Verein zu Hamburg, das nach fast zweieinhalbjähriger pandemiebedingter Pause am 14. Februar im Hotel »Grand Elysee« stattfand.

Souveränität und Selbstbestimmung

In seiner wegen ihres Faktenreichtums und der daraus resultierenden Schlussfolgerungen mit großem Beifall bedachten Festrede wies Kröger unter anderem darauf hin, dass viele erst in der Hochphase der zweijährigen Pandemie und dann folgend in den letzten Monaten des Krieges in der Ukraine oder durch die Virus-Attacke auf das Computersystem einer der weltgrößten Containerschiff-Reedereien sowie die durch wochenlange Hafenschließungen zum Beispiel in China verursachten Containerschiffsstaus die Verletzlichkeit der Schifffahrt, des wichtigsten Transportmittels in der Lieferkette, bemerkt und erkannt hätten. Vielen sei erst da klar geworden, warum Schifffahrt für Deutschland eigentlich wichtig ist, und dass es dem eigenen Interesse diene, einen starken, wettbewerbsfähigen und erfolgreichen Schifffahrtsstandort im eigenen Land zu wissen. »Denn Schifffahrt schafft Sicherheit. Versorgungssicherheit. Die Sicherheit, einen Zugang zur See zu haben und am Welthandel teilzunehmen. Die Sicherheit Energie importieren zu können. Die Sicherheit der Eigenständigkeit der Wirtschaft und der Auflösung von Abhängigkeiten von Einzelinteressen oder einzelnen Staaten. Schifffahrt bietet Souveränität und Selbstbestimmung«, so Kröger. Er wies darauf hin, dass sich unter den seit dem Kriegsausbruch in ukrainischen Häfen festliegenden 86 Schiffen auch drei Schiffe unter deutscher Bereederung befinden, deren Besatzungen zum Teil unter »abenteuerlichen Bedingungen« in Sicherheit gebracht werden konnten. Trotz wiederholten Appellen rechne er nicht mit einem kurzfristigen Freikommen der Schiffe.

Mit der Rückkehr des Krieges nach Europa werde der strategische Kompass und damit der sicherheitspolitische Kurs und die Einbettung der Schifffahrt darin neu bestimmt. In der EU müssten nicht nur die militärische und seegestützte Handlungsfähigkeit und Bereitschaft erhöht, sondern die gesamte Resilienz gestärkt werden. Das beinhalte insbesondere widerstandsfähige Transportwege und Transportträger, also eine resiliente deutsche Handelsflotte sowie einen widerstandsfähigen Schifffahrtstandort Deutschland, was unter anderem auch den Zugang zur digitalen Sphäre an der Schnittstelle zwischen Land und See einschließe.

Krise erst einmal abgehakt

Auch wenn der Schifffahrtsstandort Deutschland während der zehnjährigen Zeit der Schifffahrtskrise 1.700 Schiffe – vorwiegend mittelständischer Reedereien – verloren habe, sei in den vergangen beiden Jahren endlich wieder Stabilität in die Schifffahrtsmärkte zurückgekehrt, mit guten Ertragsaussichten vor allem in der Container-, Bulk- und Stückgutfahrt. So könne man die Krise, auch vor dem Hintergrund eines derzeit gesunden Wachstums und zahlreicher Projekte, wohl erst einmal als abgehakt ansehen. Nach wie vor sei Deutschland mit seinen 1.900 Schiffen eine der wichtigsten Schifffahrtsnationen der Welt und ein wettbewerbsfähiger Schifffahrtsstandort, von dem aus mit etwa 700 Containerschiffen unter anderem die zweitgrößte Containerschiffsflotte der Welt bereedert wird und in dem rund 70 % aller Zeitcharterverträge für Containerschiffe geschlossen werden. Allerdings dürften ein bis zwei gute Jahre nach Ansicht Krögers nicht reichen, um die Herausforderungen zu meistern, vor denen die deutsche Handelsflotte steht. Zu den größten Investitionsnotwendigkeiten gehöre die Umsetzung der Transformation der Schifffahrt zu einem klimaneutralen Verkehrsträger innerhalb der nächsten 30 Jahre. Um das Ziel zu erreichen, brauche man eine Revolution bei den Treibstoffen. Kröger sieht in E-Fuels, die im sogenannten Power-to-Liquid-Verfahren CO2-neutral hergestellt werden, auch im Interesse einer schnellen Markteinführung das Mittel der Wahl, weil dafür die bestehende Bunkerinfrastruktur genutzt werden kann und sie überwiegend auch in den heutigen Schiffsmotoren funktionieren. Angesichts der benötigten Mengen, der Verfügbarkeit und des Preises werde es aber ohne staatliche Unterstützung schwierig.

Die Schifffahrt sei sich ihrer Verantwortung bewusst und wolle ihren Beitrag zu einem klimaneutralen Schiffsverkehr leisten, könne die Aufgabe aber nicht allein stemmen. Die Branche stoße bei der als »vierte Revolution« nach dem Segel-, Kohle- und Schweröl- oder Dieselantrieb anzusehenden Dekarbonisierung an ihre Grenzen. Deshalb müssten alle Beteiligten – Politik, Mineralölbranche, Motorenhersteller, Forschung und Häfen – mit an Bord sein, so Kröger. Ziel der deutschen Schifffahrtspolitik müsse es dabei sein, im nationalen, europäischen und internationalen Kontext dafür zu sorgen, dass die Schifffahrt von Deutschland aus nicht nur möglich bleibt, sondern ihre weltweite Spitzenposition und maritime Souveränität gesichert ist. Das setzte nicht nur unbefangenes Denken und unternehmerische Initiative, sondern insbesondere politischen Mut und Kreativität voraus.

Ehrungen für Altgediente und Nachwuchs

111 5234a
Christian Suhr (l.), Vorsitzender NVzH und DNV, überreichte dem ehemaligen BSH-Präsidenten Peter Ehlers die DNV-Ehrenurkunde © Jens Meyer

Der Vorsitzende des Nautischen Vereins zu Hamburg, Christian Suhr, zugleich Vorsitzender des Dachverbandes Deutscher Nautischer Verein (DNV), nutzte die Gelegenheit, auf den diesjährigen 36. Schifffahrtstag hinzuweisen, den der DNV in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt und dem Deutschen Marinebund unter dem Motto »Nachhaltige Schifffahrt: gemeinsam, klar, sauber!« unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier vom 29. September bis 2. Oktober in Bremen und Bremerhaven veranstaltet. Zu der in diesem Rahmen am 30. September 2022 stattfindenden Schiffs-und Bootsparade von Bremen nach Bremerhaven, an der neben zahlreichen bekannten Schiffen auch der Dampfeisbrecher »Stettin« aus Hamburg teilnehmen wird, wünschte er sich auch eine Beteiligung des Hamburger Museumsfrachters »Cap San Diego« den man als den »Weißen Schwan des Atlantiks« als Botschafter der Hansestadt Hamburg zum DST 2022 eingeladen habe.

In seiner Funktion als DNV-Vorsitzender konnte Suhr auch die aus Pandemie-Gründen physisch nicht erfolgte Übergabe einer DNV-Ehrenurkunde an den langjährigen ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und engagierten Meeresschützer Peter Ehlers nachholen, der auch Mitglied des erweiterten NVzH-Vorstands ist. Ehlers, der von 2005 bis 2011 Mitglied im DNV-Vorstand, von 2008 bis 2011 dessen Vorsitzender war und danach bis 2019 als Vorsitzender des Beirats fungierte, war aufgrund seiner besonderen und langjährigen Verdienste für den DNV zu dessen Ehrenmitglied ernannt worden.

111 5246a
Jannik Görz (m.) wurde für seine Ausbildungsnote geehrt. Für Pauline Bosse nahm Hapag-Lloyd-Flottenchef Richard von Berlepsch (r.) den Preis von Christian Suhr (l.) entgegen © Jens Meyer

Auch in diesem Jahr wurden die beiden jeweils Jahrgangsbesten der Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann beziehungsweise Schifffahrtskauffrau der Berufsschule Berliner Tor mit dem Förderpreis des NVzH ausgezeichnet. Wie Suhr bei der Übergabe der aus einer Urkunde und einer finanziellen Anerkennung bestehenden Preises betonte, ist die duale Ausbildung – im Gegensatz zur seemännischen Ausbildung – in Deutschland nach wie vor ein Erfolgskonzept, weil sie zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Schifffahrt eröffnet. Preisträger waren in diesem Jahr Jannik Görz im Bereich Tramp und Fenna Pauline Bosse im Bereich Linie, die beide die Gesamtnote 1 in der Handelskammerprüfung erreichten. Görz durchlief seine Ausbildung bei der Reederei Peter Döhle und ist jetzt bei Ernst Russ Shipbrokers angestellt. Frau Bosse wurde bei Hapag-Lloyd ausgebildet, wo sie heute im Bereich Trade Management Atlantic tätig ist. Da sie an diesem Abend nicht anwesend sein konnte, wurde ihr Preis stellvertretend an HL-Flottenchef Richard von Berlepsch übergeben.

Robuste Häfen gefragt

Der seit 1. Juni 2022 in seinem neuen Amt als Hamburger Hafenkapitän tätige Simon Rosenkranz machte in seiner Rede die Vielfältigkeit der Verantwortlichkeiten seines Jobs deutlich. Dabei ging der 1978 in der Pfalz geborene und seit 2018 – zuletzt als stellvertretender Hafenkapitän – für die Hamburg Port Authority (HPA) tätige Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr mit Kapitänspatent und Master-Abschluss in Wirtschaftsrecht auch auf die aktuellen Herausforderungen des ungebremsten Schiffsgrößenwachstums, Maßnahmen in Zusammenhang mit dem Klimawandel, Sedimentgeschehen, städtebauliche Begehrlichkeiten und Veränderungen des ordnungspolitischen Rahmens sowie Covid-19-Maßnahmen ein, zu denen noch die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine kommen. Nach seiner Einschätzung werden diese Herausforderungen zwangsläufig zu Veränderungen führen müssen und die daraus resultierende notwendige Transformation auch zu mehr Nachhaltigkeit, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit einleiten. Wichtig sei, nicht nur eine breite Anerkennung und Unterstützung für den Hamburger Hafen zu erfahren, wie sie bei unseren europäischen Nachbarn in der Vergangenheit ausgeprägter sei, sondern auch die fast in Vergessenheit geratene Funktion unserer Häfen für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Waren, Gütern und Energie, die in den letzten Wochen doch etwas ins Wanken geratenen sei. Die Antwort könne nur der Erhalt und die Schaffung robuster Häfen sein, um Abhängigkeiten zu mindern und einen wesentlichen Beitrag zur Autarkie und letztlich zur Freiheit Europas zu leisten und »nicht nur das Ende einer Pipeline« zu sein. Dass die Häfen ihre verdiente Rolle zurückerhalten sei »alternativlos« – nicht nur für uns heute, sondern auch für zukünftige Generationen, so Rosenkranz. ?

Christian Suhr (l.), Vorsitzender NVzH und DNV, überreichte dem ehemaligen BSH-Präsidenten Peter Ehlers die DNV-Ehrenurkunde

Jannik Görz (l.) wurde für seine Ausbildungsnote geehrt. Für Pauline Bosse nahm Hapag-Lloyd-Flottenchef Richard von Berlepsch den Preis entgegen

Martin Kröger (l.), VDR-Hauptgeschäftsführer, und Simon Rosenkranz, Hamburger Hafenkapitän, gaben in ihren Reden viele Denkanstöße

© Jens Meyer