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In Mecklenburg-Vorpommern und Bremerhaven geht eine kurze Ära zu Ende. Die MV Werften und die Lloyd Werft bekommen mit neuen Eignern neue Perspektiven. Mit dem Standort Rostock wurde nun für den letzten Teil der Gruppe eine Lösung gefunden

Um den Rückblick kurz zu machen: Aker Yards, Wadan Yards, P+S Werften, Nordic Yards – in unte[ds_preview]rschiedlichen Konstellationen waren die Volkswerft Stralsund sowie die Werften in Rostock-Warnemünde, Wismar oder Wolgast auf unterschiedliche Weise mal miteinander verbunden und mal »solo« unterwegs. Von großem Erfolg waren die großen Anstrengungen nicht immer gekrönt. 2016 kam der asiatische Genting-Konzern und übernahm die Werften in Rostock, Wismar und Stralsund. Im boomenden Kreuzfahrtmarkt war man auf der Suche nach einer Werft, um dort für konzerneigene Reedereien Schiffe bauen zu lassen.

Die jüngste Geschichte ist mittlerweile hinlänglich bekannt: Anfänglich lief es auch gut, doch dann machte die Corona-Pandemie den Verantwortlichen einen Strich durch die Rechnung. Die MV-Werftengruppe meldete Anfang Januar Insolvenz an, nachdem der Mutterkonzern Genting in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und die erhoffte Landes- und Bundeshilfen ausgeblieben waren. Es folgten viele Verhandlungen. Die Politik schaltete sich mehrfach ein und konnte tatsächlich auch mehrfach helfen.

Zwar ist noch nicht im Detail klar, von welchen Größenordnungen man künftig in puncto Arbeitsplätze sprechen wird. Viele konkrete neue Aufträge sind noch nicht zu verzeichnen. Das war in diesem relativ kurzen Zeitraum aber auch nicht unbedingt zu erwarten. Dafür wurde mittlerweile für alle Standorte eine neue Perspektive gefunden – mancher Marktbeobachter hatte deutlich schlechtere Szenarien erwartet, daher können die jüngsten Entwicklungen durchaus als Erfolg gewertet werden. Wir geben einen aktuellen Überblick:

  • Der Bund übernimmt den Standort Rostock. Ein entsprechender Kaufvertrag ist zwischen der Insolvenzverwaltung und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) geschlossen worden, die den Standort anschließend an die Marine verpachtet. Über die Kaufsumme ist bislang nichts bekannt. In Rostock-Warnemünde sollen zusätzlichen Kapazitäten zum Reparieren und Instandhalten entstehen: ein Marinearsenal für die Wartung und Reparatur von Marineschiffen, vor allem für die wachsende Flotte von Korvetten, deren Heimathafen Rostock ist. Die Werft verfügt unter anderem über ein ausreichend großes Trockendock für große Überwasserschiffe. »Die internationale Sicherheitslage bedeutet einen wachsenden Bedarf an außerplanmäßigen Reparaturen und turnusmäßigen Wartungen bei der Marine. Rund 500 sichere Arbeitsplätze könnten im Herbst am Standort geschaffen werden«, sagte Landeswirtschaftsminister Reinhard Meyer. Der Bund hatte sich in einem Bieterverfahren durchgesetzt. Meyer zeigte sich erfreut darüber, dass an allen drei Werftstandorten Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt werden: »In den vergangenen Monaten haben Bund, Land und Insolvenzverwaltung für die Werftstandorte Stralsund, Rostock und Wismar Lösungen erarbeitet und auch gefunden. Dies wäre ohne die kommunale Unterstützung, die Wirtschaftskammern, Gewerkschaften und die heimische Wirtschaft kaum umsetzbar gewesen.« Gleichzeitig gebe es noch eine Menge Hausaufgaben zu erledigen. Die Wirtschaft sei energiehungrig. Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass man weiter nach Lösungen suchen müsse, um innovative Energievorhaben im Land voranzubringen.
  • Der Schiffbaukonzern Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) übernimmt den Standort Wismar. TKMS könnte im Laufe des Jahres 2024 U-Boote in Wismar fertigen, so der Insolvenzverwalter Christoph Morgen. Maßgeblich hierfür sei eine Beauftragung weiterer U-Boote durch den Bund und daraus folgende Investitionen in die Ertüchtigung der Werft. Die Dimension des Engagements von TKMS richtet sich nach dem Maß der Beauftragung: »Je mehr Aufträge, desto mehr Arbeitsplätze.« Bei einem Hochlauf der Produktion im Laufe des Jahres 2024 könnten rund 800 Mitarbeitende eingestellt werden. Bei zusätzlichem Auftragseingang im Überwasserbereich könnte sich diese Zahl auf über 1.500 Mitarbeitende am Standort Wismar erhöhen. Der Entscheidung war ein mehrmonatiger Investorenprozess vorausgegangen. Morgen sieht darin »das beste Ergebnis für die Insolvenzgläubiger«. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Neben den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur ist auch eine Weiterqualifizierung der Mitarbeitenden notwendig. Deren Einstellung wird bei entsprechender Auftragslage vorrangig aus einer Transfergesellschaft stattfinden, die für die ehemaligen Beschäftigten der MV Werften eingerichtet wurde.
  • Das auf Hightech-Kunststoffe spezialisierte Unternehmen Eppendorf hat Grundstück und Gebäude der ehemaligen Kabinenfertigung in Wismar (MV Werften Fertigmodule Property GmbH) erworben. Die Gruppe will in Mecklenburg-Vorpommern ein neues Werk für hochwertige Laborverbrauchsmaterialien aus funktionellen Hightech-Kunststoffen bauen. Das Gelände umfasst mehr als 20.000 m². Der Produktionsstart ist für Ende dieses Jahr geplant. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.
  • Am ehemaligen Standort Stralsund entsteht ein maritimer Gewerbepark. Das Werftgelände hatte die Stadt gekauft. Pachtverträge wurden mit Fosen Yards aus Norwegen, deren deutsche Tochter Fosen Yards Emden kürzlich ebenfalls in die Insolvenz rutschte, und dem Schiffbau-Unternehmen Ostseestaal unterzeichnet. Fosen pachtet große Flächen der Kompaktwerft und auch die große Schiffbauhalle, darüber hinaus Büros und Freiflächen. Auf einer Fläche von 7,8 ha werden bald wieder Schiffe gebaut, umgerüstet und repariert, heißt es in einer Mitteilung. Bei den Projekten sollen umweltfreundliche Technologien im Fokus stehen. Mit dem Schiffbau-Unternehmen Ostseestaal hatte die Stadt den ersten Pachtvertrag für die ehemalige MV-Werft unterzeichnet, die künftig wieder Volkswerft heißen soll. Oberbürgermeister Alexander Badrow hat das Ziel ausgegeben, »mindestens 1.000 Arbeitsplätze« für den neuen maritimen Gewerbepark auf der Volkswerft zu schaffen. Bert Doldersum, Geschäftsführer der Ostseestaal GmbH, erklärte: »Die Flexibilität eines Technologieparks – im Vergleich zu einer klassischen Werft – passt perfekt zu Ostseestaal.« Mit der neuen Halle würden nicht nur die Produktpalette, zum Beispiel um Zulieferteile für den Yachtbau, sondern auch die Betriebsfläche um 30–40 % erweitert.
  • Die Schiffbauunternehmen Fassmer und Meyer Werft übernehmen gemeinsam das Rostocker Ingenieurbüro Neptun Ship Design. Das renommierte Ingenieurbüro mit rund 100 Mitarbeitern, mehr als 30 Jahren Erfahrung und Kunden auf der ganzen Welt soll weiterhin eigenständig und in der bisherigen Struktur operieren. Zur Stärkung des Ingenieurbüros sollen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Es war Anfang 2019 von den MV Werften übernommen worden. Meyer und Fassmer wollen mit der Übernahme ihre Ausrichtung auf Entwicklung und Bau hochkomplexer Spezialschiffe stärken.
  • Die ebenfalls von Genting übernommene Bremerhavener Lloyd Werft hatte in ein einem Konsortium der Unternehmen Zech und Rönner einen neuen Eigner gefunden. Die beiden aus Bremen und Bremerhaven stammenden Unternehmen hatten zuerst getrennte Angebote abgegeben. Danach hatten sich Thorsten Rönner und Kurt Zech verbündet und den arabischen Interessenten Al Seer Marine aus dem Feld geschlagen. Der Kaufpreis soll zwischen 20 und 30 Mio. € gelegen haben. Al Seer wollte in Bremerhaven Yachten bauen, warten und reparieren. Die neuen Eigentümer werden dagegen nur einen Teil des Geländes weiter für den Schiffbau nutzen, zum Beispiel für Reparaturen von Kreuzfahrtschiffen. Dabei soll eng mit der zu Rönner gehörenden Bredo-Werft zusammengearbeitet werden. Dass noch einmal eine Yacht wie die »Solaris« gebaut wird, gilt als unwahrscheinlich. Im nördlichen, weitestgehend ungenutzten Teil des Geländes rund um die Kaiserdocks I bis III sollen andere Gewerke in einer Art maritimen Industriepark angesiedelt werden, auch, um Auftragslücken vornehmlich mit Stahlbauaufträgen unter anderem für andere Unternehmen aus der Zech-Gruppe zu füllen. MM

Abstract: New hope(s) for shipyard group MV Werften

A short era is coming to an end in Mecklenburg-Vorpommern and Bremerhaven. MV Werften and Lloyd Werft are getting new perspectives with new owners. With the Rostock location, a solution has now been found for the last part of the group.