Die Folgen der Russland-Sanktionen für die maritime Wirtschaft

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Die jüngsten Russland-Sanktionen der Europäischen Union betreffen auch die Schifffahrt. Für die HANSA werfen Experten einen Blick auf politische Details, juristische Auswirkungen und Herausforderungen für die maritime Wirtschaft.[ds_preview]

Als Reaktion auf die anhaltende militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine hat die EU am 6. Oktober ein achtes Paket von Sanktionen verabschiedet. Der norwegische Versicherer Skuld hat in einem Rundschreiben zuletzt auf die veränderte Lage aufmerksam gemacht. Aus Brüssel wurde eine Reihe von Verordnungen und Beschlüssen veröffentlicht, aber von besonderer Bedeutung für Skuld selbst und die Schifffahrt sei die Verordnung 2022/1904 des Rates, mit der die Verordnung 2014/833 von vor acht Jahren weiter geändert wird. Neben der Verhängung eines Einfrierens von Vermögenswerten für eine Reihe neuer natürlicher und juristischer Personen enthält die Verordnung diverse für die Schifffahrt besonders relevante Bestimmungen.


Die EU-Sanktionen finden in folgenden Fällen Anwendung:

  • im Hoheitsgebiet der Union, einschließlich ihres Luftraums;
  • an Bord von Luftfahrzeugen oder Schiffen, die der Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaats unterstehen;
  • gegenüber jeder Person innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets der Union, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt;
  • gegenüber jeder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung innerhalb oder außerhalb des Hoheitsgebiets der Union, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurde;
  • gegenüber jeder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung in Bezug auf Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden.

Russisches Register (RMRS)

Das russische Seeschifffahrtsregister wurde in die Sanktionsliste der staatlichen russischen Einrichtungen aufgenommen. EU-Unternehmen ist es demnach untersagt, direkt oder indirekt Geschäfte mit dem RMRS zu tätigen. Allerdings gilt eine Übergangsfrist bis zum 8. Januar 2023, um die Ausführung von Verträgen, die vor dem 7. Oktober geschlossen wurden, oder von Nebenverträgen, die für die Ausführung dieser Verträge erforderlich sind, zu ermöglichen. Darüber hinaus dürfen vom russischen Seeschifffahrtsregister zertifizierte Schiffe nach dem 8. April 2023 keine EU-Häfen mehr anlaufen.

Eisen- und Stahlerzeugnisse

Die Liste der Eisen- und Stahlerzeugnisse, deren Beförderung in alle Länder, einschließlich Nicht-EU-Staaten, verboten ist, wurde erheblich erweitert. Außerdem wurden neue Beschränkungen hinzugefügt, die ab September 2023 die Einfuhr oder den Kauf von bestimmten Eisen- und Stahlerzeugnissen verbieten, die in einem Drittland verarbeitet wurden, aber Eisen und Stahl russischen Ursprungs enthalten.

»Alle diese Bestimmungen beinhalten ein Verbot für EU-Einrichtungen, die Versicherungs- und Rückversicherungsdienstleistungen erbringen«, heißt es seitens des Versicherers. Die Mitglieder werden daher darauf hingewiesen, dass möglicherweise kein Versicherungsschutz für die Ausübung dieser Tätigkeiten gewährt werden kann, selbst wenn ein Mitglied nicht direkt von der Verordnung betroffen ist (weil es beispielsweise außerhalb der EU ansässig ist).

Für bestimmte Eisen- und Stahlerzeugnisse gibt es zusätzliche Ausnahmen und Abweichungen. Auch die Listen der verbotenen Erzeugnisse, die Russland beträchtliche Einnahmen verschaffen (Artikel 3i), wie sie in den EU-Dokumenten (Anhang XXI) aufgeführt sind, und der Erzeugnisse, die zum Ausbau der industriellen Kapazitäten Russlands beitragen könnten (Artikel 3j, Anhang XXIII), wurden beide erheblich erweitert. Für bestimmte Waren gilt jedoch eine Auslauffrist bis zum 8. Januar 2023, damit die vor dem 7.  Oktober 2022 geschlossenen Verträge oder die für die Ausführung dieser Verträge erforderlichen Zusatzverträge erfüllt werden können.

Rohöl und Erdölerzeugnisse

In der jüngsten EU-Runde wurden außerdem »einige wichtige Klarstellungen« in Bezug auf die Beförderung von russischem Rohöl und Erdölerzeugnissen vorgenommen. Auch wird in der Verordnung dargelegt, wie die EU-Sanktionen mit dem geplanten G7-Preisdeckungsmechanismus zusammenwirken würden. Die Beförderung von russischem Rohöl und russischen Erdölerzeugnissen (die unter den KN-Code 2710 fallen) in die EU sowie die Bereitstellung von (Rück-)Versicherungen im Zusammenhang mit der Beförderung solcher Ladungen ist bereits verboten, wobei jedoch unter bestimmten Umständen eine Ausnahme bis zum 5. Dezember 2022 beziehungsweise 5. Februar 2023 gilt.

Die Bereitstellung von Versicherungen und Rückversicherungen für die Beförderung dieser Güter in Nicht-EU-Länder wurde ebenfalls verboten. Auch hier gilt jedoch eine Frist, in diesem Fall bis zum 5. Dezember für beide Gütergruppen, sofern der Versicherungsvertrag vor dem 4. Juni 2022 abgeschlossen wurde. Das heißt, das Verbot der Versicherung und Rückversicherung für Mineralölerzeugnisse wäre trotz der zulässigen Beförderung am 5. Dezember 2022 in Kraft getreten. »Diese Lücke wurde durch die Verordnung geschlossen, und es gibt nun eine verlängerte Abwicklungsfrist für Versicherungen und Rückversicherungen im Zusammenhang mit der Beförderung russischer Erzeugnisse, die unter KN 2710 fallen, bis zum 5. Februar 2023«, schreibt Skuld.

Es wird außerdem klargestellt, dass Ansprüche im Zusammenhang mit der Beförderung von russischem Rohöl vor dem 5. Dezember 2022 und von Erdölerzeugnissen vor dem 5. Februar 2023 geltend gemacht werden können, sofern der Versicherungsvertrag vor dem 4. Juni 2022 geschlossen wurde und der Versicherungsschutz bis zum Ende der entsprechenden Abwicklungsfrist erloschen ist.

G7-Preisdeckel

Die G7-Staaten, also Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Großbritannien und die USA wollen einen Mechanismus einführen, der darauf abzielt, etwaige Ölpreiserhöhungen zu dämpfen. Die Ausfuhr von russischem Öl auf die Weltmärkte soll zwar aufrechterhalten werden, die Einnahmen Russlands aus diesen Verkäufen jedoch durch die Einführung einer noch zu beschließenden Obergrenze für den Verkaufspreis begrenzt werden.

Versicherer und Rückversicherer dürfen den Angaben zufolge nur die Beförderung von Ladungen versichern, die zum oder unter dem Höchstpreis verkauft werden.

Wie der Mechanismus genau funktionieren wird, sei noch nicht ganz klar. In der Verordnung wird jedoch dargelegt, wie der Mechanismus mit den EU-Sanktionen zusammenwirken wird. Nach dem derzeitigen Stand wird die Beförderung von russischem Rohöl und russischen Erdölerzeugnissen in die EU ab dem 5. Dezember 2022 beziehungsweise dem 5. Februar 2023 verboten sein, während die Beförderung solcher Ladungen von Russland in Drittländer erlaubt ist – allerdings können EU-Versicherer und -Rückversicherer dafür keinen Versicherungsschutz bieten. »Einigt sich der EU-Rat auf eine Preisobergrenze, so sind solche Beförderungen ab diesen Zeitpunkten generell verboten, doch dürfen EU-Schiffe russisches Öl in Nicht-EU-Länder transportieren, und EU-Versicherer und -Rückversicherer können für solche Beförderungen durch EU- und Nicht-EU-Schiffe gleichermaßen Deckung gewähren, sofern der Kaufpreis pro Barrel die veröffentlichte Preisobergrenze nicht überschreitet«, heißt es.

Ändert sich die Preisobergrenze danach, gilt für Verträge, die vor dem Datum der Änderung abgeschlossen wurden, eine 90-tägige Abwicklungsfrist – vorausgesetzt. Schließlich wurde klargestellt, dass die Verbote nicht für die Erbringung von Lotsendiensten, die für die Sicherheit im Seeverkehr erforderlich sind, und für die Beförderung bestimmter Ladungen aus dem Projekt »Sachlin-2« nach Japan gelten.          (MM)