Briese
Der mit 5.000 € dotierte Briese-Preis für Meeresforschung 2022 wurde an Dr. Luisa von Albedyll vom Helmholz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) (Mitte) verliehen. Kapitän Klaus Küper (l.) von der Briese-Reederei, IOW-DirektorOliver Zielinski (r.). (© IOW / K. Beck)
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Die Leeraner MPP- und Forschungsschiff-Reederei Briese hat erneut ihren Preis für Meeresforschung verliehen. Dieses Mal ist eine Expedition der »Polarstern« im Fokus.

Der Briese-Preis für Meeresforschung 2022 geht an Luisa von Albedyll, wie jetzt bekannt gemacht wurde. Die Jury würdigt ihre »herausragende Forschung, die wesentlich zum Verständnis dynamischer Prozesse beiträgt, die die Dicke von polarem Meereis beeinflussen«. Ihre Arbeit ist damit ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung rechnerischer Modelle, die Zukunftsprojektionen von Klimawandelfolgen ermöglichen, speziell der regionalen Meereisdickeverteilung im Nordpolarmeer, und somit auch Grundlage für wichtige politische, ökonomische und Umweltschutzentscheidungen sind.

Für ihre Forschung war sie mehrfach per Schiff in weitgehend unzugängliche Polar-Regionen vorgedrungen, auch als Teilnehmerin der MOSAiC-Polar-Expedition, einem der eindrucksvollsten Belege dafür, was moderne Forschungsschifffahrt heute leisten kann, so Küper weiter.

Briese-Preis mit 5.000 €

Der mit 5.000 € dotierte Preis wird von der Briese-Reederei aus Leer gestiftet und vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) wissenschaftlich betreut. Die eigentlich vor allem für ihre MPP- und Heavylift-Aktivitäten bekannte Reederei aus Leer ist für die Bereederung der mittelgroßen deutschen Forschungsschiffe, wie die »Elisabeth Mann Borgese« und »Heincke« sowie die größeren Forschungsschiffe »Meteor«, »Merian« und »Sonne« zuständig. Das IOW betreut die Preisvergabe wissenschaftlich. Seit 2010 werden jährlich herausragende Promotionen in der Meeresforschung prämiert, deren Ergebnisse in engem Zusammenhang mit dem Einsatz von Forschungsschiffen und der Verwendung und Entwicklung von Technik und / oder Datenerhebung auf See stehen. Die »Polarstern« wird von der Reederei F. Laeisz bereedert.

»Für die Reederei Briese ist es immer eine große Freude, unseren Preis für Meeresforschung zu verleihen. Denn so lernen wir außergewöhnliche Wissenschaftstalente kennen und können sie durch diese Anerkennung weiter fördern«, betonte Klaus Küper, Leiter der Abteilung Forschungsschifffahrt der Reederei Briese. Mit Luisa von Albedyll zeichne man eine bemerkenswerte junge Frau aus, die mit ihrer herausragenden Promotionsleistung beeindruckt und sich schon seit Studienbeginn fokussiert mit einem Thema beschäftige, das im Kern eine der größten Existenzfragen unserer Zeit berührt: dem Klimawandel, dessen Folgen aktuell in den Eisregionen der Erde besonders deutlich zutage treten.

Die Trägerin des 13. Briese-Preises hatte es während ihrer Promotionszeit auf die größte Polarexpedition aller Zeiten, die vom AWI geleiteten »MOSAiC«-Expedition mit dem Forschungsschiff »Polarstern« geführt. Konkret hat sich Luisa von Albedyll im Rahmen der Expedition mit den Prozessen befasst, die die Dicke des Meereises im Nordpolarmeer bestimmen. Dies ist zum einen das sogenannte thermodynamische Wachstum, bei dem das Meerwasser unter dem Eis gefriert und das Eis dadurch dicker wird.

Ihr Augenmerk lag aber auf dynamischen Prozessen, die sich aus der Verformung vorhandenen Eises ergeben – das Auseinanderbrechen und Übereinanderschieben von Eisschollen, das in erster Linie durch den Einfluss des Windes erfolgt, im geringerem Ausmaß auch durch Meeresströmungen. Von Albedyll wertete gewaltige Datenmengen zur Eisdicke und den begleitenden Umweltparametern aus, die zum größten Teil aus der MOSAiC-Expedition stammen, aber auch während eines besonderen Ereignisses an der Nordküste Grönlands aufgenommen wurden, bei dem Extremwinde zunächst eine riesige eisfreie Wasserfläche schufen, die sich dann später durch die verschiedensten Mechanismen wieder schloss. Die Daten zur Verformung des Eises wurden dabei hauptsächlich per Satellit gewonnen; während der MOSAiC-Expedition führte von Albedyll aber auch selbst Messungen der Eisdicke mit Spezialgerätschaft vom Helikopter aus sowie direkt auf der Scholle durch, an der die »Polarstern« während ihrer einjährigen Drift festgefroren war.

»Eine der wichtigsten Erkenntnissen meiner Doktorarbeit ist, wie stark die dynamischen Prozesse der Eisverformung die Eisdicke beeinflussen: Sie können für 30 – 50 % der Eisdicke verantwortlich sein. Durch die lange Zeitreihe über ein ganzes Jahr und die hohe räumliche Auflösung der Messdaten, die in meine Analyse eingeflossen sind, konnten ich auch erstmals eine direkte Verbindung zwischen der Verformung und der resultierenden Veränderungen der Eisdicke beschreiben«, sagte die Polarforscherin.

So sei ein neues Prozessverständnis entstanden, das es jetzt ermögliche, die Veränderungen der Meereisdicke in der Arktis in ihrer regional durchaus unterschiedlichen Dynamik sehr gut abzubilden und die Parameter in Modellrechnungen zu überprüfen. Das werde der Polarforschung helfen, die Vorhersagen der Eisdicke in den kommenden 20 – 30 Jahren zu verbessern, meint von Albedyll. »Wir wissen, dass die Erderhitzung generell zu drastischen Verlusten von Meereis, insbesondere Sommereis, im Polarmeer führt – einerseits mit dramatischen Folgen für die dortigen Ökosysteme, andererseits mit unabsehbaren wirtschaftlichen und geopolitischen Veränderungen durch die zunehmende Schiffbarkeit des Polarmeeres.«

Die Briese-Preis-Jury würdigte die Promotionsarbeit mit folgender Begründung: »Ohne Frage hat sich die diesjährige Preisträgerin mit einem Thema von höchster Relevanz beschäftigt – der Entwicklung der Eisdicke in der Arktis, einem äußerst wichtigen Aspekt in Bezug auf die gravierenden Folgen des Klimawandels. Von Albedyll hat dabei wesentlich zum genaueren Verständnis maßgeblicher Prozesse beigetragen, was nun helfen kann, die Vorhersagen der Eisentwicklung in den kommenden Jahrzehnten zu verbessern und sinnvoll darauf zu reagieren.« Anzahl und Qualität der seit Studienbeginn vorgelegten wissenschaftlichen Publikationen (13 Stück; 5 als Erstautorin) seien außergewöhnlich, was auch wesentlich zur Bestwertung der Doktorarbeit beitrug (Note: 1 mit Auszeichnung, »Summa cum Laude«).

Darüber hinaus habe Luisa von Albedyll ihre Promotion mit allem, was dazugehört, in weniger als vier Jahren bewältigt, einschließlich der großen Expedition, sehr erschwerter Arbeitsbedingungen während der schärfsten Corona-Krise und einer siebenmonatigen Elternzeit.

Die Preisträgerin

Dr. Luisa von Albedyll (Jahrgang 1991) hat ihre akademische Laufbahn von Anfang an der Erforschung der eisbedeckten Welt mit ihren Gletschern und Meereis sowie deren Bedeutung für Klimaprozesse gewidmet: Schon im Bachelor-Studium der Geowissenschaften an der Universität Potsdam (2012 – 2015) und beim Master-Studium der Umweltphysik an der Universität Bremen (2015 – 2018) verbrachte sie mehrere Monate in der Arktis auf Spitzbergen, nahm an Schiffsexpeditionen ins Nordpolarmeer teil und griff methodische Fragen der Polarforschung sowie Themen der Interaktion von Gletschern und Meerwasser auf.

Während ihrer Promotionszeit (2019 – 2022) am Alfred-Wegener-Institut Helmholz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) konzentrierte sich von Albedyll auf dynamische Prozesse des arktischen Meereises und war Teilnehmerin der internationalen MOSAiC-Arktis-Expedition mit dem Forschungsschiff »Polarstern«.