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Unterm Strich das gleiche Minus wie die belgische Konkurrenz: Auch Europas größter Seehafen Rotterdam muss einen Umschlagrückgang für das erste Halbjahr verzeichnen.

Der Gesamtumschlag im Hafen Rotterdam lag mit 220,7 Mio. t im ersten Halbjahr 5,5% niedriger als im selben Zeitraum 2022, wie heute mitgeteilt wurde.[ds_preview]

Auch der fusionierte belgische Doppelhafen Antwerp-Bruges hatte erst vor wenigen Tagen einen Rückgang gemeldet – auch um 5,5%.

Der Rückgang in Rotterdam wurde vor allem beim Umschlag von Kohle, Containern und anderem trockenem Massengut (Rohstoffe) verzeichnet. Der Umschlag in den Segmenten Agrarmassengüter, Eisenerz und Schrott sowie Flüssiggas (LNG) stieg dagegen an. Der Containerumschlag sank um 8,1 % auf 6,7 Mio. TEU.

Zuversicht ziehen die Verantwortlichen unter anderem aus den Expansionsprojekten, die gemeinsam mit Terminalbetreibern umgesetzt werden. In der ersten Jahreshälfte wurden die Verträge über die Erweiterung der Containerterminals im Prinses Amaliahaven unterzeichnet. Von dieser Erweiterung wird mittelfristig ein Containerumschlag von rund 4 Mio. TEU erwartet. »Dank ihrer soliden Finanzergebnisse ist die Port of Rotterdam Authority in der Lage, weitere Investitionen in die Energiewende und die Erreichbarkeit des Hafens zu tätigen«, heißt es weiter.

Der vorübergehende CEO Boudewijn Siemons sagte: »Trotz der ungewissen Wirtschaftslage und der geopolitischen Spannungen wurden im ersten Halbjahr große Fortschritte bei der Anlage und Vergabe neuer Grundstücke und Kaimauern erzielt, wodurch Raum für unter anderem die Produktion und den Import von grünem Wasserstoff und zusätzliche Kapazitäten im Containersegment entstanden.«

Die Vergabe der Grundstücke im Prinses Amaliahaven an APM Terminals und RWG sei ein wichtiger Schritt gewesen.

Die Finanzlage der Port of Rotterdam Authority

Die Erträge, die hauptsächlich mit Seehafengebühren und Miet- und Erbpachterträgen erwirtschaftet werden, stiegen seit dem ersten Halbjahr 2022 um 4,3 Mio. € auf 416,5 Mio. € an. Die betrieblichen Aufwendungen erhöhten sich um 10,2 Mio. € auf 134,6 Mio. €. Damit ging das Ergebnis vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Wertminderungen um 5,9 Mio. € auf 281,9 Mio. € zurück. Das Nettoergebnis verringerte sich um 26,1 Mio. € auf 116,5 Mio. €, »was durch zwei einmalige Posten verursacht wurde«.

Im ersten Halbjahr wurden in Rotterdam eine Abwertung erworbener Stickstoffemissionsrechte (8,0 Mio. €) und eine Bürgschaftsprovision Porthos (7,3 Mio. €) erfasst, wodurch das Ergebnis aus Beteiligungen negativ ausfiel. Die Bruttoinvestitionen im ersten Halbjahr 2023 beliefen sich auf 135,7 Mio. € einschließlich Kapitaleinzahlungen in Beteiligungen (erstes Halbjahr 2022: 117,1 Mio. €). Die wichtigste Investition im ersten Halbjahr 2023 war der Bau der Kaimauer im Amaliahaven (38,3 Mio. €).

Die Ladungssegmente

  • Trockenes Massengut:
    • Im Gütersegment trockenes Massengut wurde in Rotterdam in der ersten Jahreshälfte ein Rückgang um 11,7 % verzeichnet.
    • Beim Umschlag von Kohle kam es zu einem Rückgang um 14,5 % auf 12,4 Mio. t. Dies war vor allem eine Folge der geringeren Nachfrage nach Energiekohle für die Stromerzeugung. Sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland, dem wichtigsten Abnehmer von Kohle, wurde im vergangenen Halbjahr verstärkt von erneuerbaren Energieträgern wie Wind und Sonne Gebrauch gemacht.
    • Der Umschlag im Segment Eisenerz und Schrott stieg trotz der geringen Eisenerz-Nachfrage der Stahlwerke im Hinterland von Rotterdam um 8,9 % auf 13,0 Mio. Tonnen an.
    • Die Schrottexporte erhöhten sich ebenfalls. Schrott wird vor allem in die Türkei exportiert, wo die Stahlproduktion nach dem Erdbeben im Februar schnell wieder in Gang gesetzt wurde.
    • Der »auffallende Rückgang« von 62,8 % im Segment sonstiges trockenes Massengut hängt mit dem Anstieg um 54,6 % im Segment Agrarmassengüter zusammen. Ursache war laut der Hafenverwaltung in Rotterdam die Berichtigung einer fehlerhaften Erfassung im System für Seehafengebühren im Jahr 2022. Ohne diese fehlerhafte Erfassung wird im Segment Agrarmassengüter ein Anstieg von 8,5% verzeichnet. Dies ist vor allem auf ein Wachstum bei den Ölsaaten aus Südamerika zurückzuführen.
    • Im Segment sonstiges trockenes Massengut bleibt es auch nach der Berichtigung aber dennoch bei einem Rückgang. Dies ist insbesondere eine Folge des Rückgangs der energieintensiven Produktion, etwa von Stahl und Aluminium, aufgrund der hohen Energiepreise.
  • Flüssiges Massengut:
    Im ersten Halbjahr wurde 0,6 % weniger flüssiges Massengut umgeschlagen.

    • Beim Rohöl betrug der Umschlag 51,8 Mio. t, was einem Rückgang von 1,4 % entspricht. Die Lieferungen von russischem Öl wurden den Angaben zufolge inzwischen vollständig durch Rohöl aus den USA, Norwegen, Westafrika und dem Nahen Osten ersetzt.
    • Der Umschlag der Mineralölprodukte ging in der ersten Jahreshälfte um 1,9 % auf 27,3 Mio. t zurück. Beim LNG-Umschlag dagegen wurde im selben Zeitraum ein weiterer Anstieg um 9,8 % auf 5,9 Mio. t verzeichnet. LNG wird hauptsächlich (62 %) aus den USA eingeführt.
  • Container, RoRo und Stückgut
    • Der Containerumschlag reduzierte sich im ersten Halbjahr um 9,3 % auf 64,4 Mio. Tonnen und um 8,1 % auf 6,7 Mio. TEU. Dieser Rückgang hatte zwei Hauptursachen: den Wegfall von Volumen aus und nach Russland und den geringeren Import aus Asien.
    • Der RoRo-Verkehr ging um 3,2 % auf 13,3 Mio. t zurück. Außer mit einer sinkenden Nachfrage infolge der hohen Inflation und der aufgebauten Vorräte sieht sich das RoRo-Segment auch mit einer schwachen britischen Wirtschaft konfrontiert.
    • Das Segment sonstiges Stückgut verzeichnete einen Rückgang um 11,5 % auf 3,4 Mio. Tonnen. Der Hauptgrund dafür war, dass viele Stückgutfrachten angesichts der geringen Containertarife wieder in Containern befördert werden.

Digitalisierung

In der ersten Jahreshälfte wurden auf dem Gebiet der Digitalisierung »gute Fortschritte« verzeichnet, meinen die Verantwortlichen. Nach einer intensiven Pilotphase wurde Nextlogic im Januar 2023 offiziell in Gebrauch genommen. Dieses integrierte Planungstool soll die Abfertigung der Binnenschiffe im Hafen beschleunigen und den Terminals eine optimale Nutzung ihrer Kais ermöglichen. Nextlogic erwartet, dass nach dem Anschluss weiterer Binnenschiffsbetreiber im Laufe des Jahres 2023 über 90 % des Binnenschifffahrtsvolumens an den Deepsea-Terminals über das integrierte Planungstool abgewickelt wird.

Im Juni dieses Jahres wurde in Rotterdam auch Distro Energy eingeführt, eine vollautomatisierte Handelsplattform, auf der die Unternehmen untereinander vor Ort mit selbst erzeugter Energie handeln und deren Verbrauch optimieren können sollen.

Ausblick

»Für das gesamte Jahr erwarten wir angesichts der Ungewissheiten, die durch die aktuelle geopolitische Lage und die hohe Inflation entstanden sind, einen geringfügigen Rückgang des Umschlagvolumens«, so die Hafenverwaltung aus Rotterdam. Das begrenzte Wachstum der niederländischen Wirtschaft und Rezessionen im Ausland würden zu sinkenden Welthandelsvolumen und einer geringeren industriellen Produktion führen. Für das CO2-Transport- und -Speicherprojekt Porthos erwartet der Staatsrat, nach dem Sommer in der Frage entscheiden zu können, ob die Umweltprüfung ausreichend nachweist, dass die vorübergehende Stickstoffdeposition von Porthos keine erheblichen Auswirkungen auf geschützte Naturgebiete hat. Die Vorbereitungen für das Projekt gingen unterdessen weiter. Sobald die Genehmigungen unwiderruflich sind, will Porthos den endgültigen Investitionsbeschluss treffen.