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Die Öffnung für Shipmanager und die – durch eine verbesserte Marktlage begünstigte – Investitionen deutscher Schifffahrtsunternehmen haben die Flotte beim Schutzverein Deutscher Rheder erstmals seit längerer Zeit wieder anwachsen lassen. Finanziell gab es im abgelaufenen Geschäftsjahr allerdings ein Minus.

Der auf der Mitgliederversammlung vom Vorstandsvorsitzenden Kurt Klemme von der Reederei Nord vorgelegte Jahresbericht weist für das Geschäftsjahr 2022 einen Verlust in Höhe von 372.443,28 € aus.[ds_preview]

Im Vorjahr konnte noch ein Überschuss von 38.722,61 € verbucht werden. »Dieser Verlust beruht auf einem Sondereffekt, da angesichts der Zinsentwicklung Abschreibungen auf die Werte von Anleihen erfolgt sind, wodurch das Kapitalanlageergebnis in hohem Maße negativ beeinflusst worden ist«, heißt es seitens des Rechtsschutzversicherers der deutschen Trampreeder. Da die Anleihen normalerweise bis zum Laufzeitende gehalten würden, werde dieser Effekt allerdings in der Regel langfristig kompensiert.

Das versicherungstechnische Ergebnis fiel demgegenüber positiv aus. Die Rücklage des Vereins hat sich entsprechend reduziert, liege mit nunmehr rund 5,78 Mio € allerdings nach wie vor auf hohem Niveau. Im Berichtszeitraum konnten für die Mitglieder Ansprüche in Höhe von 13 Mio. durchgesetzt beziehungsweise abgewehrt werden. Der Vorjahreswert lag bei 17,8 Mio. €.

Nach dem Bericht des Geschäftsführers Michael Wester sind zurzeit 850 Einheiten mit einer Gesamttonnage von rund 16 Millionen BRZ beim Schutzverein versichert. Das bedeutet ein Plus: von 823 Schiffen mit 15 Mio. BRZ. Somit ist im aktuellen Geschäftsjahr 2023 sowohl die Anzahl der Schiffe als auch die Tonnage erstmals seit längerer Zeit wieder gestiegen.

Der Schutzverein führt diesen Trend ist im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurück: Zum einen habe die in vielen Schifffahrtssegmenten »erfreulich verlaufene wirtschaftliche Entwicklung« der Vorjahre die finanzielle Basis vieler Mitgliedsunternehmen signifikant verbessert, so dass vermehrt in neue und auch Second-Hand-Tonnage investiert wird.

Dabei wirkt es sich positiv auf den Mitgliederbestand aus, dass seit einiger Zeit wieder die Möglichkeit besteht, Schiffe bereits während der Bauphase in den Verein einzubringen.

Zum anderen hat das seit diesem Jahr bestehende Angebot, Schiffs-Manager von bislang nicht im Schutzverein vertretenen Schifffahrtsgesellschaften zu versichern, zu dieser Entwicklung beigetragen, wenn auch noch in relativ kleinem Umfang. Im vergangenen Jahr hatte sich der Schutzverein auch Shipmanagern geöffnet, sofern deren Schiffe nicht bereits durch den Eigner »Mitglied« sind. Seither können nicht mehr nur Schiffseigner, sondern auch Schiffsmanager ohne Eigenbesitz an den Schiffen (Third Party) in den 1901 gegründeten Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit aufgenommen werden. Die Deckung wird dementsprechend auf Streitigkeiten aus Managementverträgen erweitert.

Schutzverein erwartet erhöhtes Beitragsaufkommen

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der im vergangenen Jahr beschlossenen Beitragsanhebung – nachdem die Beiträge zuvor 16 Jahre lang konstant gewesen waren – wird für das laufende Geschäftsjahr mit einem erhöhten Beitragsaufkommen gerechnet. Die Anzahl der Fälle werde 2023 im Vergleich zum Jahr 2022 voraussichtlich geringer ausfallen.

Begründet wird die Annahme damit, dass der Verein seine Mitglieder im Vorjahr in einer Vielzahl von Streitigkeiten unterstützt hat, die in Zusammenhang mit dem Ausbruch des Ukrainekrieges standen. Ein vergleichbarer Sondereffekt ist im bisherigen Verlauf des Jahres 2023 nicht eingetreten, so dass erwartet wird, dass sich die Anzahl der Fälle zum Jahresende 2023 auf einem ähnlichen Niveau wie 2021 bewegen wird.

Dessen ungeachtet wird momentan für das laufende Geschäftsjahr von einem konstanten bis leicht erhöhten Kostenaufwand ausgegangen, wobei dies insbesondere auf Fälle aus den Vorjahren zurückzuführen ist. Ebenso wird mit weiter steigenden Verwaltungsaufwendungen in Zusammenhang mit bürokratischen Anforderungen gerechnet.

Verlusterwartung für 2023

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der bestehenden Unsicherheiten im Hinblick auf zukünftige Zinsentwicklungen wird für das Geschäftsjahr 2023 ein Verlust erwartet, der allerdings deutlich niedriger als im Vorjahr ausfallen solle.

Bei den Streitigkeiten, in denen sich Mitglieder an den Schutzverein wenden, geht es auch im laufenden Geschäftsjahr in erster Linie um Zeitcharterverträge. Neben den seit vielen Jahren bekannten Themen – wie Sanktionsfragen sowie Problemen mit der Qualität von Bunkern – spielen erwartungsgemäß außerdem die aktuellen Marpol-Bestimmungen eine zentrale Rolle. Dabei stehen momentan Regelungen zu CII (»Carbon Intensity Indicator«) sowie ETS (»Emission Trading Scheme«) im Vordergrund.

»Die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen und die Vereinbarung entsprechender vertraglicher Regelungen stellt Schifffahrtsunternehmen vor erhebliche Herausforderungen, zumal einige Details noch nicht abschließend geregelt sind«, hieß es seitens des Schutzvereins. Gerade der CII bereitet vielen Schifffahrtsakteuren weiter Kopfzerbrechen, er könne zudem nicht wirklich als realistischer Wert gesehen werden. Wester zeigte sich aber zuversichtlich, dass es noch zu Änderungen seitens der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO kommt. Der künftige Generalsekretär Dominguez habe signalisiert, das man sich die Regulierung noch einmal anschauen wird.

Angesichts der zu erwartenden Kostensteigerungen, zu denen auch die Inflationsentwicklung beitrage, wurde in der Mitgliederversammlung eine Beitragserhöhung beschlossen. Danach liegen die Mitgliedsbeiträge des Schutzvereins für das Jahr 2024 zwischen 570 und 2.330 € per anno und Schiff und damit, nach Ansicht des Vorstands, »nach wie vor auf attraktivem Niveau«.

Schües zieht sich zurück

Auch Wahlen standen bei der Versammlung an. Wieder in den Vorstand gewählt wurden Kurt Klemme, Herm Jüngerhans von Jüngerhans Maritime Services, Johann Schulte vom Schifffahrtsunternehmen Bernhard Schulte sowie Carsten Sommerhage von Columbia Shipmanagment.

Nikolaus W. Schües hingegen wird zum Jahresende auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand ausscheiden. Er gehört dem Vorstand seit dem Jahr 1999 an. Er führte den Verein in der Zeit von 2002 bis 2008 als Vorstandsvorsitzender und amtiert seit 2008 als stellvertretender Vorstand.

Der Schutzverein dankte Schües »für sein langjähriges herausragendes Engagement«. Hervorgehoben wurde insbesondere der Erwerb der Immobilie in der Hafencity im Jahr 2007, der maßgeblich durch seinen Einsatz umgesetzt werden konnte.

Zum neuen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden wurde Herm Jüngerhans gewählt.

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung fand das traditionelle Jahresessen des Schutzvereins statt. Im Rahmen dieses Essens ging Jason Chue, US-Generalkonsul in Hamburg, in seiner Rede auf die traditionell starken transatlantischen Bindungen zwischen den USA auf der einen und Deutschland und Europa auf der anderen Seite sowie auf die gemeinsamen Herausforderungen in den Bereichen Außen- und Klimapolitik ein.