Die Klimaziele der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) geben eine klare Marschrichtung zur Dekarbonisierung vor. Eine neue Studie zeigt jedoch: Die Industrie muss gewaltig aufholen.
Um die Klimaziele der IMO zu erreichen, wird die Schifffahrtsbranche dringend Maßnahmen ergreifen müssen. Das geht aus einem neuen Bericht der Sea Cargo Charter (SCC) hervor, einer globalen Initiative des Global Maritime Forum für Transparenz in der Schifffahrt, die 20% des weltweiten Bulk-Transports (Dry & Wet) repräsentiert. [ds_preview]
SCC-Unterzeichner verfehlen Klimaziele deutlich
Neue Daten der SCC zeigen, dass der Sektor die Mindestklimaziele der IMO im Jahr 2023 um durchschnittlich 17% verfehlt hat. Das entspricht einem Ausstoß von zusätzlichen 165 Mio. t an CO2. Im Hinblick auf die »angestrebten Ziele« der IMO stehen die Unterzeichner derzeit noch schlechter da: Im Schnitt stießen sie im letzten Jahr 204 Mio. t CO2 und damit 22% zu viel aus.
Wie die SCC berichtet, sind Bulk-, Breakbulk- und Tankschiffe für jährlich rund 400 Mio. t CO2-Emissionen verantwortlich. Ohne dringende Maßnahmen werden diese Emissionen in den nächsten Jahrzehnten sprunghaft ansteigen, da man erwartet, dass sich der Welthandel bis 2025 vervierfachen wird.
Die Unterzeichner der SCC gehen allerdings voran. In diesem Jahr haben sie sich dazu entschlossen, freiwillig nach strengeren Kriterien Bericht zu erstatten. Das berücksichtigt auch die überarbeitete Treibhausgas-Strategie der IMO, die seit Juli 2023 gilt. Diese sieht ehrgeizige Netto-Null-Emissionsziele bis zum Jahr 2050 vor, mit Zwischenzielen in den Jahren 2030 und 2040.
Die Berichterstattung wurde auch auf »Well-to-Wake«-Emissionen ausgeweitet, die die Emissionen von der Ölförderung bis zur Endnutzung messen. Dies soll ein umfassenderes Bild der Auswirkungen auf die Umwelt zeigen – und die Branche zu einer schnelleren Dekarbonisierung bewegen.
Auch positive Entwicklungen
Der SCC-Bericht zeigt aber auch vielversprechende Trends auf, insbesondere in der Transparenz innerhalb der Branche. So ist die Zahl der Unterzeichner in diesem Jahr auf 37 angestiegen, von denen 35 Bericht erstatten werden. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 2022 und zeigt ein wachsendes Engagement für Nachhaltigkeit. Darüber hinaus ist der durchschnittliche Prozentsatz der Berichterstattung in den letzten drei Jahren stetig gestiegen, von 80% im Jahr 2022 auf inzwischen 93,2%.
Dieses Maß an Transparenz sei in diesem Sektor »beispiellos«, heißt es im Bericht. Wie Rasmus Bach Nielsen sagte, treiben die Bemühungen der SCC »die maritime Industrie in Richtung einer nachhaltigen Zukunft voran, und das in einer Zeit, in der Maßnahmen dringender als je zuvor erforderlich sind.«
Hindernisse beim Erreichen der Klimaziele
Der SCC-Bericht zeigt auf, wie wichtig kommerzielle und betriebliche Entscheidungen über den Einsatz von Schiffen sind, um die Schifffahrt bis 2025 zu transformieren. Er berücksichtigt zum Beispiel die vorgegebene Geschwindigkeit, die Optimierung von Ladung und Handelsrouten sowie das Verhältnis zwischen Beladung und Ballast.
Für die Verfehlung der Klimaziele gebe es triftige Gründe, heißt es weiterhin. So nennt der SCC geopolitische Störungen, Betriebsänderungen in Häfen, begrenzte alternative Kraftstoffoptionen für lange Fahrten und eine fehlende Infrastruktur, um neue Technologien zu unterstützen, als Hindernisse.
Ab dem nächsten Jahr werden auch die Schiffseigner – und nicht nur die Charterer – erstmals in vollem Umfang Teil des Jahresberichts sein können, was die Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette der Schifffahrt weiter erhöht.
Mindestziel im Schnitt um 17% verfehlt
Negative Werte in der Auswertung des SCC bedeuten eine Angleichung an die Klimaziele. Jeder Wert, der die 0 überschreitet, zeigt hingegen eine Verfehlung an. Der Durchschnittswert lag bei 16,9% Abweichung vom »Mindestziel« der IMO, wobei die Werte von -16,5 % bis 47,6% reichten. Für das »anzustrebende« Ziel der IMO lag der einfache Durchschnittswert bei 21,9 % über dem Ziel; hier reichten die Werte bei den Unterzeichnern von -14,8 % bis 54,7 %.
Trotz der größeren Herausforderung, die ehrgeizigeren Klimaziele der IMO zu erreichen, bleiben die Unterzeichner optimistisch und engagieren sich für den sich ständig weiterentwickelnden SCC-Rahmen, der es ihnen ermöglicht, ihre Leistung an einem quantifizierbaren Industriestandard zu messen und gleichzeitig Teil einer gleichgesinnten fortschrittlichen Gruppe zu sein.
Der SCC-Bericht 2024 zeichnet das Bild einer Branche, die sich der klimatischen Herausforderung bewusst ist und aktiv nach Lösungen sucht. Erhöhte Transparenz, die Zusammenarbeit zwischen Charterern und Reedern und die Anpassung an die überarbeitete Strategie der IMO sind allesamt positive Schritte in die richtige Richtung. Die Schifffahrtsbranche habe noch »einen langen Weg vor sich«, heißt es im Bericht, »aber mit kontinuierlicher Transparenz, Engagement und Innovation kann sie eine nachhaltigere Zukunft ansteuern.«