Der Bedarf an Fachkräften in der Schifffahrt ist nach wie vor groß – ebenso wie in der Verwaltung. Um den Bestand zu sichern und den Bedarf zu decken, sind einige Anstrengungen nötig, neue Wege müssen gegangen werden, auch und gerade mit vereinten Kräften.
Das war eine der zentralen Erkenntnisse einer Fachkonferenz, die der Verband Deutscher Reeder (VDR) und der Deutsche Nautische Verein (DNV) in Berlin veranstaltet haben.[ds_preview]
Die Schifffahrt ist eine Branche im Wandel, die große Anstrengungen unternimmt, um neue Technologien und alternative Antriebstechniken voranzutreiben. Der Bedarf an Fachkräften in der Schifffahrt ist ungebrochen hoch. Doch in Zeiten knapper Arbeitnehmerressourcen ist es nicht immer einfach, neues Personal zu finden. Darin waren sich Vertreter aus Wirtschaft und Verwaltung einig.
Großer Bedarf an Seeleuten und Fachkräften
»Unternehmen die nicht in Ausbildung und Weiterbildung investieren, sind langfristig im Wettbewerb benachteiligt«, sagte Erik Hirsch, Personalmanager bei Hapag-Lloyd, der viele Details von den Maßnahmen und Plänen der Hamburger Containerreederei preisgab. Man müsse aber noch mehr tun, auch als Branche insgesamt, machte der ehemalige Seefahrer deutlich: »Wir müssen jetzt vom Reden ins Handeln kommen!«
Auch für den neuen Leiter der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GWDS), Eric Oehlmann, der wie auch Almut Kaleschke aus dem Bundesverkehrsministerium die »Behördenseite« bei der Konferenz vertrat, ist die Nachwuchs- und Fachkräftegewinnung in der Verwaltung eine der Herausforderungen der nächsten Jahre: »Die Digitalisierung wird ein zentrales Instrument sein, um die Arbeitsprozesse zu optimieren. Sie wird dabei helfen, unsere fachliche Kompetenz zielgerichtet einzusetzen und die Attraktivität der nautischen Berufe zu steigern. Dabei brauchen wir auch die Unterstützung der Politik und Gesellschaft.« Nicht zuletzt durch den Renteneinstieg vieler Mitarbeiter müssten in den nächsten Jahren rund 25% der GWDS-Belegschaft ersetzt oder neu besetzt werden.
Außerdem auf der Konferenz vertreten waren Professorin Ilknur Colmorn von der Hochschule Bremen, Jens Broder Knudsen vom Zentralverband der deutschen Schiffsmakler (ZVDS), Björn Kay von der Hochschule Svendborg, Tilo Wallrabenstein von der Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland. Aus verschiedenen Perspektiven beleuchteten sie die Situation um den Fachkräftemangel in der maritimen Wirtschaft und in der Verwaltung. Unterschiedliche Perspektiven und Bedarfe wurden zwar sichtbar.
Allerdings waren sich die Teilnehmer einig: Es muss etwas getan werden, um die Ausbildungen und Berufswege attraktiver und nicht zuletzt in der breiten Öffentlichkeit sichtbarer zu machen, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten und damit nicht zuletzt die Wettbewerbsfähigkeit des Schifffahrtsstandorts Deutschland auch künftig gewährleisten zu können. Denn die Schifffahrt sei enorm wichtig für das Land und nicht zuletzt den gesamten Arbeitsmarkt, da viele Arbeitsplätze direkt oder indirekt mit der Branche zusammenhängen.
Die Experten sprachen sich deutlich dafür aus, das Thema Fachkräftemangel noch engagierter voranzutreiben, und zwar auch gemeinsam. Es brauche eine neue Initiative aller maritimen Stakeholder, koordiniert von einer zentralen Anlaufstelle, damit es »eine maritime Stimme« gibt statt verschiedene Vorstöße einzelner Interessen.
Auf den 1.800 Schiffen der 266 hiesigen Reedereien sind derzeit rund 7.000 Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig tätig. An Land sind es nach Schätzungen mit über 21.000 Personen drei Mal so viele. Damit schafft die deutsche Schifffahrt derzeit unmittelbar knapp 30.000 Arbeitsplätze. Schätzungen gehen von bis zu 400.000 Arbeitsplätzen aus, die direkt und indirekt von der maritimen Wirtschaft abhängig sind, da mit der Schifffahrt ein ganzes Netz an Wirtschaftszweigen verwoben ist. Denn: Energie, Rohstoffe, Elektronik, Kleidung, Lebensmittel und vieles mehr würden größtenteils über den Seeweg transportiert.
»Um möglichst viele junge Menschen für die Schifffahrt zu begeistern, müssen wir weiter in moderne Ausbildungsprogramme investieren und die attraktiven Karriereperspektiven an Bord und später an Land bekannt machen«, sagte Holger Jäde, Referent für Ausbildung beim Verband Deutscher Reeder. »Der qualifizierte Nachwuchs ist einer der Schlüssel für einen starken und wettbewerbsfähigen maritimen Standort.«
Die Schifffahrt sei nach wie vor »eine enorm attraktive Branche, die durch ihre vielfältigen und einzigartigen Karrieremöglichkeiten in einem internationalen Umfeld viele junge Menschen anzieht«, hieß es. Dies unterstreiche die Entwicklung der Zahl an Neueinsteigern in der Schifffahrt im Jahr 2023, die im Vergleich zum Vorjahr um rund elf Prozent gestiegen ist. Im letzten Jahr haben 418 junge Leute den Weg in die Schifffahrt auf See (Vorjahr 377) und 214 an Land (Vorjahr 192) gefunden.
Doch der Bedarf an Nachwuchskräften und Fachkräften bleibt weiterhin groß: Der Internationale Schifffahrtsverband BIMCO (Baltic and International Maritime Council) und die Internationale Schifffahrts-Kammer ICS (International Chamber of Shipping) prognostizierten 2021, dass ab 2022 jährlich alleine 17.902 Offiziere bis 2026 benötigt werden, um die weltweite Handelsflotte zu betreiben.
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