In wenigen Tagen steht die wohl entscheidende Sitzung der Hamburger Bürgerschaft zum vieldiskutierten Einstieg der Schweizer Reederei MSC am Terminalbetreiber HHLA an. Der Senat und MSC sehen sich trotz diverser Zusagen einiger Kritik ausgesetzt. Nils Kahn, Geschäftsführer bei MSC Germany, nimmt im HANSA-Interview Stellung: Die Reederei wolle auch in fünf Jahren noch ein verlässlicher Partner für die Mitarbeiter der HHLA sein. Kahn bewertet die MSC-Zusagen und Pläne als sehr weitreichend und wünscht sich in der Debatte einen stärkeren Fokus auf die Fakten.
Es gibt bereits einige Zusagen von MSC, sei es nun bezüglich der Ladung, Investitionen oder den Umzug der Unternehmenszentrale in die Hafencity… Was ist Ihrer Ansicht nach Ihr wichtigstes Argument für die Transaktion?
Nils Kahn: Das wichtigste Argument ist sicherlich das Wachstum, das wir nach Hamburg bringen können. Im Rahmen unserer Vereinbarung mit der Stadt Hamburg haben wir rechtlich bindend zugesagt, den Umschlag an den HHLA-Terminals ab 2025 deutlich auszubauen und ab 2031 ein Mindestvolumen von 1 Mio. TEU zu erreichen. Es könnte aber natürlich auch mehr werden. Wir bauen unser Geschäft schon jetzt deutlich aus und steigern den Umschlag. So haben wir erst kürzlich bekannt gegeben, dass unsere Swan- und Britannia-Dienste ab sofort auch den Hamburger Hafen anlaufen.
Zudem braucht der Hafen neue Impulse, um weiter im Konzert der großen nordeuropäischen Häfen mitzuspielen. Deshalb haben wir vereinbart, in den kommenden Jahren 450 Millionen Euro an Eigenkapital für Investitionen bereitzustellen.
Im Übrigen haben wir auch gegenüber der Belegschaft weitreichende und verbindliche Zusagen gemacht, die Arbeitnehmerrechte zu wahren.
Und ja, auch der Bau unserer neuen Deutschlandzentrale in der HafenCity ist ein Beleg, welche große strategische Bedeutung wir dem Hamburger Hafen zumessen.
Es gibt viel Kritik aus der Stadt, von der Opposition oder von Hafenarbeiter und Gewerkschaftern. Hätten Sie mit solch vehementer Gegenwehr gerechnet?
Nils Kahn: Ich bin ja selbst Hamburger und weiß also, dass jede Diskussion um den Hafen auch in der Vergangenheit emotional geführt wurde, nicht zuletzt aufgrund der Eigentümerstruktur der HHLA – mit der Stadt als Mehrheitseigentümerin. Ich finde es auch richtig und gut, dass verschiedene Interessengruppen ihre Meinung geäußert haben, oder anders gesagt, sich einbringen konnten. Wichtig ist mir aber auch, dass man sich immer wieder die Fakten vor Augen führt: Der Hamburger Hafen ist in den vergangenen Jahren im Wettbewerb mit anderen europäischen Überseehäfen zurückgefallen. Ein „Weiter so“ kann also eigentlich für niemanden in Hamburg eine Option sein. Aus meiner Sicht haben wir einen sehr attraktiven Plan vorgelegt.
Dennoch: Wo hat MSC vielleicht einen Fehler gemacht bzw. was würden Sie aus heutiger Sicht in dem gesamten Prozess anders machen?
Nils Kahn: Der Prozess einer solchen Transaktion ist ja sehr klar gesetzlich geregelt. Und wie bereits erwähnt: Uns war bewusst, dass es eine sehr öffentliche Debatte geben würde. Als Hanseat bin ich aber weniger ein Freund der Worte als der Taten. Ich hoffe, dass wir in den kommenden Jahren zeigen können, dass MSC einen guten und wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der HHLA leistet und das dann auch einige unserer Kritiker sagen werden: Schau mal, es war doch ganz gut, dass MSC an Bord gekommen ist. Daran wollen wir uns messen lassen.
Maersk-Chef Vincent Clerc hat kürzlich in einem Zeitungsinterview sinngemäß gesagt, Hamburg solle sich nicht so wichtig nehmen, es sei nicht das natürliche Tor zur Welt. Er spricht damit auch auf die große hiesige Emotionalität an, wenn es um den Hafen geht. Wie sehen Sie das bzw. warum ist es hier Ihrer Ansicht nach ein so „schwieriges“ Thema?
Nils Kahn: Richtig ist: Hamburg hat jedenfalls keine Sonderstellung, sondern steht in lebhaftem Wettbewerb zu anderen Häfen in Europa, nicht nur in der klassischen Nord-Range, sondern auch in Polen und in der Adria. Ich glaube aber, die Transaktion ist ein klarer Beleg, dass wir von der Bedeutung des Hamburger Hafens vollumfänglich überzeugt sind – das gilt übrigens auch für die anderen norddeutschen Überseehäfen.
Der Hamburger Hafen hat sehr gute Voraussetzungen, in Zukunft wieder auf Wachstumskurs zu kommen: Es ist der größte Überseehafen in Deutschland – und Deutschland ist nach wie vor die größte Volkswirtschaft in Europa. Der Hafen verfügt – wie andere auch – über hervorragende intermodale Anbindungen, um Güter zügig und nachhaltig vom Hafen ins Hinterland zu bringen – und umgekehrt. Das gilt übrigens weit über Deutschland hinaus. Und nicht zuletzt gibt es sehr viele hochqualifizierte Menschen, die für reibungslose Abläufe in so einem komplexen Organismus, wie einem Überseehafen, sorgen. All das waren sehr gute Gründe, uns bei der HHLA zu engagieren.
Sie sprechen auch die anderen deutschen Häfen an. Das geplante Mengenwachstum soll aber nicht zu Lasten von Bremerhaven gehen, wo MSC ja auch schon seit vielen Jahren über ein Joint Venture im Terminalgeschäft aktiv ist, oder?
Nils Kahn: Das ist korrekt.
MSC: „Wir werden ein verlässlicher Partner für die Mitarbeiter der HHLA sein“
Wo könnten Sie den Kritikern noch entgegenkommen?
Nils Kahn: Ich glaube, wir haben einen Plan vorgelegt, der zeigt, dass uns die Belange aller relevanten Interessensgruppen wichtig sind. Dazu gehört: Verbindliche Umschlags- und Investitionszusagen, Schutz der vertraulichen Daten unserer Wettbewerber, Wahrung der Arbeitnehmerinteressen, eine Eigentümerstruktur, bei der die Stadt der Mehrheitseigner bleibt. Das ist meiner Ansicht nach schon sehr weitreichend.
Was sagen Sie zur Kritik der Hafenarbeiter? Der rot-grüne Senat wollte ja nochmal nachbessern was Beschäftigungsbedingungen etc. angeht. Man könnte ja den Zeitrahmen der Vereinbarung – es geht um 5 Jahre – verlängern…
Nils Kahn: Eine der größten Stärken der HHLA sind ihre hochqualifizierten Mitarbeiter. Als Familienunternehmen stellt MSC seine Mitarbeitenden in den Mittelpunkt. Das gilt auch für die Mitarbeitenden der Unternehmen, an denen wir uns beteiligen. Deshalb haben wir eine bindende Vereinbarung mit der Stadt geschlossen.
Für fünf Jahre wird damit ein außerordentliches Maß an Sicherheit gegeben. Wir haben uns auch darauf verständigt, dass die bisherige Mitbestimmung im Aufsichtsrat der HHLA bestehen bleibt. Das ist ein klares Bekenntnis zur Belegschaft der HHLA. Und was in der Diskussion komplett untergeht: Es gibt nur sehr wenige vergleichbare Situationen, in denen solche langfristigen und weitreichenden Garantien vereinbart wurden. Natürlich werden wir auch in fünf Jahren noch ein verlässlicher Partner für die Mitarbeiter der HHLA sein.
Ein anderer Kritikpunkt ist der Preis: Hatten Sie mit einem höheren Preis gerechnet?
Nils Kahn: Ich finde, man sollte sich die Fakten vor Augen führen. Wir haben den HHLA-Aktionären ein überzeugendes Angebot gemacht, das eine Prämie von 49% auf den volumengewichteten Drei-Monats-Durchschnittskurs der Aktie darstellt. Ein Beleg dafür, dass es ein überzeugendes Angebot ist, ist die Tatsache, dass die Mehrheit der HHLA-Kleinaktionäre dieses Angebot angenommen hat und es auch vom HHLA-Management und mehreren Banken als fair bewertet wurde.
Wie bewerten Sie die Entwicklung in der Hamburger Politik? Die Kritik kommt von ziemlich unterschiedlichen politischen Ecken, etwa von der CDU und der Linken …
Nils Kahn: Ich bin Geschäftsmann und kein Politiker. Sehen Sie es mir deshalb nach, dass ich mich zu Entwicklungen in der Hamburger Politik nicht äußern werde.
Der Hamburger Hafen gilt bei einigen Kunden – ob berechtigt oder nicht – als teuer und ineffizient. Wie wollen Sie das angehen? Sind ein Stellenabbau oder Anpassungen an den HHLA-Prozessen eine Option für Sie?
Nils Kahn: Wir sehen viel Potenzial im Hamburger Hafen, aber es stimmt, er muss wettbewerbsfähiger werden. Deshalb werden wir gemeinsam mit der Stadt für die kommenden Jahre 450 Millionen Euro Eigenkapital zur Verfügung stellen, um Investitionen der HHLA zu ermöglichen. Noch ist es zu früh, hier in die Details zu gehen, aber um Ihnen einen ersten Einblick zu geben: Wir wollen unter anderem in den kommenden Jahren gemeinsam in das größte Hamburger Containerterminal Burchardkai investieren, um es zu modernisieren und zusätzliche Containermengen von MSC und anderen Reedereien dort umschlagen zu können.
Was erwarten Sie von der Debatte und der finalen Abstimmung in der Bürgerschaft Anfang September?
Nils Kahn: Das Verfahren und die Abstimmung selbst obliegen den Vertretern der Hamburger Bürgerschaft. Ich möchte deshalb nicht über die Debatte oder den Ausgang der Abstimmung spekulieren. Das Ergebnis der ersten Abstimmung, mit einer breiten Mehrheit für die Transaktion, stimmt uns aber natürlich zuversichtlich.
Und wie blicken Sie auf die Aktivitäten der EU-Kommission, die Beschwerden prüft? Ist die Kommission diesbezüglich an Sie herangetreten?
Nils Kahn: Unserem Verständnis nach bearbeitet die Europäische Kommission derzeit eine Beschwerde und sammelt dazu Informationen ein. Das ist ein normaler Vorgang in einem solchen Prozess. Soweit wir wissen, wurde keine formelle Untersuchung über staatliche Beihilfen eingeleitet. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich darüber hinaus nicht zu einem laufenden regulatorischen Prozess äußern werde.
Es gibt auch Sorgen um Daten-Austausch und v.a. „Wettbewerbsfreiheit gegenüber anderen Reedereien und Logistikern“ im Hafen und im Hinterlandverkehr über die HHLA-Tochter Metrans. Ganz generell: Warum sollten sich die Kritiker in puncto „Bahn“ und Preispolitik Ihrer Ansicht nach keine Sorgen machen?
Nils Kahn: Wir werden den Hafen weiterhin für alle Marktteilnehmer attraktiv halten. Die HHLA wird auch in Zukunft den Schutz und die Vertraulichkeit von Kundendaten innerhalb des Konzerns und der Beteiligungsgesellschaften sicherstellen. Ein Zugriff auf wettbewerbssensible Daten durch MSC oder Dritte ist vertraglich explizit ausgeschlossen. Das gilt für die HHLA und ihre Tochterunternehmen wie Metrans. Schließlich ist es auch in unserem Interesse, dass unsere Wettbewerber weiter den Hamburger Hafen anlaufen. Darüber hinaus ist die Beteiligung einer Reederei an einem Terminal oder Hafen alles andere als ungewöhnlich. Wir selbst laufen auch Häfen und Terminals in aller Welt an, an denen Wettbewerber von MSC beteiligt sind.
Sowohl an den HHLA-Terminals als auch bei Metrans wollen Sie den Zugang für alle Akteure offen halten. So mancher argwöhnt allerdings, wird es eng im Hafen und müssen Schiffe auf ihre Abfertigung warten, könnten MSC-Schiffe vorrangig behandelt werden …
Nils Kahn: Die HHLA ist und bleibt ein neutraler Anbieter.
Abschließend die Frage nach einer möglichen Exit-Strategie: Wann ist in der intensiv geführten Debatte der Punkt erreicht, an dem Sie sagen: »Ok, wir lassen es und schauen uns in anderen Häfen um«…?
Nils Kahn: Dafür sehe ich keinen Anlass. Die Transaktion befindet sich auf einem guten Weg – und wir wollen uns bei der HHLA und somit in Hamburg langfristig engagieren.