Nach der Übernahme des kroatischen IT/OT-Spezialisten Diverto im Sommer will das eigentlich auf Satellitenkommunikation spezialisierte Unternehmen Marlink sein Portfolio weiter ausbauen und verbreitern – sowohl auf See als auch an Land.
Tore Morten Olsen, President, Maritime bei den Norwegern spricht im HANSA-Interview exklusiv über Wachstumspläne von Marlink, Chancen, Herausforderungen und digitale Services.[ds_preview]
HANSA: Geopolitische Spannungen, mehr und mehr Cyberangriffe weltweit – ist das ein Bereich, der Ihnen Sorgen bereitet, oder eher ein Bereich, in dem sich Geschäftsmöglichkeiten ergeben, wenn es um geeignete Schiffstechnologie geht?
Olsen: Ich denke, es ist beides. Zunächst einmal sind wir als Unternehmen in vielen Ländern tätig, auch in den USA. Wir müssen sicherstellen, dass wir alle Vorschriften einhalten, die aus welchen Gründen auch immer erlassen werden. Wir können keine russischen Kunden bedienen, wir können Nordkorea nicht unterstützen usw. Wie jeder andere auch. Das ist ein einschränkender Faktor, würde ich sagen, aber das ist natürlich ganz normal. Andererseits wird der regulatorische Aspekt der Bereitstellung von Satellitenkommunikationsdiensten angesichts der geopolitischen Spannungen immer schwieriger. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass ein System, sei es ein chinesisches oder ein russisches, sei es Starlink oder ein System von Amazon oder OneWeb, wirklich globalen Zugang haben wird. Denn selbst wenn sie technisch dazu in der Lage sind, ist es mitunter nicht gestattet, die Dienste in allen Teilen der Welt zu nutzen. Und das ist eine Sorge, aber auch eine Chance für uns. Denn das bedeutet, dass wir sicherstellen müssen, dass wir über Kommunikationsmittel verfügen, die für alle maritimen Regionen geeignet sind. Selbst wenn man ein System 90% der Zeit nutzen kann, müssen auch die letzten 10 % abgedeckt sein, damit das Schiff sicher arbeiten kann.
Marlink versorgt derzeit etwa 10.000 Schiffe mit Breitbandkommunikation – die meisten von ihnen mit VSat, einige wenige nur mit Starlink, aber mit Marlink-Equipment an Bord. Weitere 12.000 entfallen auf das traditionelle MSS-Geschäft. Die Norweger haben nach eigener Aussage einen Marktanteil von 27%. Im »Nicht-Satcomm-bezogenen« Geschäft sieht man großes Wachstumspotenzial, nicht zuletzt, da Reeder ihre Schiffe immer mehr zu schwimmenden Büros weiterentwickeln wollen und müssen.
HANSA: Sicherheit ist ein Aspekt, der immer stärker in den Vordergrund rückt. Sie haben kürzlich den IT/OT-Lösungsspezialisten Diverto übernommen. Ist das ein Schritt, um Ihr eigenes Portfolio in Bezug auf Sicherheit zu erweitern?
Olsen: Auf jeden Fall. Ich denke, dass dies ein Beleg für unser Bestreben ist, sicherzustellen, dass wir unsere Kunden und deren Vermögenswerte – also Schiffe – schützen. Es ist buchstäblich oft unmöglich, die richtige und passende Expertise aus einer Hand zu finden, vor allem im maritimen Bereich. Aber durch die Kombination der Cyber-Expertise von Diverto mit dem maritimen Wissen von Marlink ist es unser Ziel, der führende Anbieter von Cyber-Lösungen für die Weltflotte zu werden.
HANSA: Ist es wahrscheinlich, dass in dieser Hinsicht noch mehr von Marlink zu erwarten ist – also weitere Zukäufe?
Olsen: Dazu kann ich derzeit noch nicht allzu viel sagen. Aber ich denke, unsere Strategie ist es, mehr und mehr „digital zu werden“. Sie sollten nicht überrascht sein, wenn nach dieser Akquisition weitere folgen. Marlink hatte bereits ein gewissens Angebot im Bereich Cybersicherheit. Aber uns fehlten die Dienstleistungen, die darüber hinausgehen, etwa um zu beurteilen, welche Art von Lösungen der Kunde braucht.
HANSA: Bereitet es Ihnen technische Probleme, diese Art von Geschäft in Ihr ursprüngliches Portfolio zu integrieren?
Olsen: Nein. Es geht eher darum, wie wir auf den Markt treten. Das Unternehmen Diverto ist hervorragend in dem, was wir professionelle Dienstleistungen nennen. Sie können Pen-Tests durchführen und damit alle verschiedenen Zugänge unserer Kunden auf potenzielle Einfallstore für Cyber-Angriffe überprüfen. Und natürlich werden sie uns dabei helfen, unser Portfolio weiterzuentwickeln und widerstandsfähiger zu werden. Diverto wird ein eigenständiges Unternehmen bleiben. Gleichzeitig wollen wir ihr Fachwissen nutzen, um ein vertrauenswürdiger Berater für die maritime Gemeinschaft zu werden, aber auch, um uns beim Aufbau eines führenden Portfolios zu helfen.
HANSA: Und ganz allgemein: Welche – kommerziellen oder technologischen – Herausforderungen bereiten Ihnen derzeit am meisten Kopfzerbrechen?
Olsen: Das größte Problem ist heute, dass es viele verschiedene solcher Einfallstore gibt. Viele verschiedene Anbieter haben ihr eigenes Equipment an Bord haben, um mit ihrer Ausrüstung zu kommunizieren. Und dann ist da immer noch der Faktor Mensch. Ich denke, dass wir als Branche die Schulungsprogramme für die Besatzung verbessern müssen, um zu verhindern, dass diese Türen offen stehen. Und das dritte Element ist natürlich, dass wir als Kommunikationsunternehmen die kontinuierliche Leistung aller von uns installierten Netze sicherstellen, dass wir das gleiche Sicherheitsniveau beibehalten, egal welche Systeme genutzt werden.
HANSA: Apropos Konnektivität: Immer mehr Vorschriften verlangen immer mehr Reporting und Datenerfassung. Sehen Sie einen Engpass bei der Konnektivität oder Datenkapazität in der Flotte, um all diese Daten sicher an Land zu bringen?
Olsen: Die Technologie kann das bewältigen. Aber die Sache ist die: Aufgrund des gesetzlichen Rahmens können wir uns nicht nur auf eine Lösung verlassen. Da also immer mehr Daten zu Analysezwecken in die Cloud gestellt werden, müssen wir sicherstellen, dass wir diese Datenmengen unabhängig von der auf dem Schiff verfügbaren Konnektivität liefern können. Aber das tatsächliche Volumen, das wir darstellen, ist im Vergleich zum Gesamtvolumen des Schiffes recht klein. Die eigentliche Triebkraft für die Nutzung in der Schifffahrt, die sich in den letzten 12 Monaten mehr oder weniger vervierfacht hat, ist die Kommunikation der Besatzung. Wenn es um B2B-Verkehr geht, sind die Volumina im Vergleich zum Gesamtverbrauch noch relativ moderat.
HANSA: Sowohl die verstärkte Kommunikation der Besatzung als auch die verstärkte Arbeit mit Cloud-Lösungen sind Einstiegsmöglichkeiten für Cyber-Kriminelle …
Olsen: Absolut.
HANSA: Sie als Marlink müssen einen wirklich sicheren Rahmen bieten …
Olsen: Ja, aber nicht nur für die Kommunikationsverbindung. Eines unserer wichtigsten Produkte ist „Endpoint Security“, bei dem wir alle Endpunkte an Bord überwachen, die mit dem Netzwerk in Verbindung stehen. Wenn es dort Schwierigkeiten gibt, können wir es sofort blockieren. Und auch hier bin ich mir sicher, dass wir mit der Kompetenz von Diverto die Möglichkeiten in dieser Hinsicht erweitern werden.
HANSA: Wird der Security-Bereich mittelfristig einen größeren Anteil an Ihrem Geschäft einnehmen als das ursprüngliche SatComm-Geschäft?
Olsen: Ja, ich denke schon. Heute entfallen etwa 25% unseres Umsatzes auf den Bereich der Nicht-Konnektivität. Und wir erwarten, dass dieser Anteil in den kommenden Jahren weiter wachsen wird.
HANSA: So weit, dass es den Anteil des SatComm-Geschäft übersteigt?
Olsen: Das wird lange dauern, weil ein sehr großer Teil der Einnahmen mit Satcomm zusammenhängt. Den „Security-Anteil“ in den nächsten 3 oder 4 Jahren auf 35-40 % zu steigern halte ich das für ein realistisches Ziel.
HANSA: Ihre Kunden sind Schiffseigner und Schiffsmanager. Kürzlich haben Sie neue regionale Zentren in Houston, Bratislava, Athen, Dubai, Singapur und Tokio sowie in Hongkong und Rio eröffnet. Werden weitere folgen?
Olsen: Wir haben derzeit keine Pläne, weitere Büros zu eröffnen. Dafür wachsen einige unserer Niederlassungen an, etwa in Tokio oder Singapur, wo die Zahl der Angestellten von 8 auf 20 beziehungsweise von 20 auf 50 gewachsen ist. Wir sind in den maritimen Zentren präsent, wollen aber unsere Kompetenzen dort erweitern. So wollen wir sicherstellen, dass die Aufgaben, die einen großen Austausch mit den Kunden bedeuten, in der jeweiligen Landessprache und ganz in der Nähe der Kunden erfüllt werden können. Kunden sollen in ihrer eigenen Zeitzone Hilfe bekommen.
HANSA: Haben Sie eine weitere Anpassung des Portfolios im Sinn? Sei es nun, etwas Neues zu machen oder ein bestehendes Geschäft loszuwerden?
Olsen: Wenn Sie fünf Jahre zurückblicken, ging es bei Marlink vor allem um Kommunikation. Jetzt wollen wir in vier Sektoren wachsen: Kommunikation wird sicher einer davon sein, das ist unser Erbe. IT-Management ist ein weiterer Bereich, genauso wie Cyber-Sicherheit. Und schließlich IoT. Für einige dieser Aspekte sind nicht nur die Schiffe ein interessanter Markt, sondern auch die Büros unserer Kunden. Das erweitert unsere Möglichkeiten und Wachstumschancen.