Reeder, Schiffbauer, Häfen, Klassifizierer, Gewerkschaftler – Mehrere Experten haben im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages über aus Ihrer Sicht drängende Herausforderungen gesprochen und unter anderem einen zügigen Bürokratieabbau für die maritime Wirtschaft in Deutschland gefordert.

In einer Öffentlichen Anhörung zu einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Zukunft der maritimen Wirtschaft sichern“ erklärten die Sachverständigen, insbesondere der Mittelstand an den heimischen Hafenstandorten leide unter zu komplizierten und langwierigen Genehmigungsverfahren und müsse dadurch auf internationaler Ebene Wettbewerbsnachteile hinnehmen.[ds_preview]

Die Union fordert in ihrem Antrag, die Bundesregierung solle sich für „faire und möglichst gleiche Wettbewerbsbedingungen“ einsetzen, die deutsche Schiffbauindustrie sowie Häfen und Logistik fördern und eine „Nationale Hafenstrategie“ vorlegen. Die maritime Wirtschaft in Deutschland sei eine „Schlüsselbranche“ für den Industriestandort.

Aussprache im Wirtschaftsausschuss des Bundestags

Damit dies so bleibe, verlangte der Bezirksleiter Küste der IG Metall, Daniel Friedrich, die maritime Wirtschaft bei der politisch entschiedenen Energie- und Mobilitätswende unmittelbar einzubinden. So sollten öffentliche Aufträge an Werften mit Auflagen für gute Arbeit und Energieeffizienz verknüpft werden, sagte Friedrich.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), Reinhard Lüken, betonte, die Situation im deutschen Schiffbau sei gut, die Nachfrage stabil und die Auslastung hoch. Es gebe global einen Nachholbedarf bei den Handelsflotten, so dass sich auch für die deutschen Anbieter vielversprechende Perspektiven eröffneten. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass China inzwischen mit über 70% der Auftragseingänge im weltweiten Schiffbau den Markt dominiere. Europa habe im Gegenzug in den letzten zwei Jahrzehnten 60% der Schiffbaukapazitäten verloren.

Als Vertreter der maritimen Industrie wies Rasmus Stute, Vice Präsident und Area Manager Germany bei der norwegisch-deutschen Klassifikationsgesellschaft DNV (Hamburg), darauf hin, dass es in seiner Branche einen „riesigen Bedarf an Effizienzsteigerung und Elektrifizierung“ gebe, auf der anderen Seite jedoch einen „Mangel an CO2-armen Kraftstoffen“ für Schiffe. Die deutschen Häfen warteten nur darauf, zu Drehkreuzen für Ammoniak und Wasserstoff zu werden. Außerdem eigneten sich Häfen über ihre Funktion als Güterumschlagplatz hinaus als günstige Standorte für Dienstleister und Startups.

Der Vorstandsvorsitzende der Bremer Werftengruppe NVL (Lürssen), Tim Wagner, machte auf die Exportabhängigkeit der deutschen Schiffbauer aufmerksam. Hier sei ein deutliches Manko im internationalen Wettbewerb, dass die Genehmigungsverfahren in Deutschland unverhältnismäßig lange dauerten. Hinzu komme, dass „Herstellgenehmigungen und Überlassungsgenehmigungen auseinanderfallen“, was zu weiteren Verzögerungen führe. Zwingend sei hier eine bessere Abstimmung innerhalb der EU.

Cosco-HHLA-Deal verteidigt

Jan Müller vom Präsidium des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe verteidigte bei der Anhörung erneut die umstrittene Beteiligung des chinesischen Containerunternehmens Cosco am Hamburger Hafen. Auch künftig sollten solche Partnerschaften nicht behindert werden. Allerdings müsse China umgekehrt den „regelbasierten Handel“ anerkennen. Die Infrastruktur in Deutschland bezeichnete Müller als „desolat“. Es gelte dringend, die Anbindung der deutschen Häfen zu verbessern, darunter Zufahrten und Versorgungsleitungen. Schließlich spielten die Häfen eine „zentrale Rolle für die Schifffahrt und damit den internationalen Handel“.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder, Martin Kröger, äußerte sich im Bundestags-Ausschuss zum Sicherheitsaspekt auf internationalen Seerouten. Die „globale Schifffahrt“ sei „so sicher wie die Welt insgesamt“. Als problematische Handelsrouten identifizierte der Sachverständige das Rote Meer, den Suez-Kanal, die Straße von Taiwan und das Schwarze Meer als akutes Kriegsgebiet. Er lobte die deutsche Marine ebenso wie die Marine anderer Staaten, die „uns die Seerouten freihalten“.

Zur Zukunft des maritimen Standorts Deutschland, hat sich kürzlich auch Matthias Catón, der neue Geschäftsführers des – unter anderem von einigen großen maritimen Verbänden getragenen – Deutschen Maritimen Zentrums (DMZ) exklusiv im HANSA Podcast geäußert. Hören Sie hier, zum Beispiel auf unserer Podcast-Seite, bei Spotify, Apple Podcast oder Deezr, seine Ansichten und Einblicke in die Pläne, Struktur und die verbesserte Finanzierung des DMZ:

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Kai Stührenberg, Staatsrat für Häfen beim Bremer Senat für Wirtschaft, Häfen und Transformation, beantwortete die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der deutschen Seehäfen mit einem klaren Ja. Sowohl für den globalen Handel wie für die Offshore-Industrie und den Energietransfer seien Häfen ein unverzichtbarer Teil der Infrastruktur. Um den Bedarf an Automatisierung, Digitalisierung und Energietransformation bewältigen zu können, seien die Hafenstandorte in Deutschland allein überfordert. Hier müsse auch der Bund im Interesse der deutschen Wirtschaftskraft investieren.

Jürgen Collée, Kapitän der Binnenschifffahrt, kritisierte den Zustand der deutschen Wasserstraßen. Es gebe marode Schleusen, verfallende Bauwerke, verfehlte Sanierungsprogramme und Personalmangel. Das führe zu „enormen Wartezeiten an Schleusen“. Er appellierte an Bund und Länder, die Wasserstraßen nicht verrotten zu lassen, sie seien „die Grundlage für unsere Schifffahrt“.