Nationale Hafenstrategie - Cover und Flagge
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Die Nationalen Hafenstrategie, die vom Bundeskabinett jetzt beschlossen wurde, soll leistungsfähige Häfen für Deutschland sichern. Große Kritik gibt es an fehlenden Finanzzusagen.

Die deutschen Häfen sichern die Versorgung von Industrie, Handel und Bevölkerung, und  bundesweit direkt und indirekt bis zu 5,6 Mio. Arbeitsplätze. Vor dem Hintergrund Klima- und energiewirtschaftlicher Transformationsprozesse, desrussischen Angriffskriegs auf die Ukraine, der Folgen der Covid-19-Pandemie, des Brexits und tiefgreifender Veränderungen im Welthandel hat die Bundesregierung heute die Nationale Hafenstrategie beschlossen. [ds_preview]

Diese soll es den deutschen See- und Binnenhäfen ermöglichen, sich den aktuellen und künftigen Herausforderungen zu stellen. Die beteiligten Bundesministerien, Länder, Verbände und die Gewerkschaft ver.di haben dazu gemeinsame strategische Ziele zur Stärkung der Häfen erarbeitet. Hinzu kommen fast 140 operative Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen.

Nationale Hafenstrategie CoverDie Nationale Hafenstrategie definiert fünf Handlungsfelder:

  1. die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Hafenstandorts Deutschland,
  2. die Entwicklung der Häfen zu nachhaltigen Knotenpunkten der Energiewende und Drehkreuzen für die Verkehrsverlagerung,
  3. die aktive, zukunftsfähige Gestaltung der digitalen Transformation,
  4. Ausbildung und Beschäftigung,
  5. den bedarfsgerechten Ausbau und Erhalt der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur

Der Umsetzungsprozess soll unmittelbar im Anschluss an die Veröffentlichung der Nationalen Hafenstrategie gemeinsam mit den bislang Beteiligten eingeleitet werden.

Wissing: »Das Ergebnis ist überzeugend«

Bundesverkehrsminister Volker Wissing erklärt: »Die vielen unterschiedlichen Interessen der einzelnen Häfen, Umwelt- und Wirtschaftsverbände unter einen Hut zu bringen, war eine große Aufgabe. Mein Dank geht daher an alle, die konstruktiv an der Erarbeitung der Strategie mitgewirkt haben. Das Ergebnis ist überzeugend: ein Kursbuch mit knapp 140 konkreten Maßnahmen, die Lösungswege für die drängendsten Herausforderungen der Häfen aufzeigen – von den großen Chancen der Digitalisierung über knappe Flächen, Fachkräfte und Mittel.«

Wasserstraßen, Wissing, FDP
Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr © Bundesregierung/Jesco Denzel

Während die Häfen in der originären Zuständigkeit der Länder liegen, ist der Bund gemäß Grundgesetz verantwortlich für Bau und Erhaltung der zulaufenden Bundesverkehrswege und finanziert diese auch. Allein für die Fahrrinnenanpassungen an Elbe und Weser, der Vertiefung der Außenems, den Maßnahmen am Nord-Ostsee-Kanal und dem Ausbau der seewärtigen Zufahrten nach Rostock und Wismar hat der Bund nach Angaben des Verkehrsministeriums in den letzten zehn Jahren durchschnittlich rund 500 Mio. € pro Jahr unmittelbar in den Erhalt und den Ausbau der Anbindungen zu und von den deutschen Seehäfen investiert.

Wissing: »Der Bund steht weiterhin zur gemeinsamen Verantwortung für die Häfen. Dazu zählt auch die Frage der angemessenen Beteiligung des Bundes an den Kosten der Länder. Wichtig ist uns dabei aber: erst der Plan, dann das Geld. Mit dem gemeinsamen Verständnis der Hafenstrategie können wir nun daran arbeiten, die hohen Investitionen zu verstetigen und Planungen zu beschleunigen.«

Hafenstrategie ohne Finanzzusagen

Der Zentralverband der deutsche Seehafenbetriebe (ZDS) und der Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) sehen im Kabinettsbeschluss der Nationalen Hafenstrategieviele gute Vorhaben, äußern aber »große Enttäuschung« der Hafenwirtschaft über fehlende Finanzzusagen.

ZDS, HHLA, Titzrath
Angela Titzrath ist seit 2022 Präsident des ZDS © ZDS

»Um die deutschen See- und Binnenhäfen zukunftssicher aufzustellen, braucht es eine ambitionierte Hafenpolitik. Dem heute gefassten Kabinettsbeschluss fehlt allerdings eine zentrale Voraussetzung: die Mittel zur Umsetzung. Es scheint, als sei der Bundesregierung nach einem starken Antritt die Puste ausgegangen«, heißt es. ZDS und BÖB sehen dringenden Handlungsbedarf. Zwar fänden sich in der Nationalen Hafenstrategie viele wichtige Vorhaben, die beide Verbände seit Langem fordern und ausdrücklich begrüßen. Dazu zählen etwa dringend benötigte Maßnahmen für Erleichterungen im Wettbewerbs-, Genehmigungs- und Umweltrecht für Häfen, Schifffahrt und Logistik. Allerdings fehlten in der Hafenstrategie jegliche finanziellen Zusagen für Investitionen in den Erhalt, den Ausbau und die Transformation von Häfen und Verkehrsinfrastrukturen. Beide Verbände appellieren an die Bundespolitik, diese Lücke bei der Ausgestaltung von Wirtschaftsprogrammen und bei der Aufstellung des Bundeshaushalts für 2025 zu schließen.

Angela Titzrath, Präsidentin des ZDS: »Grundsätzlich begrüßen wir die Nationale Hafenstrategie. Die Seehäfen wurden viel zu lange politisch vernachlässigt. Sie sind die wichtigsten Umschlagpunkte für Güter in Deutschland und damit für unsere Wirtschaft und die Versorgung der Menschen hierzulande unverzichtbar. Deshalb muss in den nächsten Jahren konsequent in den Erhalt und Ausbau der Hafeninfrastruktur sowie der anschließenden Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Es ist richtig, dass Bund und Länder dies jetzt als ihre gemeinsame Verantwortung anerkennen. Von Seiten des Bundes müssen auf diese Erkenntnis nun aber endlich verlässliche Zusagen zur Seehäfenfinanzierung folgen – für alle Häfen. Ohne diese Investitionen bleiben die Ziele der Nationalen Hafenstrategie unerreichbar – die Politik muss dringend nachbessern.«

»Entbürokratisierung muss Dauerthema bleiben«

Der Geschäftsführer des Zentralverbands Deutscher Schiffsmakler, Alexander Geisler, begrüßt die vorgelegte Nationale Hafenstrategie ausdrücklich. »Es ist immer besser eine Strategie zu haben, als die Dinge laufen zu lassen«, so Geisler. Die Strategie diene nicht nur als politische Standortbestimmung, sondern dokumentiere ausführlich, in welchen Bereichen es für den Bund und für die Ländern »Hausaufgaben« gebe, die nun zeitnah abzuarbeiten seien.

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Alexander Geisler (Foto: ZVDS)

Der Verband begrüßt, dass auch die Notwendigkeit, die Produktivität in den Häfen durch Investitionen und durch die Straffung von Verwaltungsverfahren und Zuständigkeiten zu erhöhen, angesprochen wird. Nach wie vor bestünden hier auf Seiten der Verwaltung, Bund wie Land, erhebliche Verbesserungspotenziale, die es zu heben gelte. »Die allgemeine Entbürokratisierung muss daher im Interesse einer Beschleunigung der operativen Vorgänge in den Häfen ein Dauerthema bleiben. Dies gilt auch für den Flächenbedarf der Häfen und der dort angesiedelten Unternehmen bzw. für die Warteplätze von Seeschiffen und Binnenschiffen. Hier besteht leider seit Jahren eine Konkurrenz zu der heranrückenden Wohnbebauung und immer mehr Industrie und Warteplätze für Schiffe gehen verloren. Es muss dann nun auch im Zuge der Umsetzung der Hafenstrategie klargestellt werden, dass Häfen und dort bestehende Industrieunternehmen Vorrang vor der heranrückenden Wohnbebauung haben«, so Geisler.