Zur Eröffnung der internationalen Leitmesse für die Schifffahrt, der SMM in Hamburg, diskutierten Politik und Wirtschaft über den ab 1. Januar 2020 geltende Schwefelgrenzwert von 0,5 % für Schiffskraftstoffe und das Ziel der Branche, die Treibhausgasemissionen der weltweiten Schifffahrt bis [ds_preview]zum Jahr 2050 zu halbieren.
Eine Pressekonferenz mit hochkarätigen Referenten eröffnete heute die internationale Leitmesse der maritimen Wirtschaft. Es diskutierten Kitack Lim, Generalsekretär der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), Esben Poulsson, Vorsitzender der Internationalen Schifffahrtskammer (ICS), Frank Starke, Global Product Manager Medium Speed Engines, Caterpillar und Bernd Aufderheide, Geschäftsführer der Hamburg Messe und Congress GmbH, die die SMM organisiert.
SMM als Impulsgeber
Bernd Aufderheide unterstrich zu Beginn die große Bedeutung der SMM als Plattform für den interdisziplinären und internationalen Austausch von Entscheidern und Experten der maritimen Welt. Gerade in herausfordernden Zeiten stehe die Branche zusammen, um gemeinsam Lösungen für die Zukunft zu diskutieren und damit Impulse für langfristige politische Entscheidungen zu liefern. Aktuelle Trends sowie konkrete innovative Lösungen für eine grünere und gleichzeitig effizientere Schifffahrt gebe es in den insgesamt 13 Hallen reichlich: »Neben der Digitalisierung bildet Green Shipping eines der Kernthemen auf der SMM 2018. Grüne Aussteller findet man nicht nur in der Halle A5, die sich allein dem Thema Green Propulsion widmet. Auch entlang der stark gebuchten Green Route präsentieren sich innovative Firmen, die mit ihren Produkten zu einer grüneren Schifffahrt beitragen wollen,« so Aufderheide. Flankiert wird das Ganze von hochkarätigen Fachkonferenzen wie dem global maritime environmental congress (gmec), dem Offshore Dialogue oder dem Tradewinds Shipowners Forum, welches sich speziell den Herausforderungen für Reedereien widmet und sein Debut auf der SMM feiert. Beim Thema 3D Druck sieht er die maritime Branche fast in einer Art Vorreiterposition, da auf der SMM dieses Jahr die Technik live im großen Stil demonstriert wird.
Internationale Zusammenarbeit aller Beteiligten essenziell
Kitack Lim betonte die Bedeutung des ehrgeizigen umweltpolitischen Fahrplans der International Maritime Organization IMO: Bereits ab 2020 gilt der »Sulphur Cap«, der den Schwefelanteil im Schiffsbrennstoff auf 0,5 % begrenzt. »Der neue Schwefelgrenzwert, der am 1. Januar 2020 in Kraft tritt, ist eine grundlegende Richtungsentscheidung zugunsten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen. Damit beweist die IMO ihre Entschlossenheit, dafür zu sorgen, dass die Schifffahrt ihre Umweltpflichten erfüllt. Jetzt geht es für die IMO und die gesamte Branche darum, den neuen Grenzwert weltweit konsequent umzusetzen«, so Lim.
Bis 2050 will die Branche ihre CO2-Emissionen auf die Hälfte gesenkt haben, am Ende des Jahrhunderts sollen die Schiffe komplett emissionsfrei unterwegs sein und damit ihren Beitrag zum Pariser Klimaabkommen leisten. Dazu Lim: »Die Festlegung auf diesen umfassenden internationalen Rahmen für alle weiteren Diskussionen ist ein echter historischer Durchbruch. Im nächsten Schritt müssen nun konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele vereinbart werden. Dabei kommt es auf intensive Kommunikation und eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedsländer und aller Beteiligten an.« Konkrete Strategien werde man in den kommenden Sitzungen der IMO erarbeiten, um dem Ziel in mehreren Schritten näher zu kommen.
Für die Reeder bedeuten die strengeren Grenzwerte und ambitionierten Klimaziele enorme Investitionen in Scrubber und weitere Filtertechnologien sowie mittelfristig in alternative Antriebstechnologien – und das zu einer Zeit, in der für die mehr als 50.000 Seeschiffe weltweit außerdem die Installation von Ballastwassermanagementsystemen auf der Agenda steht.
»So etwas ist noch nie vorher versucht worden«
Esben Poulsson, Vorsitzender der globalen Reederorganisation International Chamber of Shipping (ICS), griff das Thema »Sulphur Cap« auf und unterstrich die Herausforderungen, die der neue Grenzwert für die Schifffahrtsindustrie mit sich bringe: »Etwas in dieser Größenordnung ist noch nie zuvor versucht worden«, so Poulson. »Die ICS unterstützt voll und ganz die Umsetzung der Schwefelobergrenze und akzeptiert, dass eine Verschiebung keine Option ist.« Von entscheidender Bedeutung sei aber eine vernünftige Planung. »Dabei muss man berücksichtigen, dass die Schiffseigner bereits ab Mitte nächsten Jahres mit dem Kauf regelkonformer Brennstoffe beginnen müssen.« Um was es geht, zeigt eine aktuelle Befragung der Schweizer Investmentbank UBS unter Reedereimanagern. Danach müssten in den Jahren 2019 bis 2023 mehr als 250 Mrd. $ für Investitionen und Betriebskosten im Sektor Green Shipping aufgewendet werden.
Einen noch größeren Schritt erfordert die IMO-Klimaschutzstrategie: »Das Ziel für 2050 kann nur mit radikal neuen Antriebssystemen wie Wasserstoff und Batterien erreicht werden«, sagt Poulsson. Eine Schlüsselrolle bei der maritimen Energiewende kommt den Motorenherstellern zu – alle wichtigen Player sind auf der SMM vertreten. Frank Starke, Global Product Manager Medium Speed Engines bei Caterpillar, ist sich der Herausforderung bewusst. »Das anspruchsvolle Treibhausgas-Ziel 2050 erfordert eine Kombination mehrerer Technologien, darunter neue Motorentechnik, aber auch unterschiedliche Kraftstoffe, Kraftstoffherstellung – Power to X – und Abgasnachbehandlung«, sagte der Ingenieur. Für spezielle Anwendungen würden spezielle Lösungen benötigt – beispielsweise Batteriebetrieb für den Kurzstreckenseeverkehr. Ganz wichtig sei, dass alle an einem Strang ziehen: »Die notwendigen massiven Investitionen an kreativer Intelligenz und Kapital lassen sich nur durch eine berechenbare und weltweit harmonisierte Emissionsregulierung rechtfertigen. Die Einhaltung dieser Regeln muss wirksam überwacht und streng durchgesetzt werden, um weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.« Normalerweise habe man in der Industrie Zeit, stufenweise auf große Ziele hinzuarbeiten, hier müsse es aber nicht nur evolutionäre, sondern auch revolutiuonäre Entwicklungen geben und es bedürfe guter Motivation für Erstanwender.
Bernd Aufderheide lud Panel-Teilnehmer und Journalisten abschließend zu einem Rundgang durch die Messehallen ein: »Erleben Sie eine Branche, die ihre geballte Ingenieurskunst einsetzt, um die Schifffahrt nachhaltig Richtung Zukunft zu steuern.« Er sei zuversichtlich, dass die SMM hier die nötigen Impulse setze. »Ich bin fest davon überzeugt, dass die Besucher und Aussteller die Messe nach vier ergiebigen Tagen mit einem guten Gefühl verlassen – und 2020 wiederkommen.«
Eröffnet wurde die SMM 2018 bereits am Vortag mit dem Maritime Future Summit und einem festlichen Empfang am Abend im Hamburger Rathaus, an dem neben dem Gastgeber, Hamburgs Erstem Bürgermeister Tschentscher, auch der Staatsekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Ulrich Nussbaum, und der IMO-Generalsekretär gesprochen hatten. Peter Tschentscher skizzierte Hamburgs Ausstrahlung als maritimer Standort, zu der auch die Ausrichtung der SMM in der Hansestadt beitrage: »Die 28. SMM versammelt alle wichtigen technologischen Innovationen der Wertschöpfungskette unter einem Dach und trifft mit ihren Schwerpunkten wieder ins Herz der Debatten um die Zukunft der Schifffahrt, der Häfen und der Meere.«