Viele Schifffahrtstreibende sind in der Kr[ds_preview]ise mittlerweile kaum oder gar nicht mehr handlungsfähig. Doch an so mancher Stelle macht sich vorsichtiger Optimismus breit. Es gibt immer noch – und wieder – neue Projekte und Ideen zur Überwindung der Talsohle, wie das 20. »HANSA-Forum Schifffahrt | Finanzierung« zeigte.
Vor genau einem Jahr waren sich die meisten Teilnehmer einig, dass 2016 ein Jahr mit einigen Marktverschiebungen werden würde. Sie sollten Recht behalten, wie diverse Fusionen, Übernahmen oder große Insolvenzen gezeigt haben. »In der Zwischenzeit hat sich so manche Bürotür zwischen Elbe und Ems geschlossen«, leitete HANSA-Chefredakteur Krischan Förster ein. Michael Hollmann, der gemeinsam mit Förster erneut die Veranstaltung moderierte, ergänzte: »Es gibt so viel Bewegung wie noch nie in der Schifffahrt.«
Zwar ist es nicht in jedem Fall ein großer Knall, sondern oft ein schleichender Prozess, aber die Gemeinde der Schifffahrtstreibenden nicht nur Deutschland steckt mitten in der Konsolidierung. Die Hoffnung ist, sich gesund zu schrumpfen. Nicht überall Pessimismus. Und: Einige Akteure versuchen proaktiv, neue Modelle umzusetzen.
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Vorsichtig optimistisch zeigte sich etwa Hapag-Lloyds Finanzvorstand Nicolas Burr vor den über 350 Teilnehmern auf der Traditionsveranstaltung – noch immer die größte ihrer Art in Deutschland und mittlerweile in der 20. Auflage – im Hamburger Elysee Hotel. Die Zuversicht zieht er vor allem aus einer Analyse des Tonnage-(Über-)Angebots. »Selbstverständlich gibt es noch einige Überkapazitäten, vor allem in Fernost. Wenn wir jedoch darüber hinaus auf die grundlegenden Rahmendaten blicken, sind wir ein wenig optimistischer als zuvor«, sagte der chilenische Finanzchef von Deutschlands größter Linienreederei. Das verfügbare Transportvolumen sei nicht so überdimensioniert sei wie manche meinen könnten, vor allem dank eines Rekord-Volumens an Verschrottungen und geringer Neubau-Aktivitäten. Von dem prognostizierten 6,1-prozentigen Kapazitätszuwachs kann man seiner Ansicht nach 1,2% Wachstum abziehen, die durch Verschiebungen von Ablieferungen entstehen, weitere 2,4% durch Verschrottungen. Im Endeffekt gehe er daher von einem Netto-Wachstum von 2,5% aus. »Dieses Überangebot kann tatsächlich durch ein angemessenes Auflegen von Tonnage ausgeglichen werden. Daher erwarten wir, dass sich die Schere zwischen Tonnage-Angebot und -Nachfrage langsam schließen könnte«, argumentierte der Manager.
Dass auch Neubauten durchaus noch Sinn machen können, zeigte Philip Gray, Managing Director der Seatrade Group wenig später. Das niederländische Unternehmen ist spezialisiert auf Kühltransporte und hat ein vier Schiffe umfassendes Neubau-Programm, das stark auf den Nischenmarkt zugeschnitten ist. Dort ist die Überkapazität nicht so hoch und moderne Tonnage wird nachgefragt.
Problematisch wird es für den Markt dann, wenn geplante Verschrottungen nicht umgesetzt, sondern die Schiffe billig aufgekauft und weiter betrieben werden – das war schon in den vergangenen Jahren zu beobachten. Das Ratenniveau konnte sich so nicht erholen.
James Frew vom Analyse-Dienstleister Maritime Strategies International war zuvor schon auf die verschiedenen Flotten und deren Entwicklung sowie ein mögliches »Asset Play« eingegangen. Als Beispiel nannte er Panamax-Containerschiffe. Deren Werte hätten zwar derzeit ein extrem niedriges Niveau. Dafür sei das Wertsteigerungspotential umso höher. Ein heute fünf Jahres Schiff zu kaufen und in fünf Jahren wieder zu veräußern berge die Chance auf eine Wertsteigerung von um die 58%, sagte Frew, weil Verschrottungen und eine mittelfristige leichte Erholung die Nachfrage wachsen lassen könnten. »Das Risiko ist jedoch zugegebenermaßen enorm. Man muss schon sehr mutig sein, jetzt in Panamax-Containerfrachter zu investieren.«
Für Aufsehen sorgte auch Jens Mahnke, CEO der Ernst Russ AG, die in diesem Jahr durch entstanden war, als das Emissionshaus HCI Capital die Ernst Russ Reederei sowie den Wettbewerber König & Cie übernommen und sich schließlich im Juli umbenannt hatte. Mit zwei neuen Partnern wird ein Durchbruch im Neugeschäft angepeilt. Ein Joint Venture mit dem norwegischen Finanzdienstleister Pareto ist bereits gegründet. Es soll einen neuen Zugang zu Eigenkapital ermöglichen und Restrukturierungsprojekte vorantreiben. »Kurz- und mittelfristig wird der Retail-Markt keine Option sein. Das Modell mag wiederkommen, aber keiner weiß, wann. Wir wollen aber nicht darauf warten«, sagte Mahnke. Das neue Unternehmen habe zudem durch den neuen Partner eine Banklizenz bekommen. Welches finanzielle Volumen die neue Partnerschaft habe, wollte Mahnke noch nicht preisgeben.
Klar ist allerdings, dass es ein auf die Eigenkapitalseite fokussiertes Projekt ist – jedoch zunächst nicht für den deutschen Markt, sondern vor allem mit Blick auf institutionelle Investoren aus dem Ausland. In jedem Fall wolle man wieder investieren. »Ich hoffe, dass das ein Durchbruch für Neugeschäft ist.«
Auch die Ernst Russ AG selbst will finanziell ins Risiko gehen. »Ich bin davon überzeugt, dass es auch künftig nicht mehr ohne Co-Investments gehen wird«, sagte Mahnke. Seiner Meinung nach ist nicht nur in dieser Hinsicht ein Umdenken unumgänglich. Auch von den altbekannten Margen aus besseren Zeiten müsse man sich verabschieden. Es werde in der Zukunft nur noch »über Volumen« gehen.
Mit einem zweiten Projekt will das Hamburger Schifffahrtsunternehmen einen weiteren großen Schritt machen. Laut Mahnke gibt es eine Zusage eines Private-Equity-Fonds. Dieser soll und will 500 Mio. $ zur Verfügung stellen, mit denen Ernst Russ an der Konsolidierung des Marktes aktiv teilnehmen will. Vorrangig sollen »non-performing loans« gekauft werden. Wer konkret hinter dem Fonds steckt, sagte er jedoch nicht.
Unabhängig von den zwei konkreten Projekten bestätigte Mahnke, dass sein Unternehmen, zu dessen großen Anteilseignern die Döhle-Gruppe und die HSH Nordbank gehören, weitere Übernahmen angehen könnte und dass es bereits konkrete Gespräche gibt.
Auf dem Podium stießen die Projekte der Ernst Russ AG durchaus auf Anerkennung. Ingmar Loges, Head of Shipping Finance Western Hemisphere bei der DVB Bank – die seinen Angaben zufolge auch weiterhin offen für Neugeschäft mit einem Volumen über 2Mrd.€ ist – bewertete das Engagement von Pareto etwa als »grundsätzlich positiv« und »Signal nach vorn«.
OPEX und Pools im Fokus
Von der nötigen Kostendisziplin in der Branche besonders betroffen sind Shipmanager und Eigner, Betriebskosten stehen überall im Fokus. Dabei werden durchaus Erfolge erzielt. Die aktuelle OPEX-Studie, erstellt von der HANSA in Kooperation mit BDO Arbicon und vorgestellt von Verfasser Andreas Mietzner, belegt eindeutig, dass die Betriebskosten für Containerschiffe in den vergangenen Jahren deutlich reduziert wurden.
Auch im Bulker-Segment sind OPEX natürlich ein wichtiges Thema. Axel Steffen, Geschäftsführer der Vogemann Group, erläuterte auf dem HANSA-Forum die Strategie seiner Reederei. »Die Bereederung bei Bulkern ist keinesfalls trivial, das wird häufig unterschätzt.« Man müsse sich auf seine Stärken konzentrieren, dann sei es möglich, im Markt zu bestehen. »Auch ein kleinerer Shipmanager kann sehr gute OPEX erzielen, möglicherweise sogar bessere als große Akteure, weil man näher am Schiff ist«, so Steffen. Bei Vogemann setzt man auf die Bildung von segmentspezifischen Pools, beispielsweise für den Einkauf oder das Crewing. Auch für Kooperationen mit anderen Akteuren sei man offen. Ein Schwerpunkt der Strategie ist die »OPEX-Garantie«. Interessierten Shipmanagern soll so Planungssicherheit ermöglicht werden – unter der Voraussetzung, dass sie das technische Management an Vogemann abgeben. Steffen zeigte sich von der bisherigen Resonanz in der Branche allerdings »ein wenig enttäuscht«. »Ich bin aber zuversichtlich, vor allem mit Blick auf Unternehmen, die ihr Portfolio mittelfristig abbauen wollen oder müssen«, sagte der Geschäftsführer.
Im Mehrzweck- und Schwergutsegment setzen die Reedereien Briese (Leer) und Harren & Partner (Bremen) auf einen Befrachtungspool. Während die Briese-Tochter BBC sich um die Basisauslastung kümmert, sorgt die H&P-Tochter Combilift für das Projektgeschäft. Die Geschäftsführer Martin Harren (H&P) und Frank Dreyer (Briese) präsentierten einige Kennzahlen. Der Pool performe über Marktniveau bei Raten und Pool-Erlösen.
Deutliche Worte…
Während also einige Redner positive Akzente zu setzen versuchten, fanden andere deutliche Worte zum Zustand der Branche und notwendigen Schritten. Jan Dieleman, Head of Ocean Transportation bei Cargill – mit über 220 Mio. t Ladung pro Jahr einer der größten Charterer im Drybulk-Segment – kritisierte, der Schifffahrt mangele es an Progressivität und Risikomanagement. Man hänge zum Teil weit hinter anderen Industrien hinterher. »Wir können stärker werden, aber dafür müssen auch neue Ideen umgesetzt werden. Ich bin hier um sie aufzufordern, dies zu tun.« Mehr Risikomanagement, Transparenz, Kooperation und eine höhere Standardisierung in Abläufen seien dringend nötig.
Über die Finanzierungs- und Restrukturierungsseite sprach unter anderem Janos F. Koenig, CFO des Finanzberatungsunternehmen Eurofin Group, die bislang Geschäfte mit einem Gesamtvolumen von 20 Mrd. arrangiert hat. Er beobachtet zwar wie viele andere große Probleme, sieht aber auch nach wie vor Möglichkeiten. Nicht alle Akteure würden allerdings ausreichend Engagement zeigen. »Wenn man bei einer Restrukturierung wirklich eine Lösung finden will, ist es auch möglich«, so Koenig. Zwar ziehen sich mehr und mehr Schiffsbanken zurück oder reduzieren ihre Portfolios. Die Schifffahrt bleibe aber sehr abhängig von Bankkrediten. Zunehmende Bedeutung gewinnen seiner Analyse nach chinesische Leasing-Firmen. »Allerdings finanzieren sie momentan noch vor allem die sehr großen Akteure. Kleine und mittelständische Unternehmen profitieren davon noch nicht«, so Koenig.
Jørgen Heszlein, Head of Shipping beim norwegischen Finanzdienstleister Arctic Securities, ist der Meinung, dass die Schifffahrt mehr Disziplin in Finanzfragen an den Tag legen müsste. Für 2017 erwartet er eine leichte Erholung auf den Märkten. Auch Börsengänge seien mittelfristig wieder denkbar. Der jüngste OTC-Transaktion von Songa Bulk in Oslo wollte Heszlein jedoch nicht überbewerten: »Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.«
Als Alternativen zur Konsolidierung gelten gemeinhin Übernahmen und Fusionen. Chris Randall von der Kanzlei Norton Rose Fulbright zeigte sich allerdings skeptisch: »M&A ist nicht die Lösung für alle Probleme in der Schifffahrt, weil es die Grundproblematik nicht löst: die Tonnage-Überkapazität.« Joint Ventures sind seiner Meinung nach schon eher geeignet, auch Kooperationen mit Private Equite bleiben wichtig.
Angelica Kemene von Optima Shipbrokers in Griechenland erwartet eine Zunahme von Verschrottungen – zumindest mittelfristig, wenn sich die Preise etwas erholen. Als Gründe für ihre Bewertung führte sie neue Regularien für die Schifffahrt an, wie das Ballastwasser-Abkommen oder Emissionsvorschriften, die umfangreiche technische Anpassungen erfordern, die sich für einige ältere Schiffe nicht lohnen. Ungeachtet einiger Risiken wie mögliche neue Handelsbeschränkungen durch protektionistische politische Maßnahmen in einigen Ländern gibt es für Kemene auch positive Signale. Der Tiefpunkt sei in einigen Segmenten – außer bei Tankern – erreicht, Schiffswerte dürften wieder steigen. »Die Containerschifffahrt wird als erstes profitieren, noch vor Bulkern«, sagte die Griechin.
Für Verschrottungen sprachen sich auch Mahnke und von Husen aus. Der HBC-Geschäftsführer forderte neue Finanzierungsmodelle, zum Beispiel ein Modell a la »Scrap two, get one for free«.
Eine reduzierte Flotte würde den Markt entlasten. Profitieren würden auch die Tonnage Provider, für die es extrem schwierig ist, Beschäftigungen zu finden. „Es findet faktisch keine Befrachtung mehr statt wie früher. Linienreedereien geben uns vor, was sie zu tun bereit sind und wir sagen dann: Vielen Dank, dass sie unser Schiff nehmen«, sagte Jan Hirschmann von Hanseatic Unity Chartering.
… und offene Worte
Die Probleme der Branche kann und will niemand ernsthaft wegdiskutieren, die Situation spitzt sich derzeit eher noch zu. So mancher Akteur stand jedoch jüngst besonders im Fokus. Dazu zählen unter anderem die HSH Nordbank und die Rickmers-Gruppe, deren Vertreter Christian Nieswandt (Global Head of Shipping, HSH) und Ignace van Meenen (CEO, Rickmers Holding) offene Worte fanden.
Bei Rickmers war zuvor ein dringend notwendiges Restrukturierungsprogramm ins Stocken geraten, was einige Reaktionen in der Branche ausgelöst hatte. Van Meenen forderte eine Versachlichung der Debatte und zeigte sich zuversichtlich, die Anteilseigner und Kapitalgeber des Rickmers Maritime Trust von einem Teilverzicht und Umwandlungen von Forderungen überzeugen zu können. »Wir werden nun in kleineren Gesprächsgruppen noch einmal unser Konzept im Detail erläutern«, kündigte der CEO an.
Die HSH Nordbank war zuletzt unter anderem wegen ihres über 500Mio.€ schweren Schuldenerlasses für das Hamburger Unternehmen Norddeutsche Vermögen des Reeders Bernd Kortüm in die Kritik geraten. Vor allem kleinere und mittelgroße Reedereien beklagen, dass es offenbar unterschiedliche Strategien in der Bank bei der Behandlung fälliger Kredite gebe. Nieswandt bestätigte, dass jeder Fall als Einzelfall betrachtet und bewertet werde. »Wir folgen da internen Modellen. Schiffe zu verkaufen macht bei dem derzeitigen Preisniveau keinen Sinn. Aber wir können ein Unternehmen auch nicht mit extrem hoher Verschuldung fortführen«, so der Manager. Daher sei ein Schuldenschnitt unerlässlich gewesen. »Das sieht nach außen zwar furchtbar aus, ist aber absolut begründet und reduziert am Ende sogar die Belastung für den Steuerzahler.«
Beim von der EU-Kommission geforderten Abbau des Schiffskreditportfolios kommt die Bank offenbar nur mäßig voran. Laut Nieswandt gab es Gespräche mit diversen interessierten Investoren, jedoch seien die Preise derzeit nicht hinnehmbar. Portfolioverkäufe hält er für die Zukunft »sehr schwierig«, die HSH werde vielmehr die bisherigen Ansätze mit Einzelverkäufen und »Nautilus«-Projekten fortsetzen. »Es würde dem Markt gut tun, wenn man die Zahl der Bereederungsfirmen drastisch reduzieren könnte. Wir werden uns in den nächsten Monaten daher bemühen, erheblichen Druck aufzubauen«, kündigte Nieswandt an. Unternehmen müssten damit rechnen, dass sie Schiffe verlieren.
Nicht jeder sieht ein rigoroseres Vorgehen der Schiffsbanken negativ. »Banken sollten noch aggressiver ihre Bücher bereinigen«, sagte etwa Jens von Husen, Managing Director der bei Hamburg Bulk Carriers. Ebenso wie Jan Hirschmann, Managing Director von Hanseatic Unity Chartering, sieht er darin eine dringende Notwendigkeit, um die Märkte zu entlasten.