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Der diesjährige Maritime Future Summit (MFS) mit dem Titel »Mind the gap – bridging disruptive technologies« zum SMM-Auftakt zeigte, dass progressive Denker aus der ganzen Branche teils unerwartete, teils einhellige Botschaften für den maritimen Sektor parat haben.

Ermutigt durch[ds_preview] die Resonanz auf den ersten Maritimen Zukunftsgipfel auf der SMM 2016 organisierten Hamburg Messe & Congress und HANSA die erfolgreiche Konferenz zum SMM-Start erneut. Nach Angaben der Hamburg Messe & Congress nahmen rund 150 Teilnehmer an der Konferenz teil und übertrafen damit die Zahl der Gäste vor zwei Jahren.

Hubert Hoffmann, CIO und CDO der MSC Deutschland, eröffnete die MFS mit seiner Keynote »New Thinking in Shipping«. Die zweitgrößte Reederei der Welt sucht nach Wegen zur Effizienzsteigerung durch eigene Digitalisierungsansätze. Die Lücke, die es zu schließen gilt, sieht Hoffman vor allem bei der Auslastung von Assets. Um dies zu erreichen, müssen die Prozesse überprüft werden, um sie dann wirklich digitalisieren zu können. »Mind the gap in your mind«, sagte Hoffmann. »Die Lösung liegt nicht in der Verlagerung von B2B-Prozessen auf digitale Kanäle, sondern in der Entkopplung von Informationsaustausch und Geschäftsprozessen von Geschäftspartnern, z.B. über eine Cloud-Architektur. Ohne das bietet selbst das autonome Schiff nichts Neues.«

»Konglomerate werden auf Verliererseite stehen«

Christian Roeloffs, Geschäftsführer von Container xChange, sieht ähnlich wie Hoffmann die geschäftliche Zusammenarbeit über zentrale Plattformen, Cloud-Lösungen oder Blockchain als Zukunft. »Es macht keinen Sinn, so unterschiedliche Branchen wie die Containerschifffahrt und die Containerequipment unter einem Dach zu behalten«, sagte er. Der Weg in die Zukunft könne vielmehr darin bestehen, sich zu spezialisieren, sich auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren und sich von Randgeschäftsbereichen zu lösen. »Auf der Verliererseite wird es Konglomerate geben, die auf allen Feldern spielen können, aber nirgendwo Experten sind.«

»Es geht nicht um Hardware oder Software«, sagte Mark O‘Neil, CEO der Columbia Marlow Holding, als er über Digitalisierung im Flottenbetrieb aus der Sicht eines Schiffsmanagers sprach. »Es geht um die Schnittstelle zwischen Technologie, Innovation und Prozessen.« Für den Schiffsmanager sind Best Practices entscheidend. »Die Betreiber müssen in den nächsten fünf Jahren OPEX-Einsparungen von 25 bis 30% erzielen, um relevant und wettbewerbsfähig zu bleibenq, betonte O‘Neil die Dringlichkeit. Aber er warnte auch davor, zu hastig zu sein: »Den richtigen Schritt zur falschen Zeit zu machen ist besser als den falschen Schritt zu machen. Nichts ist störender als die Implementierung der falschen IT-Lösung.«

»Wer haftet bei einem autonomen Schiffsunfall«

Japans National Maritime Research Institute (NMRI) hat sich mit 116 Technologien innerhalb und außerhalb der Schifffahrt und deren Auswirkungen auf die Schifffahrt bis 2050 beschäftigt. Kohei Matsuo präsentierte die eindrucksvolle japanische »Technology Roadmap«, die neue Materialien, Herstellungs- und Designmethoden sowie IT-Lösungen, Energieträger und Logistikprozesse umfasst. Matsuo sieht Verbundwerkstoffe als neue Normalität, während Augmented/Virtual Reality neue Perspektiven im Design eröffnet und es Außenstehenden ermöglicht, wertvollen Input zu liefern. Die kühnste Vision ist vielleicht der »direkte Download von Informationen ins Gehirn«, indem man menschliche Schnittstellen nutzt, um die Lücke zwischen der realen und der digitalen Welt zu schließen.

Mikko Lepistö, Director of Software and Automation Operations bei ABB, warb mit Blick auf die Schiffstechnik einer digitalisierten Zukunft für das Elektroschiff. Während sich Batterielösungen für kleinere Schiffe bereits bewährt haben, entwickelt ABB zusammen mit dem Partner Ballard Brennstoffzellenlösungen in MW-Größenordnung für größere Einheiten. »Elektrisch bedeutet effizienter, einfacher, flexibler, digitaler und besser integriert«, so Lepistö. Er ist überzeugt, dass die Branche das Potenzial heutiger Lösungen nicht voll ausschöpft, da sie selten vollständig integriert seien. »Elektrische Systeme ermöglichen die Digitalisierung, was wiederum neue Dienste wie die Zusammenarbeit mit Herstellern ermöglicht, die Remote-Support anbieten, Transaktionskosten reduzieren und Ausfallzeiten vermeiden«, so der ABB-Experte.

Keine Zukunft ohne autonome Schiffe: Wu Sun vom MFS-Sponsor China Classification Society (CCS) referierte zum Thema Gesetzgebung und Haftung im Bereich der autonomen Schifffahrt. Es gibt verschiedene Automatisierungsgrade: Schiffe mit automatisierten Systemen, ferngesteuerte Schiffe mit Besatzung, ferngesteuert ohne Besatzung und völlig autonom. Während die ersten beiden heute mehr oder weniger machbar sind, müssen sich die beiden letzteren mit Änderungen in der Haftung auseinandersetzen. »Wer haftet bei einem autonomen Schiffsunfall – der Hersteller der Systeme der Eigentümer, der Betreiber? Und vergessen Sie nicht, dass Cyberrisiken auch neue Versicherungsprodukte brauchen«, so Wu Sun.

»Können heute alle Akteure auf gleichen Wissensstand bringen«

Pierre Sames, Director of Maritime Technology bei DNV GL, sagte in seinem Vortrag zum Thema »Technical Assurance 2030« voraus, wie Digital Twins und Artificial Intelligence auf breiter Front zum Einsatz kommen – wieder mit besserem Support und völlig neuen Services als Folge. Er warf die Frage auf, wer den Digital Twin bezahlen wird, da die verschiedenen Spieler verschiedene Teile des Puzzles besitzen, die sie nicht teilen wollen. DNV GL und Partner haben eine offene Simulationsplattform gestartet, um ein sicheres gemeinsames Ökosystem aufzubauen, um entsprechende Daten zu teilen und den Digital Twin voranzubringen.

Auch Ulf Siwe von der schwedischen Seefahrtsverwaltung ist es ein Anliegen, die Kluft in den Köpfen vieler Branchenakteure zu überbrücken. Er präsentierte das Projekt Sea Traffic Management, das bereits Standards für den Austausch von Routeninformationen eingeführt hat. Der Informationsaustausch mit Behörden kann die Sicherheit und Effizienz deutlich erhöhen, z.B. durch den Import von Lotsenrouten in den Reiseplan eines Schiffes. »Heute können wir alle Akteure auf den gleichen Wissensstand bringen. Die Schifffahrt transportiert weltweit 90 % der Waren, stellen Sie sich das Potenzial vor, das digitalisierte Lösungen aus dieser Branche haben können.«

Nick Danese, CEO von NDAR, rief die Schiffbauindustrie auf, aufzuwachen und Informationen auszutauschen, um das volle Potential der Schwarmintelligenz zu nutzen. »Um effektiv, effizient und produktiv zu sein, müssen die Menschen wissen, was sie tun«, sagte Danese. »Es wird sich ändern, wenn jeder die Verantwortung übernehmen und die Daten anfordern kann, die er für seine Arbeit benötigt.« Dies sei der Schlüssel, um sicherzustellen, dass die heutigen Investitionen auch zehn Jahre später noch stimmten.

Angesichts des diesjährigen SMM-Mottos »Trends in SMMart-Shipping« war der Maritime Future Summit 2016 seiner Zeit voraus – es ging damals um »smart everything«. Die SMM 2020 wird zeigen, ob der Gipfel die Weichen wieder stellen konnte. Er hat sicherlich guten Input gegeben.

Lesen Sie den vollständigen Bericht in der Oktoberausgabe der HANSA