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Das Internationale Verkehrsforum (ITF) der OECD hat die Europäische Kommission aufgefordert, die Gruppenfreistellungsverordnung für Linienreedereien nach April 2020 nicht zu verlängern. Aus der Branche kommt scharfe Kritik

Das EU-Recht verbietet zwar generell wettbewerbseinschr[ds_preview]änkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Die Gruppenfreistellungsverordnung für Seeverkehrsunternehmen (Consortia Block Exemption Regulation) erlaubt es jedoch unter bestimmten Bedingungen Schifffahrtsunternehmen mit einem gemeinsamen Marktanteil von weniger als 30 %, Kooperationsvereinbarungen zur Erbringung gemeinsamer Güterverkehrsdienste abzuschließen.

Unter dem Titel »The Impact of Alliances in Container Shipping« berichtet das ITF in einem  127-seitigen Papier von Befürchtungen verschiedener maritimer Akteuere wie Hafenbetreiber, Schleppreedereien, Verlader und Spediteure. Von monopolistischen Tendenzen unter den Linienreedereien ist die Rede, daher wird der Europäischen Kommission vorgeschlagen, hier tätig zu werden.

Hinderniss für Zugang zum Ost-West-Handel

Angesichts der Tatsache, dass die vier größten Reedereien 2018 60% des globalen Containerschifffahrtsmarktes beherrschten, heißt es: »Allianzen könnten wettbewerbsrechtliche Bedenken in einem inzwischen konzentrierten Markt aufwerfen.« So sei der Marktanteil des größten Carriers mit 19% größer als der Marktanteil einer globalen Linienallianz vor dem Jahr 2012.

2M, Ocean Alliance and THE Alliance, in denen sich die acht größten Reedereien neu aufgestellt haben, kontrollieren auf den Ost-West-Routen 80 % des Containerhandels und 95 % der Schiffskapazität. Die Allianzen stellen laut ITF Hindernisse für den Zugang zum Ost-West-Handel dar. Hier seien nur die größten Unternehmen in der Lage, außerhalb einer Allianzstruktur mit den Preisen für Asien-Europa-Dienste zu konkurrieren.

Große Verhandlungsmacht und mögliches Vehikel für Absprachen

Allianzen könnten als »Vehikel für Absprachen« zwischen den Reedereien dienen, da die Partner detaillierte Einblicke in die Kostenstrukturen ihrer Wettbewerber erhielten, so die Befürchtung. Auch die große Verhandlungsmacht gegenüber Hafendienstleistern stellt aus Sicht des ITF ein Problem dar. Das drücke auf die Preise, zudem bestünden wettbewerbsrechtliche Bedenken angesichts des von 18% im Jahr 2001 auf 38% im Jahr 2017 gewachsenen Marktanteils der von Reedereien dominierten Terminals. Diese bergen die Gefahr, dass fremde Carrier ausgeschlossen werden.

Die Linenschifffahrt habe keine besonderen Charakteristika, die Ausnahmen von Wettbewerbsgesetzen für Allianzen rechtfertigen würden, so das ITF. Das Verkehrsforum schlägt der EU-Kommission daher vor, die Gruppenfreistellungsverordnung, wie derzeit geplant, im April 2020 auslaufen zu lassen und nicht zu verlängern. Das bedeute nicht das Aus für Allianzen, erlaube aber eine bessere Kontrolle durch die Wettbewerbshüter.

Kritik vom World Shipping Council

Der Weltschifffahrtsrat (WSC) kritisierte in einem Statement, dass sich das ITF-Papier fast ausschließlich auf die drei großen globalen Allianzen konzentriere. »Am rätselhaftesten ist, dass das Papier eine ausführliche Diskussion über die drei größten Ost-West-Allianzen mit einer politischen Empfehlung verbindet, die Gruppenfreistellungsverordnung der Europäischen Kommission für Konsortien auslaufen zu lassen«, so das WSC, das zeige ein grundlegendes Missverständnis darüber, wie die Gruppenfreistellung für Konsortien funktioniere. »Insbesondere unterliegen sie aufgrund verschiedener Aspekte der großen Allianzen einer Selbstbewertung durch ihre Mitglieder, um die Einhaltung des Wettbewerbsrechts zu gewährleisten; die Gruppenfreistellung der EU gilt in den meisten Fällen einfach nicht für diese Vereinbarungen.«

Was das Papier im Wesentlichen ignoriere, seien die zahlreichen Vessel Sharing Agreements (VSA), die nicht Teil von Allianzen seien und regelmäßige, oft einzigartige Dienstleistungen für Verlader darstellten. Gerade für diese VSAs biete die EU-Gruppenfreistellungsverordnung mehr Rechtssicherheit, geringere Kosten für die Einhaltung der Vorschriften und eine bessere Fähigkeit, auf Marktanforderungen zu reagieren.

»Die Tatsache, dass das ITF-Papier die Aufhebung der EU-Konsortialverordnung auf der Grundlage einer Diskussion über Allianzen fordert, die nicht unter diese Verordnung fallen, während das Papier die unter die Verordnung fallenden Regelungen für die gemeinsame Nutzung von Schiffen ignoriert, macht die Arbeit ungeeignet für die Aufgabe, für die sie offensichtlich konzipiert wurde«, heißt es.