»Treibstoffpreise folgen keinem Naturgesetz«

2020 ist das Datum für die große Umstellung der Treibstoffe. Eine Lösung können Scrubber sein. Einbau und Betrieb aber bedürfen Investitionen, die sich nur rechnen, wenn die Differenz zwischen HFO und VLSFO groß bleibt. 

Die Finanzkrise von 2008 war nicht nur ein schwerer Schlag für die Wirtschaft. Auch die Ökonomen, die die Entwi[ds_preview]cklung nicht vorhergesehen hatten, erlitten eine Reputationsdelle, von der sie sich im letzten Jahrzehnt schwer erholt haben.

Grundlegende Theorien stehen seitdem auf dem Prüfstand. Umso mehr lohnt es, eine der grundlegenden ökonomischen Theorien in der Praxis zu überprüfen. Ein perfektes Testgelände bietet IMO 2020 mit der Einführung neuer Schwefelgrenzen.

Rechnen sich Scrubber-Investitionen?

IMO 2020 führt zu einem festen Datum eine Neuverteilung der Treibstoffe, für die die Preise nicht feststehen. Kluge Vermarkter von Scrubbern haben sich mit faszinierenden Berechnungen an Reeder gewandt. Kaufen Sie einen Scrubber und die Amortisationszeit kann weniger als ein Jahr betragen. Oder zwei Jahre. Oder ein paar mehr. Spätestens aber rechnen sich die sperrigen Installationen, bevor sie obsolet werden – so das gängige Argument.

Vor allem Börsianer fanden die Geschichte überzeugend. Viele öffentliche notierte Reedereien wurden von ihren Investoren gedrängt, Scrubber zu bestellen. Einfache Geschichten verkaufen sich erfahrungsgemäß gut auf den öffentlichen Märkten.

Rätselraten um Preisdifferenz

Eine wichtige Annahme in allen Berechnungen ist nicht so sehr die brillante Technologie, die in den Abgaswäschern eingebaut ist. Alle sind sich einig, dass sie sicherlich nicht die genialsten Geräte sind. Aber die entscheidende Annahme ist die Preisdifferenz zwischen VLSFO und HFO, zwischen »sauberem« und »schmutzigem« Kraftstoff. VLSFO soll hier für alle niederschwefligen Treibstoffe stehen.

Ein Naturgesetz scheint darauf hinzudeuten, dass es einen Differenzbetrag von etwa 200 $ zwischen beiden Treibstoffklassen gibt. Zumindest, wenn wir lange und intensiv in die Vergangenheit schauen. Es wurde viel über die Technologie, über die Hafenpolitik bei offenen und geschlossenen Scrubbern und die Technologie als solche gesagt. Als Ökonom ist das allein Interessante in diesem Fall jedoch der Preis.

Keine Wahl für Reedereien

Die grundlegende Mikroökonomie geht davon aus, dass die Nachfrage unelastisch ist, wenn der Käufer keine Auswahl beim Kauf eines bestimmten Produktes hat, zugleich aber darauf angewiesen ist. Man kann sich zwar durchaus frei entscheiden, ein anderes T-Shirt zu kaufen (oder nicht zu kaufen) – abhängig vom Preis. Man kann sich aber nicht frei entscheiden, Bunker für sein Schiff zu kaufen.

Wenn man Waren transportieren will, benötigt der Motor Treibstoff. Deshalb sollte man, ja muss man besser kaufen. Für Ökonomen ist das eine fast perfekt unelastische Situation, da man den Kraftstoff kauft, egal wie teuer er ist.

Wer in einem Scrubber für ein Schiff investiert hat, ist gezwungen, HFO zu bunkern. Und jeder Operator wird Schweröl kaufen, solange es auch nur etwas günstiger ist als die einzige Alternative MGO. Vielleicht wird man es sogar noch kaufen, wenn es gelegentlich etwas teurer als VLSFO ist, weil die operativen Veränderungen auch Geld kosten können. Aber das ist zu vernachlässigen.

Anbieter hüllen sich in Schweigen

Oil Majors und Bunkerlieferanten befleißigen sich eines beredten Schweigens über ihre Preise für HFO und VLSFO nach dem 1. Januar 2020. Es ist nicht so, dass sie dazu keine Ideen hätten oder vorhaben, ihre Preisstrategie während der Weihnachtsferien zu bestimmen. Es ist wahrscheinlicher, dass sie etwas zu verbergen haben.

Ein schlichter Ökonom würde davon ausgehen, dass genügend Kraftstoff beider Haupttypen zur Verfügung steht. Der gleiche Ökonom würde davon ausgehen, dass die Angebotsseite – die Oil Majors – gerne den Einbau der größtmöglichen Anzahl von Scrubbern abwarten. Diese Entwicklung sollte so lange wie möglich ungehindert fortgesetzt werden.

In einem fast völlig unelastischen Markt können die Anbieter dann den Preis von HFO sehr nah an den Preis von VLSFO heranziehen. Solange es einen minimalen Preisunterschied gibt, werden Schiffe mit Scrubbern HFO beziehen. Die Rechnung dafür wird möglicherweise nur minimal günstiger ausfallen als für Schiffe ohne Scrubber. Aber immer noch etwas günstiger, als für VLSFO.

Blick in die Glaskugel

Der Anreiz, den Preis für HFO stark abzusenken, wie viele hoffnungsvolle Beobachter annehmen, besteht für die Anbieter nur, wenn dadurch der Absatz angekurbelt würde. Die Anzahl der Schiffe mit Scrubbern steht aber fest. Eine Preissenkung ergäbe also wenig Sinn. So wäre der Ökonom nicht überrascht, wenn sich die Preise von HFO und VLSFO in den ersten Monaten des Jahres 2020 stark annähern und dann dauerhaft so blieben. Der Rückgang der Lücke auf 100 $ im September war bereits ein Hinweis auf diese Entwicklung. Ein weiterer Rückgang auf einen Differenzbetrag von 10 $ ist wahrscheinlicher. Aber vielleicht bleibt es auch nur die Theorie.


Prof. Max Johns hat einen Lehrstuhl für Maritime Economics and Management an der HSBA – Hamburg School of Business Administration. Der Beitrag ist auf Englisch auch bei Tradewinds erschienen.