Der mit 5.000 € dotierte BRIESE-Preis für Meeresforschung 2019 wurde am IOW an die Mikrobiologin Katharina Kitzinger vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie (Mitte) verliehen. Kapitän Klaus Küper (r.) von der Briese-Reederei, IOW-Direktor Ulrich Bathmann (l.). (Foto: IOW / D. Amm)
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Die Leeraner MPP- und Forschungsreederei Briese hat erneut ihren Preis für Meeresforschung gestiftet. Die Auszeichnung ging an eine österreichische Wissenschaftlerin, die sich auch mit Experimenten auf See mit Stickstoff-Kreisläufen im Meer beschäftigt hat.

Katharina Kitzinger wurde von der Jury für ihre »herausragende Forschung zu Schlüsselprozessen des Stickstoff-Kreislaufes im Meer, den daran beteiligten Mikroorganismen und den Besonderheiten ihres Stoffwechsels«, geehrt.

Die Reedereigruppe stiftet den mit 5.000 € dotierten »Briese-Preis für Meeresforschung« jährlich seit 2010. Das Leibnitz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) betreut das Projekt wissenschaftlich. Prämiert werden Promotionen in der Meeresforschung, deren Ergebnis in engem Zusammenhang mit dem Einsatz von Forschungsschiffen stehen. Briese selbst bereedert die mittelgroßen deutschen Forschungsschiffe, etwa die »Elisabeth Mann Borgese« und »Heincke« sowie die großen Einheiten »Meteor« und »Sonne«.

Kitzinger vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie kombinierte in ihre Arbeit anspruchsvolle Labormethoden mit Experimenten auf See, die letztendlich entscheidend für ihre Ergebnisse waren. »Für eine ‚Landratte‘ aus der Alpenrepublik Österreich wie mich war es eine spannende Erfahrung, meine Laborarbeiten mit Freilandforschung direkt auf dem Meer zu verbinden. Deshalb freue ich mich besonders über die Auszeichnung mit dem BRIESE-Preis, der speziell die Arbeit auf See würdigt«, sagte die Preisträgerin bei der Verleihung.

Ein wichtiger Schlüssel zur Lösung der beiden »Meeresrätsel« war eine 10-tägige Forschungsfahrt an Bord des amerikanischen Forschungsschiffes »Pelican« im Golf von Mexiko, wo Kitzunger nicht nur Proben der natürlichen Lebensgemeinschaften für spätere Analysen nahm, sondern auch direkt an Bord unter möglichst natürlichen Bedingungen Inkubationen mit stabilen Isotopen durchführte.

Wissenschaftlicher Hintergrund

In küstennahen Gewässern spielt der Stickstoff-Kreislauf eine große Rolle beim Abbau überschüssiger Nährstoffe, die aus den Flüssen ins Meer gelangen und dort zu Überdüngung führen können. »Trotz intensiver Erforschung gibt es beim Verständnis des Stickstoff-Recyclings immer noch erstaunlich viele offene Fragen«, hieß es seitens Briese und IOW bei der Begründung der Auswahl. Gleich zwei davon, die Fachleute lange sogar als regelrechte Rätsel bezeichnet hätten, habe Kitzinger nun beantworten können. Konkret ging es um die sogenannte Nitrifikation.

 


Auszug aus der Mitteilung zur Preisverleihung

Als wichtiger Teil des Stickstoff-Kreislaufs wird hierbei zuerst Ammoniak, das bei Zersetzung abgestorbener Biomasse entsteht, in Nitrit und dieses dann in Nitrat umgewandelt. Im Meer findet man nur sehr wenig Nitrit während der Großteil des verfügbaren Stickstoffs – fast 90 % – als Nitrat vorliegt, dem Endprodukt der Nitrifikation. Dies sei insofern bemerkenswert, als die Mikroorganismen, die den ersten Schritt ausführen – Ammoniak oxidierende Archaea – zu den häufigsten Organismen auf unserem Planeten zählen. Im Gegensatz dazu sind Nitrospinae, die wichtigsten Nitrit-oxidierenden Bakterien, die Nitrit zu Nitrat umsetzen, im Schnitt 10 Mal seltener als die Archaea.

Warum gibt es im Meer also nicht viel mehr Nitrit, für dessen Erzeugung mikrobielle »Heerscharen« bereitstehen, und so viel Nitrat, das von einer vergleichsweise sehr kleinen Truppe erzeugt wird? (Rätsel Nr.1) Und wieso können überhaupt so viele Ammoniak-Oxidierer existieren, wenn ihre »Nahrung«, das Ammonium, in den meisten ozeanischen Regionen kaum nachweisbar ist? (Rätsel Nr. 2).

  • Als Erklärung für Rätsel Nr. 1 fand Kitzinger heraus, dass für die Nitrit-Oxidierer Nitrospinae offenbar das Motto »live fast, die young« gilt: Sie sind deutlich aktiver und wachsen fünfmal schneller als die Ammoniak-oxidierenden Archaea, weshalb ihre Umwandlung von Nitrit in Nitrat so effizient ist. Dass die Nitrospinae nicht, wie man erwarten würde, deswegen auch deutlich häufiger sind, liegt höchstwahrscheinlich an ihrer hohen Sterberate. Damit lasse sich erklären, warum beim marinen Nitrifikationsprozess Nitrit fast ebenso schnell in Nitrat umgewandelt wird, wie es entsteht – trotz der unausgeglichenen Häufigkeit der Hauptakteure. Die bislang in der Wissenschaft gängige Vermutung, dass für die ausgeglichene Geschwindigkeit der beiden Prozesse eigentlich noch andere, sehr häufige aber unbekannte Nitrit-Oxidierer ‚mitmischen‘ müssten, sei damit wahrscheinlich vom Tisch.
  • Die Lösung des Rätsels Nr. 2 liege in überraschenden »Ernährungsgewohnheiten« der Archaea, die viel flexibler sind, als bislang bekannt. Katharina Kitzinger konnte nachweisen, dass diese für ihr Wachstum nicht ausschließlich auf Ammoniak als Energie- und Stickstoff-Quelle angewiesen sind, sondern auch Harnstoff und Cyanat nutzen können. Das sind einfache organische Stickstoff-Verbindungen, die im Meer vergleichsweise häufig sind. Auch die Nitrospinae nutzen Harnstoff und Cyanat. »Allerdings spucken sie nach der Aufnahme vermutlich wieder Ammonium aus und stellen so die bevorzugte Energiequelle ihrer Freunde, der Archaea, zur Verfügung. So entsteht eine symbiotische Win-Win-Situation, die dazu beiträgt, dass die beiden, in ihren Strategien so unterschiedlichen Gruppen so erfolgreich nebeneinander existieren können«, berichtet Kitzinger. Zusätzlich zu den geschilderten Hauptergebnissen ihrer Promotionsarbeit konnte sie erstmals ein Nitrit-oxidierendes Bakterium der Gattung Nitrotoga isolieren sowie seine Physiologie und sein Genom charakterisieren, und eine neue Methode zur Optimierung von Experimenten mit stabilen Isotopen entwickeln.